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BeitragVerfasst: Mo Mai 16, 2011 13:59 
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Beiträge: 669
Hallo alle zusammen,

euch sind ja so manche Geräte/Jahrgänge durch die Hände gegangen und man weiß um so manchen Fehler oder Verschleiß, der zu bestimmten Jahrgängen passt.

Hier einmal die Frage an alle, die Geräte, welche zu Beginn des zweiten WK produziert wurden (39/40), restauriert haben:

Welches sind dort häufiger anzutreffende Schwierigkeiten?

Sicher haben Materialqualität während des Krieges ab- und Notlösungen zugenommen. Doch mir scheint es, dass firmenabhängig Geräte der 39/40er besonders starke Alterungsprobleme mit Isolation (Versprödung, Bruch), Widerständen (Hochohmigkeit) und Kapazitäten (Isolation) haben.
Nun kann man mit Recht fragen, was kann man denn schon von diesen erst über Jahrzehnte tagtäglich betriebenen, dann Jahre vor sich hinmodernden Geräten noch erwarten?
Diese frage kam mir, als ich vorsichtig den Staubpinsel an einen Allströmer NSF (Philips) H140 A ansetzte und mir dabei langstreckig die Drahtisolation des Spartrafonetzteiles wie eine Mumie zerbröselte... :angry:
Passive Bauteile müssten, wie ich es von einem 1939er DeTeWe kenne, so gut wie alle erneuert werden.
Trafo, Lautsprecher, Drehko scheinen noch brauchbar, das Skalenseil zerfiel beim Erstkontakt (Antippen).

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mit besten Grüßen


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BeitragVerfasst: Mo Mai 16, 2011 14:23 
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Registriert: Sa Jan 26, 2008 2:19
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Kenntnisstand: Spezialkentnnisse im Bereich Röhrenradios (Beruf)
Zitat:
besonders starke Alterungsprobleme mit Isolation (Versprödung, Bruch),

Würde ich auch so sehen, und es verwundert eigentlich nicht.
Es kamen die ersten Kunststoff- Isolierungen auf. Waren natürlich einfacher herzustellen und zu verwenden, als vormals Gewebeschlauch und Seidenzeugs per Hand um die Drähte zu fummeln.
(Das mache ich übrigens gerade bei einer Restauration !)

Ich las über diese Kunststoffe mal in einem alten Chemiebuch der 40er darüber, u. a. erwähnt: Guttapercha, das lt. Buch für Isolierungen und Bleiakkus (als Beispiel genannt: U- Boot- Batterien) Verwendung fand.
Wieso gerade U- Boot- Batterien ? Das Buch -ein normales Schulbuch !- hat einen Abschnitt "Wehrchemie", der geht bis zur Kampfstoff- Chemie !!!

Und dort war auch die Rede von Unabhängig- machen von ausländischen Rohstoffen, was Deutschland bis Kriegsbeginn auf 85% schaffte. (die DDR wegen Mangel an westl. Währungen, Embargos, usw. übrigens auch !!!)

Das hieß natürlich auch: Ausweichen auf Ersatzstoffe, nötigenfalls auch minderer Qualität, wenn diese heimisch verfügbar waren, und die Qualitätseinschränkung im Endprodukt vertretbar war.

Und in der Zeit Ende 30er bis in die Kriegsjahre wurden eben genau diese Anstrengungen unternommen, da findet man dann eben Kunststoffe, die bröselig geworden sind.
Allerdings haben die dafür auch viele Jahrzehnte gebraucht.

Aber in meinem norwegischen Radio von 1937 ist auch sowas drin- ausnahmslos alle Kunststoffummantelungen der Drähre sind hart, und brechen beim Biegen.
Die Kunststofftechnologie war wahrscheinlich überall noch nicht soweit.

Papierkondis- dasThema kenne wir ja. Bis 50er eigentlich alles Schrott, ausnahmslos.
Hochohmigkeit... gelegentlich. Aber was haben die Geräte auch alles mitgemacht...

Edi


Zuletzt geändert von edi am Di Mai 17, 2011 7:17, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mo Mai 16, 2011 15:49 
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Registriert: Sa Jun 13, 2009 22:06
Beiträge: 669
Danke Edi für Deine schöne und erklärende Antwort.
Puristische Restauration wird da schwer, gelegentlich findet man ja noch Replikate alter umsponnener Adern, spätestens beim glasartigen Zerbrechen meist thermisch mehr beanspruchter alter Leiter-Legierungen kommt man um eine sichere Erneuerung nicht herum (evt. mit Gewebeschlauch kaschiert).
Unglaublich erscheint einem dabei, wie klaglos die alte Flaschenröhren mit Anodenkappen (Wechselstrom-Röhren der 30er-Jahre) über all die Jahrzehnte noch immer ihren Dienst tun.

Holz bzw. Lacke sind dabei ein ganz eigenes Thema. Lacksplitterungen ggf. in Kombination mit thermischen Schäden des Gehäusedaches gehören wohl im Originalzustand dazu.

Da ist dann meist das ganze Programm gefordert, wobei mit Ersatzteilen und Holzrestauration schnell einmal 200-250 EUR den Weg alles Irdischen gehen - die eigene lange Arbeit am Chassis nicht einberechnet (macht ja auch Freude).

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mit besten Grüßen


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BeitragVerfasst: Mo Mai 16, 2011 18:00 
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Registriert: Sa Jan 26, 2008 2:19
Beiträge: 2788
Wohnort: Mecklenburg- Vorpommern
Kenntnisstand: Spezialkentnnisse im Bereich Röhrenradios (Beruf)
"Puristische Restauration"... wie ich hier ähnlich schrieb: Ich halte wenig von solchem Originalitätsstreben. Auch die Arbeit des Restaurateurs ist ja Geräte- Historie.

Zitat @Fernsehjeck (hier):
Zitat:
Ich ziehe mir auch keine alten Socken über die neuen, nur um diese
auch mit Löchern weiter tragen zu können.


Ich bin dafür, die Technik so zu erhalten, wie die technische Konstruktion es vorsah, nicht die Optik, wobei die ja damals nur selten bewertet wurde.
Reparaturen so, wie sie der Hersteller einst vorschrieb, oder es vorgeschrieben hätte. Bei Vorhandensein besseren Isoliermaterials wäre sowas als Service- Mitteilung an die Werkstatten gegangen.
Wenn es farblich oder auch sonst optisch gut hinkommt, um so besser.
Moderner Gewebeschlauch anstelle Stoff um die Drähte, möglichst in gleicher Farbe- ist doch absolut ok.

Lieber eine saubere, fachgerechte, zukunftssichere Arbeit, die sich an Konstruktion und Design orientiert, statt krampfhaftem Festhalten an Sachen, die die Konstrukteure selbst in die Tonne gekloppt hätten.

Mit Isolation hatte ich mal einen teuflischen Fehler, zeitweise auftretend, und der war immer für lange Zeit weg, wenn ich das Gerät nur bewegte- Ursache: Verrottete Isoliermaterial- Perlen in der Abschirmleitung zur Gitterkappe einer A- Röhre. Da ist jetzt anstelle vergammeltem silbernem Drahtgeflecht geschirmtes, graues Antennenkabel im Einsatz- und noch niemand aufgefallen.

Die zerfallenden Drähte indem norwegischen Radio- alle weiß- da kommen neue von heute rein, da ist es ja sehr einfach, Kunststoff- Draht gegen Kunststoff- Draht.

Glücklicherweise gibt es unseren Oldies mehr Teile, die ein Menschenleben lang Dienst taten, und dies vielleicht nochmal solange tun.

Zitat:
Holz bzw. Lacke sind dabei ein ganz eigenes Thema. Lacksplitterungen ggf. in Kombination mit thermischen Schäden des Gehäusedaches gehören wohl im Originalzustand dazu.

Bei 40er- Radios und älter gibt es oft Schäden... klar, was die Geräte schon durchmachten, einen Krieg überstanden...
Ist eben Frage, wo und wie das Gerät stand. Ist aber nicht natürliche Alterung, und kein Fehler.

Edi


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BeitragVerfasst: Mo Mai 16, 2011 18:57 
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Registriert: Do Dez 06, 2007 18:56
Beiträge: 1049
Wohnort: bei Bern, Schweiz
Hallo

In Geräten der 40iger Jahre fand ich gehäuft Probleme mit:

- den erwähnten, brüchigen (Gummi-) Isolationen
- wie immer den üblichen Papier-C's
- lausigen Fassungen für 20iger-Röhren mit verdrückten Kontakten (durch krumme Röhrenstifte...)
- wie in Geräten vorher und nachher: Glimmer-C's und Keramik-Trimmer-C's mit wegoxidierten Silberauflagen
- erhöhten Ausfallraten bei Trafos und elektrodyn.-LS wegen Alu- anstelle Kupfer-Drähten
- Nachkriegsproduktion: US-Widerstände ohne Lackierung und daher heute unzulässigen Toleranzen (ging bis in die frühen 50iger)
- schlechte Lötstellen (schlechtes Lötzinn)
- fehlende Unterlagen, da mit dem, was zur Hand war, gebaut wurde (z.B. drei versch. Röhrensockel-Typen in einem Gerät)

Gruss, Walter


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BeitragVerfasst: Di Mai 17, 2011 0:08 
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Registriert: Di Mai 18, 2010 8:45
Beiträge: 2602
Wohnort: Unterfranken-W
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Erstaunlicherweise kann ich das schlechte Zeugnis, das Geräten aus Anfang der 40er ausgestellt wird, nicht bestätigen.
Was ich bestätigen kann, ist die lausige Drahtisolation bei Philips-Geräten und deren Derivaten (z.B. ERRES), allerdings schon aus der Zeit Ende der 30er.
Ich meine diese gelbe GUMMI-Isolation, die beim Bewegen des Kabels sofort zerspringt. Sehr "schön" :angry: war dies bei meinem D63, der hat viiiele solcher Kabel.

Nehme ich das im Eingangsbeitrag angesprochene Jahr des Kriegsausbruchs, 1939, so muss ich gar feststellen, dass die in meinem Besitz befindlichen Geräte (SABA, KAPSCH, STASSFURTER) eine außerordentlich gute Qualität aufweisen. Außer den üblichen Verdächtigen, die ich auch bei anderen Geräten/Epochen finde, hatte ich dort nichts zu tun.

Schlimmer fand ich die Zinkpest, die einige Modelljahre zuvor wütete, und in einigen meiner Geräte komplexe Konstruktionen zerstört hat.

Dass bei Nachkriegsnotgeräten, also zweite Hälfte der 40er, ganz andere Probleme auftraten, ist nicht von der Hand zu weisen. Das allerdings hat sich, so meine ich, mit der Währungsreform schnell gebessert.

k.

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k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
(Friedrich II.)


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BeitragVerfasst: Di Mai 17, 2011 22:07 
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Registriert: Sa Jun 13, 2009 22:06
Beiträge: 669
Danke Walter und Klaus für Eure Einschätzungen zu der doch nach Herkunftsort und Marke recht unterschiedlichen Mängel und Schwächen, die wiederum auch dem Lebensalter geschuldet werden müssen.
Edi, ich seh das genauso: Ich will die Funktion zur alltäglichen Nutzung erhalten.

Als kleine Auffälligkeit der 39er/40er Geräte fand ich noch - ich weiß aber nicht, ob ich da richtig liege - der Teilwechsel von Großgehäusen auf Kleingehäuse und eine noch recht primitive Skalenanzeigeführung (war ja vor UKW auch nicht nötig).

Von Forumsfreunden, die das Konstruktive aus dem FF beherrschen, könnte man sicher Schaltungstypica dieser Zeit erfahren - ich könnte mir vorstellen, dass auch hier Not zur Reduktion erfinderisch machte (z.B.Mehrfachnutzung eines Röhrensystems...) - und von unseren Holzsachverständigen etwas über Design, die Hölzer, Lacke, Leime u.a. erfahren (vieles findet man ja dazu auch schon an anderen Stellen).

Mir jedenfalls gefallen die leicht gerundeten Kleingehäuse aus Holz mit sparsamen aufgesetzten, zweifarbigen Holzapplikationen (z.B. aufgesetzte Leisten).

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mit besten Grüßen


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