Hallo!
Ich habe euch ja noch den zweiten Teil der 60er-Restaurationen versprochen.
Ja der Nordmende Turandot 6/615. Mein Oberon 55 sollte nach ca. 4 Monaten Wohnzimmerbetrieb eine kleine Pause bekommen. In meinem Fundus befand sich das o.g. Gerät. Ich hatte es mal bei Ebay für 25,- Euro ersteigert. Das klingt recht viel für ein Mitte 60er Jahre Gerät aber insbesondere das Gehäuse befand sich in einem 1a Zustand, man könnte es fast als neuwertig bezeichnen. Außerdem finde ich, dass die späten 60er irgendwie was haben. Der moderne und sachliche Stil spricht mich an.
Da ist ja nicht viel dran zu machen war mein Gedanken, das Gehäuse ist in einem super Zustand und auch das Chassis braucht nur eine Reinigung und ein paar neue Kondensatoren. Ob man die Kondensatoren unbedingt hätte tauschen müssen ist auch so ein bisschen einen Glaubensfrage. Es waren Wima Durolit. Zumindest einer davon war außerhalb der Toleranz. Den Netzelkos tausche ich grundsätzlich, auch den Ratio- und Kathodenelko. Auch hier würde ich das Ganze wieder als Glaubensfrage betrachten, seit ein paar Tagen bin ich jedoch hier auch etwas vorsichtiger, in einem Siemens Klangmeister IV RB30 von 1963/64 habe ich einen 4 uF Ratioelko ausgebaut. Bei anschließenden Messung zeigte er über 14 uF.
Also ran ans Werk. Das Gerät war schnell zerlegt und nun ging es erstmal ans Testen. Dabei stellte ich fest, dass der Empfang auf UKW sehr ordentlich war, auf den AM-Bändern jedoch nicht zu hören war. Ich suchte, überlegte, probierte … und fand den Fehler nicht. Bis mir auf einmal auffiel, dass die EM84 in den AM-Bändern ausschlägt, es musste also was da sein. Da fiel mein Blick auf die EBF89. Normalerweise ist diese ja selten defekt, aber man kann ja mal testen. Und siehe da, andere Röhre und der AM-Empfang war da. Beim testen der Röhre stellte sich heraus, dass beide Dioden tot waren.
Dann kam das Kapitel mit dem verzerrten Klang im Bassbereich. Ich habe wirklich alles getestet und hatte schon fast den Hammer in der Hand. Zum Glück fand das Ganze ein gutes Ende, auch mit Hilfe des DRF:
viewtopic.php?f=2&t=10483Als dann alles soweit o.k. war, ging es ans Saubermachen, Gehäuse polieren und die sonstigen Kleinarbeiten. Eigentlich wollte ich anstatt der ECC85 eine russische 6N1P verwenden, jedoch musste ich feststellen, dass die Russin doch nicht so ganz kompatibel ist. Den Tuner nachstimmen wollte ich nicht, also habe ich letztendlich eine gute ECC85 verwendet.

Die umgebaute Endstufe:
Der Ausgangsübertrager, platziert am Lautsprecher:
Zu guter Letzt war dann alles soweit einbaufertig. Das Gerät steht mittlerweile im Wohnzimmer und verrichtet dort zuverlässig seinen Dienst. Wieder mal ein kleines Lehrbeispiel, ich sage nur: Da muss man nicht viel machen und ist schnell fertig. Alleine die Fehlersuche und der Umbau in der Endstufe hat mich geschätzte 10 Stunden Arbeit gekostet.

Wenn ich die beiden Geräte vergleiche, würde ich sagen, dass das Turandot besser und hochwertiger verarbeitet ist, auch das Gehäuse macht einen qualitativ besseren Eindruck. Was beim Klangmeister sehr nervig ist, ist die unbeschriftete Platine – such den Kondensator… Nordmende hat hier dem Bastler einiges an Arbeit abgenommen. Was beim Turandot auch gut gelöst ist, ist die Positionierung der ECL86. Sie sitzt in entsprechender Entfernung zu den anderen Bauteilen und kann dort gut die entstehende Wärme abgeben. Beim Siemens ist da ja ein richtiger „Hotspot“, direkt neben dem Trafo.
Das einzig Negative beim Turandot ist der Ausgangsübertrager, dazu s.o.
Jedoch merkt man bei beiden Geräten, dass die Qualität der 50er Jahre teilweise nicht mehr vorhanden ist. An einigen Stellen einfache, billige Lösungen, mit Sicherheit erste Rationalisierungmaßnahmen.
Klanglich sind beide Geräte wirklich gut. Dem kleinen Gehäuse des Klangmeisters würde man einen solchen Klang nicht zutrauen. Das Turandot ist auch o.k., allerdings hätte hier ein etwas größerer Lautsprecher (wie beim Carmen und Skandia 6/615) noch etwas mehr Volumen gebracht. Im Vergleich zum Oberon 55 fehlt auch etwas Leistung. Die ECL86 hat halt weniger Dampf als die EL84. Wobei man doch den Unterschied zwischen einem Holz- und einem Bakalitgehäuse deutlich merkt.
So jetzt habe ich noch ein Siemens Klangmeister IV RB30 für einen Bekannten fertig zu machen. Im Spätjahr folgt dann – wenn nichts dazwischen kommt – ein Blaupunkt Florenz 21350 Stereo. Dann werden die 60iger wieder verlassen … oder auch nicht, man weiß ja nie was noch kommt.
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Viele Grüße aus der Pfalz!
Nicht nur alte Radios klingen schön, sondern auch alte Flugzeuge
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