Hallo zusammen,
auf der letzten Radiobörse in Datteln im September konnte ich für kleines Geld einen recht verwahrlosten Telefunken 076WK des Modelljahres 1940/41 erstehen. Für kleines Geld ? Es waren 40 €, nicht so wenig, in Anbetracht des 25cm-edyn-Lautsprechers von Tfk aber doch fast schon billig. Daß das Gerät vor mir noch keiner gesehen hatte, lag aber vielleicht nur teilweise an seinem Zustand, sondern auch an seinem Standort in einer dunklen Ecke und außerdem zuunterst eines fast mannshohen Radiostapels.
Diese Geräteklasse wurde mitten im Krieg in Deutschland nicht mehr regulär verkauft, nur noch exportiert, weshalb mich nicht wunderte, daß der Verkäufer Niederländer war. Dazu gleich noch etwas.
Das Gerät ist elektronisch nahezu baugleich mit dem Modell 975WK des Modelljahres zuvor, während jedoch dort das Chassis aufrecht steht (und dadurch nach Abnahme der Frontmaske einen bequemen Bauteiletausch ermöglicht), ist das Chassis hier wie gewohnt liegend eingebaut. Den großen Lautsprecher hat der Vorgänger allerdings auch nicht.
Nun zunächst mal zwei Bilder vom Fundzustand, erst einmal von hinten, noch auf der Straße vor dem Haus, vor dem ersten Abwischen, man bemerke den Aufkleber:

Dann schon auf dem Werkstattisch:

So schlimm war´s also gar nicht.
Die Annahme, das Gerät sei nach den Niederlanden exportiert wurde, wurde nicht nur durch die Nationalität des Verkäufers gestützt, sondern auch durch den Aufkleber auf der Rückwand:

Sogar im Zwischenraum zwischen Skala und Skalenhintergrund (!) fanden sich Wollmäuse:

Die Verwahrlosung setzte sich im Innenleben fort, igitt:

Gut erkennbar an diesem Detailbild ist das Holzchassis, das aus imprägnierten und verzapften Dachlatten zusammengebaut ist und immer noch in guter Facon ist. Von unten sind Messingbuchsen eingeschraubt, die die Chassisschrauben aufnehmen. Obendrauf ist eine Pertinaxplatte geschraubt, in passende Bohrungen sind Lötösen und anderes Zeug genietet.
Der Trafo steht auf einem Blechwinkel, er und der Lautsprecher sind die einzigen soliden Teile und ihre Gewichte lassen vergessen, daß wir es hier mit einem Kriegsfabrikat zu tun haben. Man merkt das auch gut an dem verwendeten Löt"zinn", wenn man eine Entsprechung suchen würde, würde man beim Vergleich von Bohnenkaffee und "Muckefuck" fündig. Wenn man an Bauteilen zupft, bröckelt es weg, so einige Lötstellen habe ich mit modernem Lötzinn nachgelötet.
Tückisch ist der Ausbau des Chassis: Skala und Zeiger samt Schlitten und Führungsschiene sind im Gehäuse befestigt. Das Seil muß vor dem Ausbau zunächst von unten durch eine extra angebrachte Öffnung im Gehäuse vom Zeigerschlitten gelöst werden. Wenn man das nicht weiß, gibt es Skalenseilsalat !
Das aufgelegte "Skalenseil" war von besonderer Qualität:

Es war wohl schon einmal erneuert worden, und zwar falsch, der Zeiger lief nämlich nicht den kompletten Weg ab, sondern blieb an beiden Seiten ein gutes Stück vor den Enden stehen. Das Zeigerseil gehört auf den rechts zu sehenden größeren Radius des Seilrades, das Antriebsseil auf den kleineren ! Das hatte der Bastelkönig nicht beachtet. Wie auch die Qualität des Seiles an sich, die kleine "Stützungsmaßnahme" spricht für sich.
Auch bei den Röhren war Erneuerungsbedarf: die AZ11 war durch eine AZ1 ersetzt worden, die durch einen Adaptersockel angepaßt worden war. Das funktionierte zwar, aber eine gute AZ11 in der alten Bauform hatte ich natürlich. Dito war die EL11 durch eine modernere Ausführung in "Besenstiel-"Form getauscht worden, hier durfte wieder eine Vorkriegs-Telefunkenröhre Platz nehmen. Schließlich erwies sich die ECH11 als müde, da hatte ich eine bessere. Das war die erste, die ich meiner Bastelpraxis jemals gewechselt habe, wer weiß, wie viele "auf das Reich anfliegende alliierte Terrorbomberverbände" das Gerät hat melden müssen. Ach nein, es war ja in Holland...
Wesentliche Fehler in der Elektronik waren zweierlei: die Nf-Vorstufe EF11 hatte keine G2-Spannung, ein C-Defekt hatte einen abgebrannten R zur Folge. Der übliche Fehler eben, nur hat mir noch nie einer erklären können, warum er an dieser Stelle so oft vorkommt ?!
Nach dessen Behebung spielte das Gerät schon auf KW, auf MW und LW leider nicht. Nach diesem zweiten Fehler habe ich, das muß ich zugeben, länger fahnden müssen, mit Vorkriegsradios habe ich nicht so die Übung. Schuld waren die in der Hf verbauten Silberscheibentrimmer, die ihre Kapazitäten verloren hatten. Ich habe kurzerhand neue drübergelötet, da die alten, wie gesagt, an die "Platine" angenietet waren.
Nach einer gründlichen Reinigung sah das Chassis also wieder gut auch und spielte auch wieder. Aber das Gehäuse ! Ein Bekannter, dem ich hin und wieder mal ein Chassis repariere (oder seine Lötfehler berichtige), erklärte sich bereit, das Gehäuse vom restlichen Lack zu befreien, ich habe dann selber eine Neulackierung (4 Aufträge Schellack) vorgenommen. Bilder folgen demnächst.
H.