Hallo, Dampfradiofreunde,
Heute mache ich's mal wie Franz (Saarfranzose), ein exotisches Gerät etwas ausführlicher vorstellen.
Dieses Radio sollte ich für jemand besorgen- der wurde schwerkrank- und hat andere Sorgen- so behalte ich es.
Und dieses Gerät verrät sogar etwas von seiner Geschichte.
Da ist irgendwie ein skandinavisches Kistli auf dem Globus etwas "runtergerutscht"... hat's von Norwegen nach Tyskland (das sind wir) geschafft.
"Verdensmottageren 1937" von Radionette Norsk Radiofabrik Oslo.
Der Name stand nirgends drauf, an der Netzstrippe war mit einer Drahtraupe ein Verkaufszettel mit Steuernachweis angebracht, aber da stand "Typ V-M".
Bei Radiomuseum stand immerhin bei Radionette- Modellen der Name "Verdensmottageren", könnte passen, und siehe da- ein Bild des Gerätes bei Bj.
1937- allerdings eins aus einem Katalog- also ein seltenes Gerät, das vielleicht noch keiner hat.
"Verdensmottageren"... merkwürdiger Name. Aber es gibt ja Wörterbuch- Seiten.
"Mottager" ist einfach- Empfänger.
"Verdens"... ja, klingt nach "Pferde-", und das ist -kontextbezogen- sogar möglich, aber Radiomucke für Gäule... nee- eher nicht.
Aber "Verdens..." bedeutet auch "Welt-", und das paßt: "Weltempfänger".
Es gibt im Norwegischen auch "Verdenssuper"... also "Weltsuper", und so hießen ja einige Schaub- Geräte.
Die Steuermarken auf dem Verkaufszettel (Afgift = Abgabe, Steuer) sind zusammen für einen Verkaufspreis von 350 .- Kronen ausgestellt.
Rückwand war keine mehr dran.
Im Gerät befand sich noch ein Zettel- aber das war nicht, wie erhofft, ein Schaltplan, sondern... eine Seite aus einer norwegischen Programmzeitschrift, die viele Programmzusammenstellungen bekannter Mittelwellensender enthält.
In dem Zettel befanden sich... die 7 Rückwandschrauben !
Ich schätze die Programmzeitschrift anhand der Sendernamen und Interpreten/ Musikstücke auf Anfang der 50er Jahre.
Die Rückwand wurde also schon vor 60 Jahren abgebaut !
Warum wohl... Kühlung ?
Wäre möglich- das Kistli ist klein und schwer. Wärmestau wäre bei 7 Lampen schon möglich.
EIne Besonderheit ist die Röhrenzusammenstellung. Vor allem eine "Darlington- Endröhre", funktioniert analog der Transistor- Darlington- Stufe.
AH1- Mixer
76- Oszillator- Triode
AF3- Geregelte ZF
75- Demodulator- Duodiode, NF- Triode
6G5- Mag. Auge
6B5- Darlington- Endstufe
80- Zweiweg- Netzgleichrichter
Die Skale ist 3- farbig, jeder Wellenbereich hat "seine" Farbe, und "seine" Skalenlampen (je 2). 1 Birnchen ist kaputt, natürlich auf MW.
Die Abstimm- Skalentriebsachse hat einen Grob- und Feintrieb, ähnlich Philips.
Allerdings Drehrichtung verkehrt zur Skalenzeigerrichtung.
V-M hat eine mit der Tonblende gekoppelte Bandspreizung.
Schön gemacht: Die Erklärung der Knöpfe und Wellenbereiche, sogar nach Empfangs- Tageszeiten (!!!) auf der Skalenscheibe.
Richtig was für Hobby- Senderjäger.Und der Programm- Zettel weist darauf hin, daß V-M auch vom Besitzer einst so genutzt wurde.
Der Lautsprecher hat eine eigene, abgeteilte "Box" im Gehäuse. Bei den mikrofonieempfindlichen, großen Endröhren sicher sinnvoll.
Das Gehäuse hat eine dicke Lackschicht, sieht auf den ersten Blick top aus, aber an einer Stelle oben kommt die berüchtigte Holzfäule unter dem Lack durch- und an der rechten vertikalen Rundung- ist das Furmier von oben bis unten gebrochen !
Außerdem haben Holzwürmer 3 präzise Löcher gebohrt, richtig "kalibrierte Bohrungen": 2 x 1,1 mm und 1 x 1,45 mm.
Wie das Chassis ausgebaut wird, ist mir noch nicht klar- keine Schrauben !
Immerhin konnte ich das Chassis ein Stück anlupfen, und einen Blick drunter werfen. Alles sauber, nix gepfriemelt- schein völlig original zu sein.
Eine Vorstufe ist -der Bestückung nach- nicht drin, aber der Drehko sieht 3- fach aus, könnte ein recht leistungsfähiges Gerät sein, knapp an der Großsuper- Grenze.
3 Röhren haben eine Hersteller- Banderole mit der Geräte- Nummer. Eine ist in einem Blech- Filtergehäuse eingesperrt, Banderole nicht zu sehen.
Auf den ersten Blick erkennbar- eine Röhre hat mal kräftig "Luft geholt".
Ist die Zweiweg- Netzgleichrichterröhre "80", entspricht der RGN2005, aber 4- poliger Sockel, nicht Europa.
Ganz mies: die Kunststoff- Isolierung der Drähte, die aus den Filtern zu den Domkontakten der Röhren führen, ist am Zerfallen, der Kunststoff ist versprödet. Aber schein noch zu gehen, die Drähte gehen zusätzlich durch einen Gummistopfen.
So, also schnell 2 Si- Dioden als Ersatz provisorisch in die Fassung gesteckt, und Kistli per Stelltrafo vorsichtig hochgefahren.
Funktioniert !!!
Verbrummter, nicht 100%ig klarer Ton, aber auf LW und MW Sender da.
KW bei Durchschalten des Wellen- Drehschalters ab und zu was da, also Wellenschalter oxydiert, klar.
Die 6G5 ist runtergenuddelt, das grüne Leuchten ist gerade noch erkennbar.
Ein 3/4 Jahrhundert alt, und spielt sofort nach Ersatz der einzigen defekten Lampe mit allem Original- Zeugs drin- tolles Kistli ! Ich würde sagen, ein nettes Restaurations- Objekt.
Edi

Angekommen

Front

Typenschild mit Seriennnummer

Radionette- Logo

Angehängter Verkaufszettel

Steuermarken (Avgift = Abgabe, Steuer)

Innenansicht

Der Lautsprecher hat "seine" Box

Lautspr- Typenschild, zu lesen: Jensen Radio MFG (Manufacturing) Co. (Company), Chicago

Programmvorschau,
hier zum reinschauen als PDF

Programmvorschau, andere Seite,
hier zum reinschauen als PDF

Die Röhren haben Herstellerbanderolen mit der Gerätenummer

die "80" hat "Luft geholt"

Skale

Die Öffnung für das Mag. Auge hat eine Skalierung
Stasjonsmåler - Stations (stärken)- Anzeige

Mørk- Dunkel, Lys- Hell
Bei Dunkel: Selektiv (Bandbreitenregelung auf schmal gesetzt)

Stasjonssøker- leicht zu übersetzen: Stationssucher- meint den Abstimmknopf
Bølge <-> område- Welle(n)- Bereich
Eft.(er). Mottagning Solnetg(ang)- Empfang nach Sonnenuntergang
-Meint natürlich die hochfrequente Seite der Mittelwelle.
Mottagning hele dognet- Empfang den ganzen Tag über
Ist klar- Kurz- und Langwelle sind nicht so extrem tageszeitabhängig

"Furnierbrand"

Schaden an der Rundung

Schaden an der Rundung