man stelle sich vor, ein solcher Lorenz gelangt in den 50er Jahren in die Hände eines bastelwütigen Franzosen. Dieser liest regelmässig die Zeitschrift "Le Haut Parleur", quasi die französische Funkschau, mit vielen Selbstbauanleitungen. Der Lorenz spielt nicht, er hat ein Problem mit den Bandfiltern. Für dieses Modell durchaus realistisch. Aber das Gehäuse mit seiner soliden Verarbeitung und seiner wuchtigen Mechanik hat es ihm angetan. Unser Bastelfranzose geht also hin und räumt das Chassis bis auf den Drehkondensator und den Lautsprecher ab. Er nimmt sich aktuelle Bauteile (Rimlockröhren, Papierkondensatoren, Kappenwiderstände, Bandfilter, HF-bloc etc.) und baut auf das Chassis ein komplettes Radio in französischer Technik auf. Einen alten Netztrafo hat er noch im Bastelvorrat.
Denkbar wäre auch eine andere Variante: Wir sind in den 60ern. UKW ist endlich in Frankreich eingekehrt. Unser Bastler schlachtet ein überflüssig gewordenes Standard Rimlock AM-Radio aus und überträgt sorgfältig die Bauteile und die komplette Verdrahtung auf das abgeräumte Chassis des Lorenz.
Aber auch dieses Radio hat irgendwann ausgedient und landet auf dem Dachboden. Dort verrottet es jetzt erst mal ein paar Jahrzehnte, um bei einer Entrümpelung auf dem Flohmark zu landen.
Das Lorenz geht durch verschiedene Sammlerhände. Die einen wollen es wieder rückbauen, haben aber die Teile nicht, für andere ist es wertlos weil nicht original. Es wird also nur rumgeschoben und gelangt schliesslich zu mir.
Soweit die Fantasie. Kommen wir nun zur Realität.
zum Vergleich: die Innenansicht eines Original-Gerätes. Das hatte ich auch mal im Bestand.
zurück zu dem Franzosen-Lorenz:
großflächig zersägte Bodenplatte:
Büroklammersicherung:
Ich beschliesse das Fragment wenigstens mal in Betrieb zu nehmen. Das war schnell erledigt. Die Elkos formiert, über die Vorschaltlampe eingeschaltet. Prinzipieller Empfang ist gegeben. Mein Basteltrieb ist geweckt. Ich erneuere die Papierkondensatoren, prüfe die Röhren und die Werte der Widerstände, sowie die Empfangsbereiche. Das Radio spielt schon ganz gut. Wäre da nicht so ein grässliches Brummen. Ich lege erst mal die Leitungen zum Lautstärkepoti um, diese verlaufen direkt unter dem Netztrafo. Das Brummern reduziert sich, ist aber immer noch nervig. Diverse Versuche mit einem anderen Trafo bringen kein besseres Ergebnis.
Eine Masseschleife? Die Heizungen der Röhren liegen jeweils mit einem Pol an Masse. Ein bekannter Konstruktionsmangel. Ich trenne die Massen ab, verbinde die pins mit Schaltdraht und gehe nur noch an einem Punkt auf Masse. Das Brummen ist nun erträglich.
Nun gibt es noch mechnische Arbeit. Der HF bloc ist ungünstig montiert, das Chassis lässt sich fast nicht ein- ausbauen. Nur indem man vorher durch die Öffnung der Bodenplatte den HF bloc löst und diesen nach innen drückt. Aus einem stabilen U-Profil baue ich eine Halterung und setze den Bloc weiter nach innen.
Es gibt aber immer noch ein Problem. Der Empfang könnte besser sein, und zeitweise setzt er komplett aus. Die Ursache ist der Drehkondensator, das einzige Bauteil, das noch original vom Lorenz in Betrieb ist. Ich setze testweise einen alternativen Drehko von hinten zugänglich auf das Chassis. Dieser hat Parallelkapazitäten und ich kann den Vorkreis nachziehen. Der Empfang ist jetzt top und vor allem stabil.
Jetzt stelle ich den Lorenz vorerst zur Seite. Um den Drehko zu untersuchen brauch ich erst mal die nötige Ruhe und das entsprechende Arbeitsumfeld. Mehrere andere Baustellen haben sich angesammelt und es wird unübersichtlich. Das passiert wenn man sich zu lange an einem Radio aufhält. Der Drehko ist in die Front integriert, wird von einem Reibrad betätigt und zieht über ein Stahlband den Skalenzeiger. Inzwischen habe ich auch herausgefunden das die Skalenlämpchen des Lichtzeigers in Abhängigkeit vom Wellenbereich die Farbe wechseln. Ich werde mir also noch Tauchlack besorgen.
Parallel zu diesen Arbeiten habe ich das Gehäuse überarbeitet. Abgebeizt und geschliffen, neue Lackschicht aufgebaut.
Die letzte Runde. Der Drehkondensator ist repariert. Ein metallener Fremdkörper hatte sich zwischen Stator und Drehkogehäuse verklemmt und dort einen Kurzschluß verursacht. Ich habe ausgetüftelt welche Trimmer am HF Bloc für welchen Wellenbereich zuständig sind und welche zum Oszillator und zum Vorkreis gehören. Nun kann ich richtig abgleichen. Der Bloc ist leider nur für Mittel- und Langwelle ausgelegt. Die Poti/Netzschalterkombination funktioniert wieder nach Zerlegen und einem Bad in WD40. Wegen den bunten Lichtzeigern mache ich Versuche mit bunten Leuchtdioden. Aber der Streuwinkel ist zu gering und die Zeiger kaum sichtbar. Für Langewelle ist es okay, aber für Mittelwelle benutze ich doch wieder ein normales Skalenlämpchen.
Mittelwelle, Kurzwelle, Langwelle mit klaren Skalenbirnchen:
Langwelle mit grünen LED:
Einblick in den Lichtkasten. Der schräge Schlitz bei Mittelwelle in Verbindung mit den senkrechten Skalenausschnitten ergibt einen von oben nach unten wandernden Leuchtpunkt:
Den Stoff hatte ich gewaschen und er ist wieder sehr schön geworden. Beim Einkleben habe ich festgestellt das er nicht original war, ich hatte Faserspuren eines vorherigen Stoffes gefunden. Mit einem neuen Netzkabel lege ich das Chassispotential auf Erde.
Damit sind auch die Kleinigkeiten erledigt und ich betrachte die Arbeiten als erledigt. Ich bin mir im Klaren das die gute Funktion nicht unbedingt eine Wertsteigerung bedeutet. Es ist und bleibt ein Bastelgerät und mancher Originalitätsfanatiker wird beleidigt die Nase rümpfen.
Totzdem ist es ein alltagstauglicher guter Empfänger mit schöner Lorenz-Optik und äusserlich kaum vom Original zu unterscheiden.
der HF bloc:
Wellenbereichsumschalter, Eingangs- und Oszillatorkreise bilden eine Einheit. Die meist kleineren französischen Hersteller bezogen den bloc als Fertigteil mit Beschaltungssanleitung, das erleichterte den Radiobau enorm.
