achim1 hat geschrieben:
Hallo Jungs,
hab eben diese Truhe bei Ebay entdeckt.
Die hatten seinerzeit meine Eltern und als kleiner Junge bin ich stundenlang davor gelegen und hab Märchenplatten darauf gehört. Abends feierten meine Eltern am WE Hausparty. Da liefen dann Schlager wie "zwei kleine Italiener", oder "Ohne Krimi geht die Mimi nei ins Bett". Das konnte man bis in mein Kinderzimmer hören.
Die Truhe will ich haben. Ich hab so intensive Erinnerungen daran. Das werden zwar über 600km Faht, aber egal.
Weiss jemand was von Euch über diese Truhe? Gibt es vielleicht einen Schaltplan?
Seltsam - meine Eltern haben immer erzählt, wie wenig Geld sie damals hatten. Mein Vater war junger Assistenzarzt und bezog kein Gehalt, bzw. später eine halbe Stelle mit knapp 400DM/Monat.
Jetzt sehe ich, das diese Truhe damals fast 1100 DM gekostet hatte, also fast 3 Monatsgehälter. Wie haben die das damals nur gemacht?
Gruß,
Achim
Wie das funktioniert hat, kann ich Dir sagen. Der Alltag der Leute bestand damals aus Arbeiten und Schlafen, für Luxus wurde so gut wie kein Geld ausgegeben, der Normalbürger hatte kein motorisiertes Fahrzeug, und es wurde nichts weggeworfen. Rechne Dir mal spaßeshalber aus, wie viel geld Du alleine dafür ausgibst, dass Du Deine Bekleidung nicht mehr flickst, sondern wegwirftst und neu kaufst, wenn was kaputt ist. Die Leute haben früher noch ihre Socken gestopft, und Kinder haben wechselseitig die Sachen aufgetragen, bis sie nur noch Lumpen waren. Dieses zu Tode amüsieren, wie wir es heute normal finden, ist erst in den 1980-iger Jahren so richtig aufgekommen, wenn Du als Kind vor der Belcanto gelegen hast, wirst Du Dich selber noch erinnern können, wie bescheiden und dadurch auch preiswert das Leben damals war.
Und dann kam in den Fünfzigern die Teilzahlung auf. Die meisten Menschen machten zu dieser Zeit eine Kombination aus längerem Sparen und Abstottern der Restsumme. Vielleicht waren Deine Eltern ja Musikfreunde, die Belcanto ist der dickste Klopper, den Graetz damals gebaut hat, und lässt diesen Rückschluss zu. Ein Radioprogramm war damals noch dafür geeignet, die Bedürfnisse zumindest von konservativen Musikfreunden komplett zu befriedigen.
Woran man auch gut erkennen kann, wie sehr so eine Truhe auf das Radio fixiert und eine Einmalanschaffung für längere Zeit war, ist der Umstand, dass die eingebauten Phonogeräte nur selten an das Qualitätsniveau des Radios heranreichten. Ein Plattenspieler verursachte bei intensiver Nutzung hohe Folgekosten für Platten und Nadeln, beim Tonbandgerät waren es die sauteuren Bänder. Das Geld war meinstens nicht vorhanden, und so wuchs bei den meisten Truhenbesitzern die Weihnachtsplatte auf dem Teller fest.
Die Belcanto hatte übrigens immer eine Gegentaktendstufe eingebaut, und war damit über mehrere Jahre das einzige Graetz Modell mit so einem Verstärker.
Gruß Frank