Dampfradioforum

Hallo zusammen,

heute möchte ich euch über meinen neuen Zuwachs berichten - eine kleine Sabine.

Zugelaufen ist sie mir in der Wildnis der Bucht, für einen Zwanziger wechselte sie den Besitzer. Auf solch ein Gerät hab ich schon seit Jahren gewartet. Die Kleine sah ganz schön heruntergekommen aus, so als hätte sie Jahrzehnte im Stall verbracht. Alles verklebt und total verdreckt, mir blieben wirklich die Finger an den Reglern und den Drucktasten kleben, wie Harz klebte das. Bäh.
Ich dachte zuerst, nee da kommt bestimmt kein Ton mehr heraus, ich nehm sie mit und stell sie mir vielleicht als Deko zuhause hin. Der Verkäufer steckte den Stecker ans Netz und schaltete das Radio ein... Ohh!
Falsch gedacht - SABA Qualität eben!
1 Minute getestet. Solch einen kräftigen Sound hab ich bei keinem meiner Röhrenradios! Was da aus dem Lautsprecher kam, hat mich echt beeindruckt! Ja, ich weiß, man soll das nicht tun wegen der Gefahr, da man nie sicher sein kann, wo das Gerät vorher stand bzw. wie lange es schon außer Betrieb war, gerade bei einem Allstromer, aber die Sabine - hat mich richtig neugierig gemacht.
Hier ein paar Bilder in welchem Zustand ich sie empfangen hab:

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Eine gute Rundfunkanlage gehört in jedes Heim!

Aktuelle Radios:
Wega Carina II 1085, Württemb. Radio-Ges. mbH Stuttgart, 1955/1956
Minorette A201 (braun), VEB Radio Funkwerk Dresden, 1958/1959
SABA Meersburg W, Schwer & Söhne GmbH, Villingen, 1950

Zuerst einmal hab ich die Rückwand entfernt und das Frontgitter vorsichtig abgeschraubt. Das Innere war voller Staub, normales Absaugen hat da nicht mehr geholfen, ich musste mit einen Pinsel nachhelfen. Irgendeine Mischung aus Fett, Staub und Katzenhaaren, die Haare waren überall, zwischen den Tasten, den Potis, auf dem Chassis, die hab ich knäuelweise aus dem Gerät gezogen. Unten im Gehäuse klebten sie schon fest, der ganze Boden war dort pelzig, man kann auch sagen, ich hab die "Katze im Sack" gekauft.
Dann hab ich das Chassis mitsamt dem Lautsprecher aus dem Gehäuse geschraubt und das Gehäuse und die Drehregler bei niedriger Temperatur in die Spülmaschine gesteckt. Nach 45 Minuten sah das Gehäuse wieder richtig gut aus. Zum Glück ist der Lack nicht weich geworden, das war meine größte Befürchtung. Aber meine Frau meinte, ich könne das Gehäuse ruhig spülen, da wird nichts passieren.
Das plexiglasähnliche Frontgitter bekam eine Spezialbehandlung (natürlich mit Erlaubnis):
Spüle mit Warmwasser aufgefüllt, dann das Frontgitter kopfüber bis zum Anfang der Skalenbeschriftung ins Wasser gehängt, NICHT komplett unter Wasser wegen der Beschriftung. Alles mit Packband am Wasserhahn fixiert und einen Spülmaschinentab ins Wasser getan. Nach ca. zwei Stunden wieder alles demontiert. Durch den Wasserdampf hat sich das Fett auch von der Skala gelöst.
Zum Schluss hab ich die Außenseite der Skala und das Gitter mit Auto Reinigungspolitur und danach mit Hartwachs-Lackschutz aufpoliert. Ein Wahnsinns Ergebnis, Kratzer sind verschwunden und die vorher "blinde" oder "milchige" Skala ist wieder klar geworden und sieht aus wie neu.

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Wega Carina II 1085, Württemb. Radio-Ges. mbH Stuttgart, 1955/1956
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SABA Meersburg W, Schwer & Söhne GmbH, Villingen, 1950

Als nächstes kam das lackierte Bakelit an die Reihe. Mit der Autopolitur und der Lackpflege konnte ich den originalen 50er Jahre Lack wieder ordentlich zum Glänzen bringen. Ich war selber erstaunt, dass die Lackierung noch so gut erhalten ist. Da bleibt mir ein Neulackieren erspart. Apropos Lack: Im Baumarkt konnte ich sogar den Farbton ausfindig machen. Ich hab das Gehäuse einfach zum Baumarkt mitgenommen und fand schließlich passend eine Dose All Season Kunstharzlack für den Außenbereich, RAL 1014 Hochglanzlack elfenbein, der kommt dem Originallack sehr nahe.
Da hat die Kassiererin nicht schlecht gestaunt, als ich an der Kasse stand. "Ach, ein altes Radio, so eins hatten wir früher auch zuhause in der Küche, als ich ein Kind war" sagte sie freudenstrahlend.
Mit dem Lack werden später noch kleine Abplatzer kaschiert und ausgebessert.
Hier das vorgereinigte Gehäuse:

Grüße, Julian

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SABA Meersburg W, Schwer & Söhne GmbH, Villingen, 1950

Schon krass sowas anzubieten. Aber gut, der Preis passte ja. Und das Glück ist mit den Tüchtigen Schönes Ergebnis bei der Reinigung!
Ral 1015 ist ein dankbarer Lack, passt auch gut für Reparaturen an hellen Telefonen aus Melaminharz.

Das Chassis ist schon eine kleine Herausforderung. Da ich es nicht komplett zerlegen und spülen mag, muss ich wohl mit Tuch und Wattestäbchen ran. Erste Erfolge werden sichtbar. Der Lautsprecher ist wieder schön sauber geworden. Gut erhalten ist auch das helle Netzkabel mit Stecker. Hier fand ich keinerlei Beschädigungen.
Die "Zähne" wurden auch schon geputzt, da muss aber noch etwas nachgearbeitet werden. Unter dem Chassis fand sich schließlich das Herstellungsdatum mit Fingerabdruck, ein 1958er. Morgen geht die Reinigung weiter, bei diesem Radio macht die Restauration richtig Spaß, hab schon eine halbe Nachtschicht hinter mir.

@countryman: Vielen Dank. Meinst du das W48er? Das ist doch Bakelit, oder? Hab u.a. auch das elfenbeinfarbene, auf die Idee mit dem Lack für das Telefon bin ich noch gar nicht gekommen. Mega.
Viele Grüße,
Julian

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Bakelit ist immer dunkel durch das verwendete Phenolharz. Für die bald gewünschten helleren Gehäuse wurde Melaminharz verwendet. Es war nicht nur teurer sondern neigt auch zur Rissbildung. Daher besteht oft Bedarf an Ausbesserungen. Hier ein österreichischer Apparat von Kapsch und Söhne, die Fehlstelle wurde mit Milliput Epoxymasse ergänzt und lackiert. Nicht unsichtbar aber brauchbar.
Umgangssprachlich wird aber auch die helle Variante oft Bakelit genannt. Für Radiogehäuse war Melamin wohl nicht geeignet daher wurde Bakelit hell lackiert.

Hallo Julian,

schau' Dir mal das Netzkabel der Sabine an!

Die (und auch manche andere SABA-Modelle) haben normalerweise ein dreiadriges Netzkabel, wobei die mittlere, dünnere Ader die 'Wurfantenne' für UKW darstellt und kurz vor dem Stecker endet.
Also auch mal den Netzstecker öffnen und nachsehen, nicht dass da mal ein übereifriger Bastler die dritte Ader mit dem Schutzleiteranschluss verbunden hat.


Viele Grüße

Martin

@Hobbybastler:
Hallo Martin, vielen Dank für die Info. Bei meiner Sabine lässt sich der Netzstecker nicht öffnen, da gibt es keine Schraube oder Clip, er lässt sich auch nicht drehen oder durch Ziehen öffnen, scheint vermutlich ein Original von Saba zu sein. Was meinen die anderen im Forum dazu?
Es schaut aus, als wäre dieses Kabel nur zweiadrig, man erkennt deutlich die Lötstellen vom Werk an der Verdrahtung unter der transparenten Isolierung, wo das Netzkabel mit Klammern am Chassis befestigt ist, scheinbar hat an diesem Gerät noch niemand herumgebastelt.

@countryman:
Dass die Gehäuse der hellen W48er aus Melaminharz sind, wusste ich auch noch nicht. Vielleicht wurde ja bei Radiogehäusen wegen der Wärmeentwicklung und auch wegen den Kosten Bakelit statt Melaminharz bevorzugt. Ein Telefon wird ja nicht so schnell heiß (im Normalfall). Das erklärt nun auch, weshalb viele Radiogehäuse aus Bakelit lackiert wurden.
Übrigens tolle Reparatur, die Flickstelle fällt fast gar nicht mehr auf.
Hast du das Telefon vor dem Lackieren noch grundiert bzw. die Oberfläche aufgeraut oder direkt lackiert?

Viele Grüße,
Julian

Hier sind ein paar Bilder vom Netzstecker meiner Sabine:

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SABA Meersburg W, Schwer & Söhne GmbH, Villingen, 1950

Bei dem Telefon wurde nur die Flickstelle lackiert. Auf der geschliffenen Epoxy-Masse hält das gut.
Ich vermute dass Telefone aus durchgefärbtem Material hergestellt wurden, weil durch das Anfassen, Auflegen des Hörers usw. eine Lackierung unweigerlich durchgewetzt oder abgestoßen würde.

Und, wie gehts der Sabine denn jetzt?

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Viele Grüße,
Günter