Es gibt Radios, die mag man auf den ersten Blick. Das hier ist so eines.

Ein H28U der Marke NSF, gebaut 1935 im belgischen Philips-Werk in Leuven. Gekauft habe ich es von einer
Dame in Lüttich im besten Rentenalter, die zu berichten wusste, dies sei das Radio ihrer Großmutter gewesen.
Es ist ein recht kompaktes Gerät, wie der Größenvergleich zeigt. Nikodemus ist sitzend bis zu den Ohrenspitzen
genau 43 cm hoch:

Innen war noch alles im Originalzustand und sehr gut erhalten. Auf Chassis und Röhren nur eine hauchdünne
Staubschicht. Nach kurzem Auspinseln und Aussaugen sah alles schon pikobello aus. Der Stoff vor dem Laut-
sprecher ist wie neu.
Hier ein Blick auf das Chassis. In der Mitte die drei Siebelkos mit flüssigem Elektrolyt. Allem Anschein nach
scheinen sie ausgetrocknet zu sein, sodass ich davon abgesehen habe, sie zu öffnen und zu entleeren.
Links vorn sitzt das Lautstärkepoti, um das es dieser Tage
hier ging. Man erkennt auch hier den isolierten Einbau.

So konnten sich die technischen Maßnahmen auf einen Ersatz des völlig maroden Netzkabels und der üblichen
Kondensatoren beschränken. Man erkennt den typischen freischwebenden Philips-Aufbau dieser Epoche. Alles
was nicht an Röhrenanschlüssen angelötet ist, ist in der Luft mit einem kleinen Drahtröllchen verbunden, das
verhindert, dass beim Ablöten eines Bauteils gleich alles auseinanderfällt. Jedenfalls war das eine gute Übung
für die nun anstehende Restaurierung des
Siera S38a.
Man beachte auch den Aufwand, den sie - für diese Zeit ganz untypisch - bei diesem Allstromgerät mit dem
Berührungsschutz getrieben haben. Alle Achsen, die nach vorn aus dem Gerät herausragen, sind gegen Chassis
und Schaltung isoliert. Auch ein zweipoliger Netzschalter war damals noch alles andere als üblich.
Auf eine Tarnung von Kondensatoren habe ich angesichts des wenig ästhetischen Wirrwars unter dem Chassis
verzichtet.

Werfen wir einen Blick auf die Rückseite des Chassis.
Die Bestückung, gegen den Uhrzeigersinn: CK1, CF7, CB2, CF1, CL2, ein Eisenwasserstoffwiderstand zur
Stabilisierung des Heizstroms und eine CY 1. Die nicht angeschlossene Kappe bei der CB2 ist normal. Es
wird nur eine der beiden Dioden verwendet. Die Röhrenbestückung ist mit Ausnahme der CF7, die
ursprünglich eine CF2 war, anscheinend noch komplett original.
Die Betriebsspannungen sind mit knapp über 100 Volt auf der U
a-Schiene angenehm niedrig.

Rückansicht, nach dem Einbau des Chassis in das Gehäuse:

Und mit aufgesetzter Rückwand:

A propos Gehäuse: dessen Unterseite liefert den einzigen Hinweis auf den Hersteller. NSF Bruxelles, eingebrannt.
Dort war die Firmenanschrift, sozusagen als Untermieter bei Philips.
Die Bezeichnung 562U klingt nach einem baugleichen Philips. Das ist aber der 522U.

Die Typenbezeichnung findet sich auf einem typischen Schild, wie es von allen Herstellern der Philips-Gruppe
einheitlich verwendet wurde:

Der Lizenzaufkleber weist das Radio eindeutig als belgisches Gerät aus. Weiß jemand, worauf die damals bei
SBR ein Patent hatten?

Auf dem Skalenrahmen ist oben ein Feld, in dem noch ein Namensschildchen gesessen haben könnte. Auf den
wenigen Bildern anderer Geräte des gleichen Typs, die man im Web findet, ist da aber auch nix, zumal NSF kein
Logo gehabt hat, das vom Seitenverhältnis in dieses Feld gepasst hätte.
Die Skala ist in diesem Baujahr noch ohne Stationsnamen und, wie in dieser Epoche üblich, nur in Meter geeicht.

Während ich diese Zeilen schreibe, steht das Radio neben mir und spielt ganz ausgezeichnet. Es hat ohne jede
Frage den besten Klang aller Geräte, die ich je aus dieser Zeit gehört habe. Rund, durchsichtig und mit einem
sehr niedrigen Klirrfaktor.
Mein
Upel, der genauso alt ist, klingt dagegen ausgesprochen rauh und flach.
Bleibt nur noch die Frage, was ich mit dem Gehäuse mache. Es ist eigentlich noch sehr schön im Lack, hat aber,
wie man sieht, ein paar sehr hässliche Macken.
Man wird sehen...
Ralf