Hallo Zusammen!
Nach zugegebenermaßen sehr, sehr langer Abstinenz im DRF melde ich mich heute mal wieder aus der Bastelhöhle zurück um von einem Fall zu berichten, der sich als etwas mehr Arbeit herausstellte als ursprünglich angenommen.
Letztlich kam ein Loewe Opta Bella 1700W zu mir, dass ich im Auftrag für einen Bekannten reparieren sollte.
Optischer Zustand naja, hatte sehr lange unter ungeeigneten Bedingungen gelagert. Beim ersten abnehmen der Rückwand fiel auf: Da stimmt was nicht, jemand hatte den Trafo getauscht. Aber nach dem herausnehmen des Chassis dann die Überrraschung: Der Reparateur hatte die Arbeit nicht abgeschlossen, es hingen lose Drähte herum. Bei genauerem hinsehen stellte sich dann auch noch heraus, dass es sich um einen SPARTRAFO handelte, der eingesetzt wurde

Lebensgefährlich in einem Radio, dass gewöhnlicherweise für den netzgetrennten Betrieb gedacht ist.
Naja, kurz in die Trafo Sammlung geschaut und wie das halt so ist, man hat alles aber natürlich nix passendes
Also fix den Holger angeschrieben und am folgenden Wochenende auf den Weg gemacht. Denn Holger war sich sicher....da ist noch was in seinem Keller. Also erstmal Kuchen und dann Trafos sortieren. Die Freude war groß als ein Trafo von einer Bella 700W (der ebenfalls wie in der Bella 1700W vom Typ NTR6 ist) auftauchte.
Hier ein Bild der Konstruktion:
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Also Chassis auf den Tisch und los gehts. Das Spartrafo Gelumpe mit dem kunstvoll zwischen Skalenhintergrund und Trafo eingeklemmten Einweggleichrichter hatte ich Zuhause schon demontiert, so konnte direkt der "neue" Trafo Platz nehmen.
Die Netzschnur war auch alt und brüchig und wurde bei der Gelegenheit gleich mit ersetzt. Beim verdrahten des Trafos und des Netzteils fiel auf: Der Netzschalter ist (wie bei vielen Geräten mit Netzschalter am Tastensatz) hinüber, er hatte keinen Durchgang mehr. Ein seitliches anbohren und fluten mit Oszillin brachte leider auch keinen Erfolg, es lag also scheinbar nicht an verrotzten Kontakten. Nunja, Netzschalter gebrückt bzw. herausverdrahtet (dabei die zweite Schaltebene für die Anodenspannung nicht vergessen).
Als der Trafo saß, musste auch noch ein Gleichrichter her. Der Originale war nicht mehr vorhanden und die windige Lösung mit dem fliegenden Einweggleichrichter des Vorgängers war auch nicht wirklich als praktikabel zu erachten. Also hat Holger nochmal geschaut und eine passende Selen-Stange ausgegraben. Diese also eingebaut, alles verdrahtet -> Erster Probelauf
Nunja, was soll ich sagen. Ihr habt es euch bestimmt schon gedacht....natürlich nüscht.
Leistungsaufnahme bereits bei kleiner Spannung viel zu hoch. Gleichrichter vom Trafo abgeklemmt, alles in Ordnung. Wieder angeschlossen, alles Mist und ein verbrannt riechender Gleichrichter. Vermeintlich war also der Schuldige gefunden. Eine Messung am MOhmmeter gab Gewissheit, der ist hin. Aber sollte es das schon gewesen sein?
Also einen kleinen Silizium Knopfgleichrichter eingebaut, Spannung drauf und.....Leistungsaufnahme wieder zu hoch
Also erstmal Rätselraten und rekapitulieren was gemacht wurde. Ergebnis der Überlegungen: Hat der "neue" Trafo etwa auch einen Weg? Knopfgleichrichter auf der negativen (Masseseite) abgeklemmt: Alles in Ordnung. Angeklemmt: Alles Mist.
Naja, was bleibt da noch übrig?
Genau! KERNschluss! Also den mühselig reingefummelten Trafo wieder raus und ans MOhmmeter gehängt und siehe da, Windugsschluss vermutlich irgendwo in der Mitte der Spule. Das tückische daran: Die Anodenspannung liegt ja immer einseitig an Masse, wenn also die Wicklungen einen Schluss gegen der Kern haben kommt es zu einem zu hohen Stromfluss im Transformator, ein nahezu Kurzschluss. Aber nur, wenn auch die Masseseite des Gleichrichters angeschlossen war, da sonst keine Verbindung der Wicklungen zum Chassis bestand.
Sehr fieser Fehler, den sowohl Holger in seiner langjährigen Reparaturpraxis als auch ich so noch nicht gesehen habe. Aber nunja, hilft ja alles nix, der Trafo ist hin.
Also wieder ab in Holgers Keller, was mechanisch passendes finden. Auch fündig geworden. Der Trafo eines Grundig 3010H passte von den Kernmaßen nahezu perfekt zum alten Loewe NTR6. Für den Tag war aber die Luft raus. Also Chassis in den Kofferraum und wieder mit neuem Grundig Trafo ab nach Hause.
Nächster Schritt waren dann mechanische Arbeiten am Grundig Trafo, er hat das Sicherungshalteblech und die Chassishaltebleche vom Loewe NTR6 übernommen, damit am Chassis nix angepasst werden musste.
Trafo eingebaut, ab an den Stelltrafo und siehe da: Stromaufnahme in normalem Bereich
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Spielen wollte es zwar immer noch nicht, aber darum wurde sich danach gekümmert. Die Anodenspannung war durch neuen Trafo, 230V Netzspannung und Silizium-Brückengleichrichter auch zu hoch. Also Vorwiderstand dimensioniert und eingebaut und Kondensatoren getauscht.
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Nächster Versuch: Radio spielt immer noch nicht, aber Spannungen sind alle im grünen Bereich. Beim klopfen gegen die EABC80 zeigte sich eine starke Mikrofonie der Röhre. Nach Austausch funktionierte immerhin schonmal alles, außer UKW.
Spannungen am Tuner waren da, es war auch schon wieder spät. Noch ein letzter Versuch sollte es sein, sonst wäre es am nächsten Tag weitergegangen. Beim in die Hand nehmen des Messgerätes, streift die Messleitung über die ECC85 und das Radio brüllt in voller Lautstärke los. Also auch hier: Fehler gefunden!
Also Glasfaserradierer gezückt und einmal alle Röhrenkontakte einer Frischkur unterzogen. Zu guter letzt noch die Dipol-Leitung auf der Rückseite ersetzt und eine russische 6E1P als Ersatz für die völlig verbrauchte EM80 eingesetzt.
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Und siehe da, es spielt und läuft wieder einwandfrei. Eine schwere Geburt, aber der Besitzer ist sehr glücklich über die Reparatur und hört den ganzen Abend Radio mit seinem neuen alten Radio!
Ein herzlicher Dank geht auch an Holger für den Ersatztrafo und den leckeren Zitronenkuchen
Gruß,
Lukas