Hallo liebe Freunde
Die Restaurierung ist vollendet! In den letzten Abenden hat das Chassis eine Kondensator-Kur und Fein-Reinigung erfahren. Das Gehäuse wurde entdreckt, der Lack ausgebessert und poliert und der Schallwandstoff ersetzt. Außerdem sind jetzt wieder die Original-Lautsprecher angeschlossen.
Zum Chassis:Ich habe bisher 10 oder 12 Röhrenradios der 50er restauriert, aber so ein "Verhau" wie bei diesem Chassis ist mir bisher noch nicht untergekommen. Die Ansprüche an Verarbeitungsqualität und Servicefreundlichkeit scheinen bei Graetz, zumindest bei diesem Modell, nicht allzu hoch gewesen zu sein.
Die Bauteile sind an manchen Stellen in vier Ebenen übereinander gelegt. Besonders an den großen 2x50µF+4µF ist kaum ranzukommen.
Die Lötstellen sind nicht gerade ordentlich ausgeführt und bei meinem Chassis war eine Lötöse der Röhrenfassung nie verlötet (s. Foto), was auch kaum wundert, bei der Unübersichtlichkeit. Es scheint so, als habe man damals nur Wert auf eine schnelle Montage im Werk gelegt.
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Die Elektrolyt- und die Teerkondensatoren flogen alle raus. Interessehalber hab ich die ersten nach dem Ausbauen nachgemessen (mit zwei verschiedenen Messgeräten). Die Kapazitäten waren durchweg mindestens auf das Doppelte angestiegen. Außerdem war bei allen die Teermasse hart und Brüchig wie altes Brot. Auf das "Neubefüllen" der alten Kondensatoren habe ich verzichtet. Erstens sieht's keiner, zweitens ist's meiner Meinung nach sicherer wegen der Wärmeabfuhr und weil man später auch sieht, dass es Austauschteile sind und drittens hatte ich auch keine Lust

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Beim magischen Auge leuchtete nur noch die Heizung. Nach der Kur ist zeigt es wieder mit ca. 40% Leuchtstärke an. Auch die anderen Röhren scheinen noch die ersten zu sein. Seit der Kur läuft das Chassis wieder. Der Empfang ist recht gut. Als Referenz dient bei mir (nähe Alzey) Bayern 1 aus Aschaffenburg. Meine Wohnung ist recht abgeschirmt, ein Empfänger der BR1 reinkriegt ist daher recht gut. Das klappt mit den meisten 0815-Radios nicht. Das Graetz schafft es, mit leichtem Rauschen. Der Klang ist voll und einigermaßen ausgewogen, also recht normal für ein Gerät dieser Art und dieser Zeit, wie ich finde.
Ein Problem gab es aber nach der Kondensator-Kur. Wenn ich die Tonblende des Höhenregistes voll aufdrehte und dann die Lautstärke erhöhte, entstand bei einer bestimmten Lautstärke-Stellung (etwa bei 75%) ein Zischen, was in ein sehr hohes, aber leises Pfeifen überging. Wenn man noch lauter stellte, ging es in ein hohes, leises Rauschen über, das dann fast verschwindet. Drehte man die Tonblende minimal zurück, verschwand das Geräusch.
Nach Zusammenbau und Anschließen der original-Lautsprecher war das Symptom verschwunden. Wahrscheinlich lag es daran, daß ich nur einen Testlautsprecher an den Tieftöner-Anschluss angeklemmt hatte und die Übertragerwicklung für den Hochtöner offen ließ.
Zum "Häuschen":Das Gehäuse hat einige Kratzer und Macken, Die Meisten nur oberflächlich. D.h. die Beize und der Decklack sind noch OK, aber man sieht die ein oder andere Druckstelle. Die Schallwand und die Tür zum Plattenfach hab ich ausgebaut, demontiert, den Stoff abgezogen und gewaschen und die Holzplatten wieder mit dem original Stoff bespannt. Die Demontage hat keinen Spaß gemacht, da einige Schrauben eine innige Beziehung mit dem Holz eingegangen sind und beim Rausdrehen entweder abgerissen oder rundgenudelt waren. Die meisten abgerissenen ließen sich mittels Zange wieder entfernen. Interessant ist, daß die unteren Schrauben am meisten verrostet, waren.
Der Stoff ließ sich nach Einsprühen mit warmem Wasser vom Holz ablösen. In der Badewanne, mit lauwarmen Wasser und Haarshampoo - man gönnt sich ja sonst nix

- verfärbte sich das Wasser in Richtung Kaffee. Nach drei Waschgängen blieb das Wasser sauber - der Stoff... ...naja
Fazit der Wäsche: Trotz vorsichtiger Behandlung (Handwäsche, kein heißes Wasser, milde Reinigungsmittel, KEIN WRINGEN) lösten sich an vielen Stellen die dunkelbraunen Zierfäden ab. Flecken, die durch den allgemeinen Dreck nicht zu sehen waren kommen jetzt stärker durch

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Beim Waschen ist der Stoff natürlich etwas eingelaufen. Da aber genügend Überstand als Reserve vorhanden war, stellte dies kein Problem dar. Der Stoff ließ sich recht gut dehnen und so gut aufspannen.
Ich befestige den Stoff, wenn möglich, immer an den später unsichtbaren Stellen mit Reißbrettstiften - Klebeverbindungen haben irgendwie sowas Endgültiges - schließlich weiß man ja nie...

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Nachdem die Tür und die Schallwand montiert waren, hat mich das Ergebnis leider nicht so überzeugt. Durch die Wäsche sind die Kunstfasern der braunen Bestickung gebrochen und die Fäden hingen in Fransen. Im Bodensatz des Waschwassers lag eine ganze Schicht dieser braunen Fasern. In einem Stoffladen in Kaiserslautern fand ich einen hellen Stoff, der normalerweise zum Beziehen von Stühlen verwendet wird. Von der Optik und der Beschaffenheit könnte er auch original in einigen Radios gewesen sein. Diesen hab ich jetzt aufgespannt und bin mit dem Ergebnis zufrieden.
Der Lack wurde einer Politur unterzogen und glänzt wieder sehr schön. Natürlich sind einige Risse entlang der Maserung zu sehen – das bringt das Alter mit sich.
Die Messingzierteile werden noch poliert – allerdings nicht alle, etwas gezielte Patina muss sein!
Doch nun zu meinem Lieblings-Teil der Dokumentation - Die vorher-nachher-Bilder

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So – das war’s vorerst mal. Vielen Dank fürs Reinschauen.
Gruß, Daniel