Es wird hier, meiner Ansicht nach, immer wieder eine äußerst wichtige Tatsache übersehen:
Der Frequenzgang bei Schellackplatten vor etwa 1935 (plus/minus), ging oft nicht über ca. 6.000 Hz hinaus. Selbst Schellacks aus den 40er Jahren hatten bei noch nicht einmal 10.000 Hz ein Ende. Hier mittels Frequenzanpassung nun vielleicht "Hifi-Qualität" zu erwarten, wäre fehl am Platze. In dieser Funkschau wird sehr einleuchtend erklärt, weshalb der Frequenzgang bei etwa 6 KHz endet:
http://www.radiomuseum.org/forumdata/us ... v1_v20.pdfWas die Schneidkennlinien betrifft, so stellen Tabellen auch nur Annäherungswerte dar. Letztendlich muß das eigene Gehör darüber entscheiden, was nun besser klingt. Wohlgemerkt: "Besser", nicht "richtiger". Das herauszufinden, wäre ein hoffnungsloser Wunsch. Wenn man sich die Daten der Schneidkennlinien genau anschaut, wird man auch feststellen, daß die Unterschiede gar nicht so gravierend waren. Ich bezweifel nun mal, daß man die Unterschiede bei der Höhenanhebung bzw. -absenkung bei 25µs und 26µs heraushören kann. Im Grunde kristallisieren sich für die Höhenabsenkung (bei der Wiedergabe) folgende Werte heraus:
- keine Höhenabsenkung: akustische Aufnahmen, die ersten elektrischen Aufnahmen (bis teilweise Mitte der 1930er Jahre)
- 25µs: elektrische Aufnahmen ab ca. 1930 bis 1950 (wobei es sogar 50er Jahre Schellacks gibt, die hiermit abgespielt werden müssen)
- 35µs: elektrische Aufnahmen ab ca. 1945 bis Ende der Schellackzeit
- 50µs: elektrischen Aufnahmen aus den 50er Jahren
- 75µs: einige Aufnahmen aus der zweiten Hälfte der 50er Jahre
- 100µs: einige Aufnahmen aus der zweiten Hälfte der 50er Jahre
Für die Bassanhebung bei der Wiedergabe reichen schon zwei Werte, um zu guten Ergebnissen zu kommen:
- 250Hz
- 500Hz
In dieser Funkschau wird eine sehr einfach zu bauende kleine Schaltung gezeigt, mit der man die Bassanhebung durchführen kann:
http://www.radiomuseum.org/forumdata/us ... v1_v20.pdfThema: "Über die Tiefenanhebung bei der Schallplattenwiedergabe."
Das ganze muß dann noch an einen kleinen linearen Vorverstärker angeschlossen werden. Und auch hier keine Angst: Schellackplatten haben einen ungefähren Rauschpegel von ca. -36dB. Es reichen also durchaus Standard-Bauelemente. Deren Rauschen dürfte zu 99,9% vom Rauschen der Schellacks überdeckt werden.
Schaltet man nach dem Vorverstärker eine stufenlos regelbare Höhenabsenkung, so kann man sehr einfach die Klangqualität der jeweiligen Schellackplatte anpassen. Ein teureres und aufwändigeres Equipment macht lediglich bei fabrikneuen Schellackplatten aus den 50er Jahre vielleicht Sinn. Nicht aber bei gebrauchten Schellacks. Egal aus welchem Jahrzehnt sie auch sein mögen.
Ich persönlich benutze zum "mal eben Abspielen" ein Kristall- bzw Keramiksystem, welches ich mit Hilfe einer Schaltung, die mir Radiowerkstatt einmal zugeschickt hatte und die ich für die Wiedergabe von Schellackplatten angepaßt habe, an den Magneteingang anschließe:

Die dort angegebenen Werte für die schaltbaren Widerstände mußte ich allerdings später noch einmal korrigieren. Sie lauten nun:
- keine Höhenabsenkung: 20 KOhm
- 25µs: 4 KOhm
- 35µs: 2,9 KOhm
- 50µs: 2 KOhm
- 75µs: 1,4 KOhm
- 100µs: 1 KOhm
Die Bassanhebung liegt hierbei zwar fest bei 500 Hz, stört mich persönlich aber nicht.
Wer hier Angst wegen des "hohen" Auflagegewichtes eines Kristallsystems (ca. 5 Gramm) hat, dem sei gesagt, daß es Magnetsysteme der höheren Klasse gibt, die mit einem Auflagegewicht von 7 bis 10 Gramm laufen. Gerade bei Schellackplatten ist es eben nicht förderlich, diese mit 2 Gramm Auflagegewicht abzuspielen.
VG Willi