Guten Morgen,
Und hier noch - hoffentlich ist es nicht langweilig - etwas Theorie zum ordinären, verlustbehafteten Schwingkreis, so, wie er auch in unserem 198WL zu finden ist. Falls ich falsch liege, so sind Korrekturen gern gesehen!
Die Verstimmung durch Rückkopplung - eigentlich ist es eine positive Rückkopplung oder Mitkopplung - lasse ich jetzt mal weg.
Schaut man sich unseren verlustbehafteten Schwingkreis einmal an, ohne dass er mit einer
Fremdschwingung erregt wird, so sieht das so aus:
Drehko eingedreht:Kapazität: groß
Resonanzwiderstand: klein
Eigenfrequenz: klein
Resonanzkurve: breitbandig mit niedriger Spitze
Güte: niedrig
Dämpfung: hoch
Verstärkung: klein.
Drehko ausgedreht:Kapazität: klein
Resonanzwiderstand: groß
Eigenfrequenz: groß
Resonanzkurve: schmalbandiger mit hoher Spitze
Güte: hoch
Dämpfung: gering
Verstärkung: groß.
Betrachtet man nun unseren Schwingkreis jedoch über alle AM-Wellenbereiche, so gilt:
Der Resonanzwiderstand und somit die Verstärkung eines Schwingkreises steigen mit steigender Frequenz der den Schwingkreis erregenden Fremdschwingung innerhalb eines Wellenbereiches. Über alle Wellenbereiche betrachtet, sinkt er jedoch ab.
Das heißt also, auf einem Langwellenbereich hat ein Schwingkreis mit steigender Erregerfrequenz eine höhere Verstärkung = höhere Resonanzkurve als auf dem Mittelwellen- oder gar Kurzwellenbereich.Das alles ist in den einschlägigen Lehrbüchern nachzulesen und mit zugehörigen Kurven und Diagrammen verdeutlicht. Thomson'sche Schwingungsgleichung, usw. usf.*
Im 198WL nun ist es so, dass die ungewollte Selbsterregung auf dem Mittelwellenbereich einsetzt und zwar dann, wenn man von hoher Frequenz runtergeht auf das niederfrequente Bandende. Also wenn man eigentlich auf das eher unempfindlichere, weniger resonante Bereichsende des Schwingkreises eindreht.
Auf dem eigentlich (immer schwingkreisbezogen) resonanteren Langwellenbereich ist hingegen alles in Ordnung.
Daher vermute ich den Übeltäter im Rückkopplungszweig bzw. in sich geänderte Werte der Induktivität der Spulen im Mittelwellenbereich.
Man kann das auch bedämpfen, indem man der Bereichsspule einen Widerstand parallel schaltet, quasi auf diese Weise den Bereich bedämpft; die Resonanzspitze tiefer legt.
Ansonsten ist zum 198WL ja nicht viel zu sagen, das Reflexprinzip ist hinreichend bekannt.
Wo ich mir noch nicht zu 100% im Klaren bin: Rein theoretisch soll die RENS1294 nur als geregelter HF-Verstärker arbeiten, die Demodulation geschieht an der Diode AB2. Was aber passiert, wenn an der RENS1294 ungewollt Gleichrichtung auftritt, die Röhre also doch zum Teil als Audion arbeitet? Gitterkondensator und Gitterableitwiderstand sind ja da! Ein gefährliches Konstrukt
Setzt die Rückkopplung zu hart ein, so kann man - ähnlich wie bei Kurzwellenaudions generell üblich - den auf der Ug-Ia-Kennlinie ungünstigerweise zu tief sitzenden Arbeitspunkt der Audionröhre verlagern, indem man ihn auf die steilere Stelle der Kennlinie verlegt: höherer Anodenstrom. Dies wird am einfachsten realisiert durch Einstellen der Schirmgitterspannung Ug2. Bei manchen HF-Stufen in MW-LW-Geradeausempfängern geschieht die Arbeitspunktverlagerung auch, indem man den Kathodenwiderstand regelbar ausgeführt hat, so z.B. auch in meinem Seibt Roland 43WL: Änderung Ug1.
Ansonsten muss auch peinlich darauf geachtet werden, dass auf keinen Fall HF in den NF-Bereich gelangt, die wiederum zu Kopplungen führen würde. Daher das Siebglied 30KOhm-250pF. Auch soll der 400Ohm-Widerstand vor dem Endrohr eine Schwingneigung unterdrücken.
PS:
Was ich übrigens immer eher salopp als "Quetscher" benenne, sind für mich alle Hartpapier-Drehkos, sowohl in ihrer einfachen Form als auch die Differential-Drehkos. Es sind keine Quetschen in ihrem eigentlichen Sinne, wie sie es auch mal gab.
LG Michael
*Ich verweise hier insbesondere auf:
Pitsch, "Lehrbuch der Funkempfangstechnik", Bd. I, Akademische Verlagsgesellschaft Lepzig 1963, S. 199ff und S. 213ff
Autorenkollektiv, "Fachkunde für Funkmechaniker", Teil II, Volk und Wissen Berlin 1958, S. 14ff.
(Letzteres, also die Teile I und II habe ich übrigens vor längerer Zeit mal in der Bucht für 'n Appel und 'n Ei ersteigert, mit Widmung und Unterschriften von BGL und Direktor: 10 Jahre DDR, dem Schüler ***** für gute Mitarbeit bei der polytechnischen Ausbildung, Sassnitz, den 7.Oktober 1959, VEB Fischkombinat Sasssnitz.)