Ich finde, so ein Gerät muß die Zeit gut repräsentieren, aus der es stammt. In den 30ern neigten manche Hersteller erst zu einem fast sakralen Stil. Irgendwo habe ich mal ein Gerät gesehen, bei dem der Lautsprecherausschnitt mit einem neugotischen Vierpaß verblendet war, der dann in einen ebenso gotischen Spitzbogen eingepaßt war. Alles brav aus Eichenholz geschnitzt, jedenfalls sah es so aus, es erinnerte mich sehr an die Seitenwangen der Kirchenbänke in der hiesigen katholischen Kirche. Die Radios heißen heute in der Umgangssprache der Sammler "Kathedralen", warum wohl ?
Solche Radios entsprachen dem Stil der Zeit wohl in vielen Ländern, danach entwickelte sich das aber weit auseinander: die Franzosen begannen bald danach einen wirklich hauptsächlich vom Talmi beherrschten Stil, der in den 50ern mit den Ohrenradios seinen Höhepunkt fand. Sowas muß einem gefallen. Es polarisiert jedenfalls: während wenige es schön finden, kriegen die meisten einen Brechreiz.
In Deutschland ging die Entwicklung in die andere Richtung, Nils erwähnte schon das Baumuster "Reichskanzlei":
http://www.drm-berlin.de/ausstellung-ra ... 10443.htmlNach dem Krieg kam dann das 50er-Jahre Einheitsdesign mit den Tasten auf, welches für viele Sammler von heute geradezu den Inbegriff der "guten alten Zeit" dieses Jahrzehnts darstellt, auch für mich, ich muß es zugeben.
Aus der Zeit stammt auch das für mich von allen optisch am meisten gelungen wirkende Radio, der Telefunken Opus 52. Dieses Radio hat ein geradezu strenges, fast hochnäsiges Gesicht, es wäre eines der 3 oder 4 Geräte, die ich auch noch ins Altersheim mitnehmen würde...
http://www.antikradio-restored.de/opus52/album.htmDie Designer von damals hatten Geschmack und enthielten sich der später aufkommenden Talmi-Welle. Gerade soviel Zierrat, wie nötig.
In den 60ern wurden die Geräte dann eckiger und häßlicher, ich weiß gar nicht, ob aus Kostengründen, oder ob der Geschmack diese Änderung diktierte. Auch die Möbel und selbst die Autos wurden ja eckiger. Vergleicht nur mal den Mercedes Ponton der 50er mit der Heckflosse der 60er.
Also wie gesagt: ich denke, das Design der Geräte ist immer auch ein Ausdruck von Zeitströmungen. Weswegen ein richtiges Radiomuseuem (wie bspw. das in Duisburg) gut daran tut, aus jeder Zeit eine Anzahl von Exponaten zu präsentieren, damit der Betrachter diese Änderungen erleben, seine Schlüsse ziehen und erkennen kann, welche Epoche ihm am besten gefälllt.
H.