Radiomann hat geschrieben:
Ungeachtet der Tatsache, dass diese Geräte ein interessantes Sammelgebiet darstellen, dürften sie den westlichen Produkten gleicher Zeit und Preislage unterlegen sein, wenn es sich z.B. um Braun, Grundig oder Telefunken-Modelle o.a. handelt.
Seht euch nur einmal die zeitgenössische Werbung an, ich finde den westlichen Vorsprung unstreitig.
Hallo Radiomann,
so sieht einfach das aus, was man ein klassisches Vorurteil nennen kann. Spannend wird es erst, wenn man sie betreibt und hört.
Was fällt mir denn an der zeitgenössischen Westwerbung auf, die ich als gelernter Westler von Kindesbeinen an kenne? Daß es darin viele bunte Bildchen von Geräten gibt, die sich wirklich nur marginal unterscheiden. Was die Menge schon einmal ausmacht. Und genau hingesehen, wird dabei durch das Hinzufügen von weiteren Ausstattungsdetails der Gerätegrundpreis häufig, wenn man in die Preislisten schaut, geradezu obszön aufgeblasen bis verdoppelt, obwohl kaum wirklich etwas passiert dabei.
Ein, wie für die damalige Zeit üblich und meistens, übrigends heute auch noch, weil viele Angaben schlicht getürkt sind, auch ausreichend, 15W oder 25W Verstärker bleibt derselbe, auch wenn er plötzlich ein Rumpelfilter bekommt. Kein Grund, ihm deshalb ein neues Bildchen, einen neuen Namen und je nach Hersteller 50 - 100 DM mehr zu verpassen.
Das genau gab es im Osten nicht. Weshalb z.B. der HSV 920 komplett ausgestattet ist mit all dem, und einer attraktiven Anzahl zusätzlich anschließbarer äußerer Quellen inkl. eines Reserve (AUX) - Eingangs. Und der von mir so sehr geschätzen -20db-Abschwächung, an die ich mich im Westen immer nur in Verbindung mit deutlich teureren Geräten erinnern kann.
In den West-Prospekten ist viel Wind gewesen, komplizierte und teure und auch überflüssige Spielerei noch dazu in den Geräten, die aber letztlich mit dem, was man von einem Radio- oder Hifi-Gerät zentral verlangen muß, einer möglichst natürlichen Wiedergabe, letztlich dann doch wenig zu tun hat. Häufig wirklich nur mit erziehlbarer Preiserwartung.
Und schaue ich heute, mit dem Abstand von 40 oder 50 Jahren darauf, dann macht sich dieser Spielerei-Heckmeck heute besonders lästig bemerkbar. In ihm wohnt eine absonderliche Vielzahl möglicher Fehlerquellen.
Der Ost-Drehschalter, sicher ein Merkmal auch der Mangelwirtschaft, die kompliziertere Spielchen nicht zugelassen hat, dreht und schaltet aber nach wie vor zuverlässig. Was auch für die Tastenschalter gilt. Alles einfach, aber zuverlässig. Und leitet Signale auch nach 40 und 50 Jahren dahin, wohin die Signale sollen: an die Boxen. Wo auch nach wie vor die Musik spielt. Die spielt nämlich nicht im Vierfarb-Prospekt.
Und die Geräte der DDR-Oberklassenliga spielen, wenn der Klang denn entscheidend ist, wirklich im Vergleich sehr gut mit. Die machen viel Freude. Und auch die DDR-Tuner sind sehr gut. Ich kenne aus den 80ern Westtuner, die nicht mal preiswert waren, die sich hinter meinen 72er Ziphona-Oldie oder hinter meine Helis in der Empfangsleistung weit hinten anstellen müssen. Vielleicht sahen sie "schicker" aus, die Westler. Aber mit dem Aussehen von Hifi-Geräten ist es häufig wie beim Menschen....
Und auch die Sache mit den Bauteilen mag ich nicht gerne hören. Schrott, der es auf die Jahre gesehen nicht bringt, gab's hüben wie drüben. Die hatten ihre Arbeiterfahnen, MKS aus russischer Produktion und ihre Schneemänner.
Und wie sieht's bei uns aus? Wenn z.B. bei mir mal wieder eine A77 strandet, die nur noch eine Geschwindigkeit hat, dann sind's zu fast 100% die weißen Siemense auf der Geschwindigkeitsregelung. Nur daß die hier keiner Schneemänner nennt. Aber "Schneemänner" gibt's in überreicher Anzahl in Westgeräten auch.
Nee, nee, da empfinde ich
ralfs "manierliche" Bemerkung schon eine ganz passende Ehrenrettung. Allerdings die Bemerkung mit ELV ..., da mußte ich doch mal kurz schlucken

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Ein wirklich unschönes Problem der DDR-Tuner und DDR-Radios sind die heute festhängenden Drehkos für Geräte ab Mitte der 70er Jahre. Betrifft aber meistens nur den AM-Zweig, weil der so wenig genutzt worden ist. Bekommt man aber mit Geduld problemfrei wieder gangbar. UKW, weil häufig und in erster Linie genutzt, ist davon eigentlich nicht betroffen. Und die Geräte, die mit Kapazitätsdiodentuner ihr UKW machen, sind davon auf UKW sowieso frei.
Als abschließende Bemerkung zu den DDR-Verstärkern, da solche Fragen in anderen Foren auch immer wieder vorkommen, sie haben keinen Entzerrer-Vorverstärker drin. Ein DDR-Verstärker hat in der Regel nur Hochpegeleingänge, da die Plattenspieler, die das benötigten, den Verstärker im Gepäck führten. Was aber auch nichts macht. Und die Sache auch nicht schlechter. Es bedeutet halt nur, will man einen im Westen üblichen Plattenspieler daran betreiben, muß ein Vorverstärker dazwischen.
Höre die Geräte einfach einmal vorurteilsfrei an. Die Kollegen "drüben" haben eine saubere Arbeit abgeliefert und viele gute Ideen gehabt.
Gruß Ralph