Hallo Forum,
neulich konnte ich eine halbe Radio-/TV-Werkstatt ausräumen, der alte Meister trennte sich von seinen doppelt vorhandenen Meßgeräten, alles von Philips. Sowas kann ich immer brauchen.
Mein gieriges Auge fiel dabei auch ein wirklich altes Radio, einen Telefunken 975WK aus dem Jahre 1939. An sich sammele ich keine Vorkriegsgeräte, in Anbetracht des guten Gehäusezustandes habe ich den aber auch mitgenommen, gratis. Erste Idee, gewinnbringend versilbern. Beim Blick in den Innenraum habe ich aber den Fertigungsstempel vom Oktober 1939 gesehen, in dem Monat wurde auch mein Vater geboren. Beide werden nächstes Jahr also 70 Jahre alt.
So beschloß ich, die alte Kiste mal einer genauen Prüfung zu unterziehen. Der Blick in den Innenraum offenbarte eine interessante Gehäusekonstruktion: das Chassis besteht aus einem Gestell aus Holzlatten, auf dem eine Pertinaxplatte montiert ist. Das ganze Gedöns steht (!) im Gehäuse, so daß die 4 Stahlröhren (ECH11; EBF11; EF11; EL11) nach hinten zeigen, die AZ11 steht recht auf dem Netzteil, die EM11 hängt gesondert hinter der Skala. Die Bestückung mit den anderen Bauteilen wird sichtbar, wenn man die frontseitige Bakelitmaske abnimmt, hinter der sich auch der Lautsprecher verbirgt. An sich ist das sehr servicefreundlich, solange man das Chassis nicht herausnehmen muß. Dies war hier aber erforderlich zum Großreinemachen, und weil ein neuer Seilzug erforderlich wurde. Man braucht lange Schraubendreher und spitze Finger....
Irgendwie kann man an dieser sparsamen Verarbeitung schon die Kriegszeit erkennen, meine ich. Mein Gerät war irgendwann mal Opfer einer nicht zu Ende geführten Bastelattacke gworden: Lautsprecher und Netzteil waren sauber vom Rest der Schaltung getrennt. Die fiesen textilummantelten und gewachsten Kabel aus der Vorkriegszeit waren in all ihrer bockbeinigen Steifigkeit aber noch vorhanden, sodaß ich erst den Lautsprecher wieder montiert und die ganzen Kabel nach Schaltplan wieder angelötet habe.
Nach erfolgtem Tausch von ca. 15 Kondis und dem Auflegen eines neuen Seilzuges (geht innerhalb von 10 Minuten, da sehr einfacher Verlauf und keine Komplikationen) spielte das Gerät wieder leise auf, die EM11 zeigte aber guten Empfang an. Alle sonstigen Röhren hatten auf meinem Euratele gute Werte, alle außer der EF11 gehören noch zur Originalbestückung.
Der Fehler lag in der zuvor rekonstruierten Verdrahtung, ich hatte im Eifer des Gefechtes die beiden Zuführungen zur Feldspule des elektrodynamischen Lautsprechers vertauscht, nach Richtigstellung dieses Fehler spielt das Gerät nun wieder so, wie einst im Mai, nein Oktober !
Was mögen die ersten Meldungen gewesen sein, die das Gerät seinem frischgebackenen Besitzer gebracht hat ? Der Sieg in Polen oder irgendwelche sonstigen Scheußlichkeiten ? Manchmal wünscht man sich, die alten Kisten könnten nicht nur immer die neuesten Meldungen bringen, sondern mal aus dem eigenen Leben erzählen.
Fast 70 Jahre ist der nun alt, was mache ich nur mit ihm ? Ohne UKW ist es ja schon was öde, sowas sammele ich normal ja nicht, wie gesagt. Ich könnte ihn ja meinem Vater schenken....?
Gruß
Holger
_________________ UKW: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.....
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