Dampfradioforum

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BeitragVerfasst: So Apr 03, 2011 9:35 
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Hallo, Dampfradiofreunde,

Heute mache ich's mal wie Franz (Saarfranzose), ein exotisches Gerät etwas ausführlicher vorstellen.
Dieses Radio sollte ich für jemand besorgen- der wurde schwerkrank- und hat andere Sorgen- so behalte ich es.

Und dieses Gerät verrät sogar etwas von seiner Geschichte.

Da ist irgendwie ein skandinavisches Kistli auf dem Globus etwas "runtergerutscht"... hat's von Norwegen nach Tyskland (das sind wir) geschafft.
"Verdensmottageren 1937" von Radionette Norsk Radiofabrik Oslo.

Der Name stand nirgends drauf, an der Netzstrippe war mit einer Drahtraupe ein Verkaufszettel mit Steuernachweis angebracht, aber da stand "Typ V-M".
Bei Radiomuseum stand immerhin bei Radionette- Modellen der Name "Verdensmottageren", könnte passen, und siehe da- ein Bild des Gerätes bei Bj. 1937- allerdings eins aus einem Katalog- also ein seltenes Gerät, das vielleicht noch keiner hat.

"Verdensmottageren"... merkwürdiger Name. Aber es gibt ja Wörterbuch- Seiten.
"Mottager" ist einfach- Empfänger.
"Verdens"... ja, klingt nach "Pferde-", und das ist -kontextbezogen- sogar möglich, aber Radiomucke für Gäule... nee- eher nicht.
Aber "Verdens..." bedeutet auch "Welt-", und das paßt: "Weltempfänger".
Es gibt im Norwegischen auch "Verdenssuper"... also "Weltsuper", und so hießen ja einige Schaub- Geräte.

Die Steuermarken auf dem Verkaufszettel (Afgift = Abgabe, Steuer) sind zusammen für einen Verkaufspreis von 350 .- Kronen ausgestellt.

Rückwand war keine mehr dran.

Im Gerät befand sich noch ein Zettel- aber das war nicht, wie erhofft, ein Schaltplan, sondern... eine Seite aus einer norwegischen Programmzeitschrift, die viele Programmzusammenstellungen bekannter Mittelwellensender enthält.
In dem Zettel befanden sich... die 7 Rückwandschrauben !

Ich schätze die Programmzeitschrift anhand der Sendernamen und Interpreten/ Musikstücke auf Anfang der 50er Jahre.
Die Rückwand wurde also schon vor 60 Jahren abgebaut !
Warum wohl... Kühlung ?
Wäre möglich- das Kistli ist klein und schwer. Wärmestau wäre bei 7 Lampen schon möglich.

EIne Besonderheit ist die Röhrenzusammenstellung. Vor allem eine "Darlington- Endröhre", funktioniert analog der Transistor- Darlington- Stufe.
AH1- Mixer
76- Oszillator- Triode
AF3- Geregelte ZF
75- Demodulator- Duodiode, NF- Triode
6G5- Mag. Auge
6B5- Darlington- Endstufe
80- Zweiweg- Netzgleichrichter

Die Skale ist 3- farbig, jeder Wellenbereich hat "seine" Farbe, und "seine" Skalenlampen (je 2). 1 Birnchen ist kaputt, natürlich auf MW.
Die Abstimm- Skalentriebsachse hat einen Grob- und Feintrieb, ähnlich Philips.
Allerdings Drehrichtung verkehrt zur Skalenzeigerrichtung.
V-M hat eine mit der Tonblende gekoppelte Bandspreizung.
Schön gemacht: Die Erklärung der Knöpfe und Wellenbereiche, sogar nach Empfangs- Tageszeiten (!!!) auf der Skalenscheibe.
Richtig was für Hobby- Senderjäger.

Und der Programm- Zettel weist darauf hin, daß V-M auch vom Besitzer einst so genutzt wurde.

Der Lautsprecher hat eine eigene, abgeteilte "Box" im Gehäuse. Bei den mikrofonieempfindlichen, großen Endröhren sicher sinnvoll.

Das Gehäuse hat eine dicke Lackschicht, sieht auf den ersten Blick top aus, aber an einer Stelle oben kommt die berüchtigte Holzfäule unter dem Lack durch- und an der rechten vertikalen Rundung- ist das Furmier von oben bis unten gebrochen !
Außerdem haben Holzwürmer 3 präzise Löcher gebohrt, richtig "kalibrierte Bohrungen": 2 x 1,1 mm und 1 x 1,45 mm.

Wie das Chassis ausgebaut wird, ist mir noch nicht klar- keine Schrauben !
Immerhin konnte ich das Chassis ein Stück anlupfen, und einen Blick drunter werfen. Alles sauber, nix gepfriemelt- schein völlig original zu sein.

Eine Vorstufe ist -der Bestückung nach- nicht drin, aber der Drehko sieht 3- fach aus, könnte ein recht leistungsfähiges Gerät sein, knapp an der Großsuper- Grenze.

3 Röhren haben eine Hersteller- Banderole mit der Geräte- Nummer. Eine ist in einem Blech- Filtergehäuse eingesperrt, Banderole nicht zu sehen.

Auf den ersten Blick erkennbar- eine Röhre hat mal kräftig "Luft geholt".
Ist die Zweiweg- Netzgleichrichterröhre "80", entspricht der RGN2005, aber 4- poliger Sockel, nicht Europa.

Ganz mies: die Kunststoff- Isolierung der Drähte, die aus den Filtern zu den Domkontakten der Röhren führen, ist am Zerfallen, der Kunststoff ist versprödet. Aber schein noch zu gehen, die Drähte gehen zusätzlich durch einen Gummistopfen.

So, also schnell 2 Si- Dioden als Ersatz provisorisch in die Fassung gesteckt, und Kistli per Stelltrafo vorsichtig hochgefahren.
Funktioniert !!!
Verbrummter, nicht 100%ig klarer Ton, aber auf LW und MW Sender da.
KW bei Durchschalten des Wellen- Drehschalters ab und zu was da, also Wellenschalter oxydiert, klar.
Die 6G5 ist runtergenuddelt, das grüne Leuchten ist gerade noch erkennbar.

Ein 3/4 Jahrhundert alt, und spielt sofort nach Ersatz der einzigen defekten Lampe mit allem Original- Zeugs drin- tolles Kistli !
Ich würde sagen, ein nettes Restaurations- Objekt.

Edi



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Angekommen

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Front

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Typenschild mit Seriennnummer

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Radionette- Logo

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Angehängter Verkaufszettel

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Steuermarken (Avgift = Abgabe, Steuer)

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Innenansicht

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Der Lautsprecher hat "seine" Box

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Lautspr- Typenschild, zu lesen: Jensen Radio MFG (Manufacturing) Co. (Company), Chicago

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Programmvorschau, hier zum reinschauen als PDF

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Programmvorschau, andere Seite, hier zum reinschauen als PDF

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Die Röhren haben Herstellerbanderolen mit der Gerätenummer

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die "80" hat "Luft geholt"

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Skale

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Die Öffnung für das Mag. Auge hat eine Skalierung
Stasjonsmåler - Stations (stärken)- Anzeige

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Mørk- Dunkel, Lys- Hell
Bei Dunkel: Selektiv (Bandbreitenregelung auf schmal gesetzt)

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Stasjonssøker- leicht zu übersetzen: Stationssucher- meint den Abstimmknopf
Bølge <-> område- Welle(n)- Bereich
Eft.(er). Mottagning Solnetg(ang)- Empfang nach Sonnenuntergang
-Meint natürlich die hochfrequente Seite der Mittelwelle.
Mottagning hele dognet- Empfang den ganzen Tag über
Ist klar- Kurz- und Langwelle sind nicht so extrem tageszeitabhängig

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"Furnierbrand"

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Schaden an der Rundung

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Schaden an der Rundung


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BeitragVerfasst: So Apr 03, 2011 17:05 
Hallo Edi,
Gratulation, das gibt ein super Projekt. Die def Gleichrichterrö. würde ich versuchen in den USA zu beschaffen. Falls es die nicht geben sollte, alternativ versuchen eine 5Y3GT ebenfalls in den USA zu beschaffen. Dann die Röhren umsockeln. Dieser 4 Stifftsockel, der wie ein Europasockel aussieht, aber 2 dickere Stifte aufweist ist ein früher amerikanischer Sockel der hier fast unbekannt ist. Philips fertigte früher Röhren mit Eur .sockel und die gleiche Rö auch mit diesem amerikanischen Sockel. Ich besitze z.B. eine original B405 mit dem amerik. Sockel.
Die RGN ist für 4 V ausgelegt, die 80 jedoch für 5 V.
Ich konnte bisher die meisten Röhren in den USA erhalten.
Nicht vergessen, im interimistischen Diodenbetrieb eien Vorwiderstand von 100-200 Ohm vorzuschalten.
Interessanter Bericht Grüsse Franz


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BeitragVerfasst: So Apr 03, 2011 17:38 
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Registriert: Sa Feb 26, 2011 16:24
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Franz hat geschrieben:
Falls es die nicht geben sollte, alternativ versuchen eine 5Y3GT ebenfalls in den USA zu beschaffen.


Warum in die Ferne schweifen...?

Thomann hat sie auch.

Ralf

_________________
Industriefotos und O-Töne aus Belgien und Nordfrankreich


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BeitragVerfasst: So Apr 03, 2011 17:44 
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warum umbauen? Die 80 ist gewiss keine Rarität und wurde im nichtdeutschen Europa oft eingesetzt.

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Gruß,
Jupp
------------------------------
Der Sammler "an sich" wird einfach nie ethisch oder moralisch sein. Liegt in der Sache der Natur... Sonst wären wir ja keine "Sammler & Jäger", sondern biedere Heimchen (Marek)


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BeitragVerfasst: Mo Apr 04, 2011 14:55 
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Beiträge: 1959
Wohnort: Aachen
Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**
EIn tolles Radio und wunderschön dargeboten. :super:

Richtig toll. Anschauen und lesen hat supermäßig Spaß gemacht.

Gruß Ralph

_________________
Und klingt der Netzbrumm schauerlich, das Radio spricht: NOCH LEBE ICH!


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BeitragVerfasst: Mo Apr 04, 2011 19:13 
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Ja es hat richtig Spaß gemacht, den tollen Beitrag zu lesen.


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BeitragVerfasst: Mo Apr 04, 2011 20:18 
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Freut mich, daß der Bericht gefällt.
:D

Macht schon Spaß, wenn man so ein bissel was ums Radio schreiben kann, so ein Kistli vielleicht noch etwas von seiner Geschichte preisgibt.

Nach einer Weile Spielzeit wurde der Brumm ganz langsam stärker (empfängt aber trotzdem)- der Rest des Siebelkos hat wohl den Dienst quittiert. Vielleicht war der Elko auch Ursache für die gestorbene 80, die hat eine "Knallstelle" im Glas- Quetschfuß, dort konnte die 80 dann Luft saugen. Verursacht ist die Stelle anhand der Spuren durch Überschläge des durchbrennenden Heizfadens- und der brennt ja bei Elkoschaden als erstes weg.

Eine 6G5 (mag. Auge) ist in Bestellung, die gibt`s noch, die 80 folgt später.
Dann kann ich, wie der ehemalige Wellenjäger- Besitzer mit Senderlisten an der Kiste hängen, Frequenzen und -Dank des skalierten Fächerwinkels des mag. Auges- Empfangsfeldstärken notieren....

Edi


Zuletzt geändert von edi am Di Apr 19, 2011 20:51, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Di Apr 05, 2011 8:46 
Hallo Edi,
um nochmals auf die 80 zurück zukommen; Ich habe mal ein bischen recheriert und folg. Möglichkeiten ( o. Fassungstausch ) gefunden 80 VT-80 ( 350432666682 ) USA und ( 250797795479 ) Mailand und ( 4001060842111 ) Ankara und UX280 ( 280651226779 ) Bei letztere Rö bin ich bezügl. des Sockels nicht ganz sicher . Die Nummern gelten für ein internat. Auktionshaus.
Vielleicht hilft das ?
Grüsse Franz


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BeitragVerfasst: Di Apr 05, 2011 18:38 
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Danke, Franz, für die Hinweise.
:danke:
Die UX280 müßte m. E. auch mit dem Sockel passen.
Leider muß ich mit der Gleichrichterröhre noch warten, ich muß auch jedem Euro dreimal umdrehen, ich bin froh, wenn`s erst mal für die 6G5 reicht.
Aber wenigstens kann ich ersatzweise Si- Dioden mit Reihen- R und Parallel- C in einem "Hilfssockel" (oder dem alten Sockel der defekten 80) verwenden, ähnlich diesem AZ12- Adapter, hier. Das ist ja eine Veränderung, die man in Sekunden rückgängig machen kann.

Edi


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