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Liebe Radiofreunde,
seit früher Kindheit faszinieren mich Radios. Als Neumitglied hier im Dampfradioforum möchte ich euch als ersten Forumsbeitrag die Geschichte des ersten Radios in meiner Familie erzählen:
Die Geschichte beginnt 1939 in einem kleinen Dorf, ca 40 km östlich von München. In dieser wirtschaftlich sehr schweren Zeit bewirtschaftete meine Großmutter als Witwe mit fünf Kindern mehr schlecht als recht einen kleinen Bauernhof. Mit den sich überschlagenden Ereignissen zum Kriegsbeginn musste auch auf diesem Hof ein Radio her. Ein kleiner Radiohändler aus einem Nachbardorf lieferte das Gerät, das er gerade da hatte: Ein EMUD Record 89WK. Zu seinen Leistungen gehörte auch noch der Aufbau einer Langdrahtantenne, der Erdung und des Erdungsschalters. Mein Vater der damals 11 Jahre alt war, erzählte bis ins hohe Alter hinein immer wieder von der damaligen technischen Revolution auf dem Hof. Wann hat man sonst Musik von dieser Qualität gehört? Sehr beliebt waren damals seiner Erzählung zufolge auch Hörspiele. Nicht zu vergessen: Die Nachrichten über das aktuelle Kriegsgeschehen, die vom gleichgeschalteten Rundfunk nicht unbedingt ein realistisches Bild der Lage abgaben. Obwohl der EMUD als Rückkopplungsaudion nur bescheidene Empfangsleistungen hatte, verfügte er über Kurzwelle. Gegen Ende des Kriegs hat mein Vater als mittlerweile 17-jähriger regelmäßig Radio London gehört. Meine Oma was höchst verunsichert. Sie befürchtete, dass die ganze Familie im KZ Dachau landen würde, falls sie beim Hören des Feindsenders erwischt werden.
Kurz darauf war der Krieg zu Ende und die Ereignisse überschlugen sich erneut. Und ausgerechnet dann ging das Radio kaputt. Da die Radiohändler in der Region aufgrund von Ersatzteilmangel keine Geräte reparieren konnten, schickte meine Großmutter meinen Vater mit dem Fahrrad nach München. Mit dem Radio und einem Stück geräucherten Schinken auf dem Gepäckträger fuhr mein Vater nach München, suchte in der zerbombten Stadt nach einer Reparaturwerkstatt und ließ das Radio reparieren. Das Radio war noch bis ca. 1965 als einziges Radio, angeblich noch mit der ersten Röhrenbestückung, in Betrieb. Erst dann ersetzte eine Philetta den EMUD, der immer noch funktionierte. In meiner Kindheit spielte ich oft mit dem Radio. Gerne drehte ich den Rückkopplungsregler zu weit auf, um ein Pfeifkonzert zu veranstalten. Irgendwann verstummte das Radio und es stand zuletzt zusammen mit anderen Radios aus meiner Sammlung im Regal.
Erst kürzlich habe ich das in sehr schlechtem Zustand befindliche Gerät restauriert. Letztlich waren nur die Kondensatoren zu tauschen. Bei der Inbetriebnahme stellte ich unüberhörbar fest, dass das Rückkopplungsaudion sehr rückkopplungsfreudig ist. Neben der durch den Rückkopplungsdrehko beeinflussbaren Rückkopplung gab es nach Erwärmung des Geräts eine extrem laute weitere Rückkopplung. Durch Klopfen auf die ECL11 war der Übeltäter schnell ausfindig gemacht. Sie neigte stark zur Mikrophonie, wodurch es zur NF-Rückkopplung kam. Die Rütteltour auf dem Fahrradgepäckträger hinterließ wohl seine Spuren. Nach dem Tausch der Röhre funktioniert der alte Familienschatz wieder wie am ersten Tag.
Es ist heute kaum mehr vorstellbar, wie wichtig damals ein Radio war. Dies führe ich mir auch bei meinen anderen Geräten aus meiner Sammlung vor Augen. Nur schade, dass ich dazu die Geschichten nicht kenne.
Mit "kollegialen" Grüßen
Robert