Im Eröffnungsposting ging es ja darum, "
ob es eine einfache Antwort (Schätzung) für die Dimensionierung dieser kapazitiven Koppelglieder ohne genaue Berechnung der genannten Formeln und Kenntnis aller Parameter gibt"
Bei der Grenzfrequenz wäre für mich die Faustformel dann gefunden, wenn die Abweichung kleiner als 15% wäre, incl. der Aussage, ob es überhaupt eine untere Grenzfrequenz gibt, siehe unten. Um die Abweichung zu beurteilen, muß ich aber wissen, wie hoch die Grenzfrequenz bei
genauer Berechnung ist. Die effizienteste Möglichkeit dazu scheint mir die Schaltungssimulation zu sein.
Zitat:
Mit LTSPice u. ä. können Sie -vorausgesetzt, die Modellschaltung stimmt- zwar den Einfluß der geringsten Kapazitätsänderung genauestens berechnen, aber lohnt das ?
Für eine Schaltungsberechnung ist die sehr hohe Genauigkeit nicht nötig, sie stört aber auch nicht. Wenn man sich häufiger mit diesen Berechnungen beschäftigt, lohnt es sicherlich.
Zitat:
Welche Erkenntnisse haben Sie beim herumspielen mit verschiedenen Werten gewonnen ?
Meine Erkenntnisse? Da muß ich etwas ausholen.
Faustformeln können zum einen aus Erfahrungen und Beobachtungen entstehen, wie z.B. die Erkenntnis bei Papillons Flucht von der Insel Cayenne, daß jede 7. Welle auf's Meer hinaus treibt.
Zum andern kann man, wenn man die (z.B. elektronischen) Zusammenhänge kennt, die exakte Formel schrittweise vereinfachen. Das war hier mein Ziel.
Vereinfachen läßt sich eine Formel u.a. 1) ggf. durch Begrenzung des Gültigkeitsbereiches auf Praxiswerte (das Hookesche Gesetz ist nur einfach, weil es nicht für zuerquetschte und zerrissene Federn gelten muß), 2) durch Ausklammern von Variablen (hier: Bauteile), die kaum Einfluß auf das Ergebnis haben, 3) durch Fixieren von Variablen, die immer gleich sind. Welche Variablen für 2) und 3) in Frage kommen, kann man durch Verändern der einzelnen Kapazitäts- und Widerstandswerte gut erkennen (nennt sich "Sensitivitätsanalyse").
Also:
- 1) hilft dann, wenn wir den interessierenden Teil eines komplexen Funktionsverlaufs in eine linearen Funktion überführen können. Das wurde bei der Barkhausenschen Röhrenformel schon vorausgesetzt, sie gilt für Kleinsignalverstärkung und berücksichtigt keine Unlinearitäten der Steilheit.
- Man darf für keins der Bauteile Daumenwerte einsetzen. Dafür haben sie in den verschiedenen Endstufenschaltungen zu unterschiedliche Werte - auch die Anoden-/Schirmgittersteilheiten und deren Relation zueinander.
- Man darf auch kein Bauteil weglassen. Jedes hat einen nennenswerten Einfluß auf die Grenzfrequenz, weil die beiden Eckfrequenzen des Frequenzgangs relativ nah zusammenliegen. Wäre aber der Kathodenwiderstand typischerweise mindestens 5x so groß wie Rsa//Rsg2, könnte man ihn (für 15% Toleranz) ignorieren. Dann hätte man eine Faustformel, die nur den Kondensator und die Gesamtsteilheit benötigt.
- Ist der Kathodenwiderstand kleiner als 0,41 x Rsa//Rsg2, gibt es keine untere Grenzfrequenz, weil die Verstärkung nicht weit genug absinken kann.
- Den Einfluß von Kathodenwiderstand, Kathodenkondensator und Steilheit der Röhre auf den Gesamtfrequenzgang beschrieb ich schon weiter oben.
- Den größten Einfluß hat der Kondensator. Ganz einfach deshalb, weil er der einzige Blindwiderstand in der Schaltung ist.
Aber keine Faustformel. Sicherlich gibt's die für Abweichungen größer 15%. Genau das kann man mit dieser Simulation untersuchen.
Ob die 15% sinnvoll sind oder nicht, ist an dieser Stelle egal. Nehmen Sie ruhig 50%; das Modell funktioniert trotzdem.
Gruß, Frank
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