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Röhrenradioforum: Das Forum für alle Freunde alter Röhrenradios, Kofferradios und Röhrentechnik!
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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 19:55 
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Registriert: Mi Jul 17, 2013 12:33
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Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**
ich muss ehrlich sagen - als Kind von Eltern, die in den Fünfzigern im "sozialistischen Musterland" so lange schikaniert wurden, bis sie kurz vor dem Mauerbau in den Westen geflohen sind, kann ich die ganzen DDR-Artefakte der fünfziger Jahre nur schwer in meiner Nähe ertragen, genau wie ich keinen Volksempfänger im Haus stehen haben möchte, und weder Käfer noch Trabant vor der Tür. Ich kann auch keine nostalgischen Gefühle entwickeln, wenn ganz normale DDR-Gebrauchsgüter mit linker Propaganda bepflastert sind.

Mein Opa hat es mal so schön formuliert - er möchte mit nichts was zu tun haben, was mit "ismus" endet, denn das kann man alles in einen Sack werfen. Der hat damals noch in der DDR gelebt, erst vor wenigen Jahren ist mir bewusst geworden, wie gefährlich er dort als Berufszyniker gelebt hat.

Was mich persönlich wundert, sind die ganzen Spitzengeräte, die in den Fünfzigern in der DDR gefertigt wurden. Diese passen so gar nicht in die Lebensrealität der DDR, die ich durch Erzählungen, alten Fotos etc. von meinen Verwandten vermittelt bekommen habe. Zumindest da, wo meine Eltern herkamen ( Nähe Brandenburg ), gab es in der zweiten Hälfte der Fünfziger noch regelmäßige Engpässe bei der Grundversorgung - und Radios wie die Stradivaris und Rossinis wirken ein wenig wie von Parteibonzen initiiert, die in den Westen schielten, die fetten Grundigs und Sabas gesehen haben, sowas auch haben wollten, es aber zu dieser Zeit noch nicht beim Klassenfeind kaufen konnten. Wenn ich ganz böse sein wollte, würde ich mutmaßen, dass sich die DDR genau in dem Moment vom technischen Stand des Westens abgekoppelt hat, wo die Bonzen angefangen haben, ihren Luxus ohne Skrupel direkt aus dem Westen zu beziehen.

1968, also gut 20 Jahre nach dem Ende des rechten Terror-Regimes in Deutschland, hat es in Westdeutschland einen großen Befreiungsschlag von den übrig gebliebenen Seilschaften gegeben. Die Zeit zwischen der Wende und heute ist auch schon fast 25 Jahre lang, und trotzdem existieren in Teilen Ostdeutschlands die alten Seilschaften munter weiter, und die Linken unter Regie von diversen Ex-SED Schergen werden als demokratische Partei akzeptiert, obwohl sich bis heute noch niemand offen von der Zeit vor der Wende distanziert hat. Im Gegenteil - es mehren sich die Stimmen, die die DDR-Zeit für gut und richtig gehalten haben, und die Ära wird immer mehr nostalgisch verkitscht. Diese Art von Nostagie kommt mir nicht ins Haus.

Gruß Frank


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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 20:11 
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Hallo

Ich wurde nach der Wende mal von einem Westbürger gefragt wie es nun ist mit der Meinungsfreiheit.
Meine Antwort war. Früher konnte ich zu meinem Chef sagen du bist ein Aloch aber nicht zu E.Honecker, heute kann ich zu H.Kohl ( A.Merkel)sagen du bist ein Aloch aber nicht zu meinem Chef.!!

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Gruß Helmut
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Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser. -Sokrates-


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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 20:51 
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Kenntnisstand: Einsteiger ohne Kenntnisse
Bei uns im ehemaligen Bezirk Halle, ex DDR, gab es diverse gleich geschaltete Tageszeitungen, eine davon war die SED Zeitung, "Das neue Deutschland" eine andere mehr lokal, "Die Freiheit". Auf die Frage eines Dorf ABV´S, Wann denn das "Neue Deutschland" käme, zu einem Briefträger. Dieser dann darauf bewusst oder unbewusst antwortete, wenn "Die Freiheit" kommt, war es für etliche Zeit mit dem Briefeaustragen vorbei. Auch der Spruch " Frieda Hockauf, macht den Rock auf" konnte zur Zwangseinführung ins Stasihotel reichen.
Aber die Geräte aus der Zeit können doch nichts dafür..................................

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Ein Phasenprüfer ist so nützlich wie ein Lutscher der nach Kacke schmeckt.


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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 21:35 
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Hui, da habe ich offenbar ungewollt ein kontroverses Thema angestoßen, hoffentlich wird das nicht wieder zu kontrovers.

Was nun, wenn man so will, "historisch belastete" Geräte angeht, so muß ich sagen, daß ich auch keine "braune" VE-Kiste in meiner Sammlung habe und auch keine haben möchte. Einmal sicherlich deswegen, weil diese Radios technisch geradezu aberwitzig minderwertig sind und das auch in den 30ern schon waren. Die waren denkbar weit vom damaligen "state of the art" entfernt. Klar waren sie auch billig, aber ihre Aufgabe, den Erfassungsgrad der Bevölkerung für den braunen Rundfunk zu erhöhen, erzeugt in meinen Augen einen Grusel, den ich definitiv nicht brauche. (Meine Oma soll dem Vernehmen nach zu Beginn der 60er-Jahre ihren VE ungefähr mit den Worten entsorgt haben: "Endlich kommt das Ding weg", vermutlich dachte sie dabei an die Bombenangriffe in der Spätphase des Krieges, wie lagen hier direkt in der Einflugschneise ins Ruhrgebiet.)

Weiterhin bin ich ein erklärter Freund des guten UKW-Empfangs und auch von der Entwicklung der zugehörigen Gerätschaften in den 50ern begeistert, vom Pendler des Jahres 1950 bis zum durchentwickelten Großsuper am Ende dieses Jahrzehntes.

Und da kommen dann auch zwangsläufig die DDR-Radios ins Spiel. Als Wessi habe ich die Vorbelastung, die Frank so treffend bescheibt, natürlich nicht, und so drängen sich mir Vergleiche zwischen West und Ost nahezu auf. Das sind einmal die Gehäuseformen, die Bestückungen, aber eben auch die UKW-Leistung, die mich so interessieren. Klar haben die Entwickler in der DDR ein bißchen im Westen abgeschaut, aber was sie am Ende daraus und aus der bei Ihnen vielleicht gelegentlich zu beklagenden Materialknappheit machten, ist doch aller Ehren wert. Ich will damit sagen: die Ingenieure in der DDR waren genau nicht schlechter, als die in Westdeutschland, verloren aber irgendwann den technologischen Anschluß.

Speziell der Rossini ist ein großzügig konzipiertes, logisch verdrahtetes und einfach überzeugend gemachtes Gerät, weswegen ich auch sofort zugesagt hatte, als mir Hennes anbot, sein praktisch gratis erhaltenes, aber fast mustergültig erhaltenes Gerät wieder in Betrieb zu setzen und zu überholen.
Einzig sein wabbeliger Tastensatz ist wegen der langen Betätigungshebel ein wirklicher Kritikpunkt. Auf sehr vielen Bauteilen und auch direkt auf der Rückwand fand sich die Zahl "1" in so einem Dreieck, irgendwann habe ich mal gehört, so gekennzeichnete Produkte seien damit für einen devisenbringenden Westexport als tauglich beschrieben worden, stimmt das ? Gesehen habe ich das auch auf meinem 1968er Zeiss Dekaris Fernglas.

Die Annahme, die in der DDR erzeugten Groß- und Spitzensuper wie eben Beethoven, Stradivari, Rossini und der von mir hochgeschätzte "Admiral" (das beste DDR-Radio, das ich kenne), seien nur für Parteibonzen gewesen, glaube ich aber nicht. Dafür gibt es von dieser Geräteklasse heute einfach noch zu viele, wenn man ein Abnehmen der "Population" durch Verschrottung wie im Westen unterstellt, kann man nur denken: so viele Bonzen kann es gar nicht gegeben haben ?!

Könnte es nicht vielmehr sein, daß durch den Verkauf dieser Geräte zu exorbitanten Preisen auch Kaufkraftabschöpfung betrieben wurde ? Auch die Preise späterer Transistorradios waren ja abgeschmackt hoch, damit die Leute nicht so viel Geld auf ihren Konten oder in bar bunkerten und also damit die aufgestaute Inflation gemindert werden sollte ? Das ist eine Frage, die erneut nur wieder die gelernten DDR-Bürger beantworten können. (Während meines VWL-Studiums wurde die Frage, warum Importprodukte aus der DDR hier so billig und dort so teuer seien, genau so beantwortet.)

Na, ich bin gespannt, was ich hier noch zu lesen bekomme....

H.

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UKW: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.....


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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 21:45 
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Hallo...

holger66 hat geschrieben:
Auf sehr vielen Bauteilen und auch direkt auf der Rückwand fand sich die Zahl "1" in so einem Dreieck, irgendwann habe ich mal gehört, so gekennzeichnete Produkte seien damit für einen devisenbringenden Westexport als tauglich beschrieben worden, stimmt das ?


Das heißt das dieses Produkt der Weltmarktqualität entsprach bzw. entsprechen sollte.
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCtezeichen_%28DDR%29

In meiner Stradivari habe ich frohlockend eine EL84 mit ausgezeichneter Qualität gefunden.
Irgendwie habe ich ein Faible für DDR-Technikzeugs...

Weshalb man schöne Radios, Autos oder was auch immer nun für seltsame Politik ihrer Zeit verteufeln muss, erschließt sich
mir allerdings nicht.

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Schöne Grüße, Tim-Peder

"Mangelnde Motorleistung erfordert besondere Fahrmanöver" :P

Ewiges Familienmitglied:
Bruns Super 8250 A

Zuletzt irgendwann von TPM bearbeitet, insgesamt sehr oft bearbeitet.


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BeitragVerfasst: Di Feb 18, 2014 22:59 
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Registriert: Mi Nov 24, 2010 22:31
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Hallo Holger

Das mit den hohen Preisen zur Geldabschöpfung trifft absolut zu,zu DDR Zeiten gab es zwei Kategorien von Artikeln.
1 Lebensnotwendige = Lebensmittel,Miete usw. Die wurden Gestützt und unter ihrem Wert Verkauft.
2 Luxusartikel= Auto,Radio,Farb TV,Kaffee usw. die wurden Überteuert Verkauft.

Die Preise wurden vom Politbüro bestimmt und waren sehr oft Irrational Hoch oder Niedrig.

Der erste Link ist sehr Sehenswert.!!!

http://www.youtube.com/watch?v=_g_jzr6xtdE

http://www.youtube.com/watch?v=xzzEy-4fvK8

http://www.youtube.com/watch?v=nw8-2ctIBBI

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Gruß Helmut
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Zuletzt geändert von Oldradio am Mi Feb 19, 2014 1:00, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mi Feb 19, 2014 0:37 
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Registriert: Mi Okt 03, 2012 10:51
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Wohnort: 04916 Herzberg/E
Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
Hallo,
2 1 Q waren unsrere Qualitätszeichen.

Gruß Frank

_________________
Gruß Frank

Strom macht klein schwarz und häßlich


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BeitragVerfasst: Mi Feb 19, 2014 21:42 
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Registriert: Mo Dez 06, 2010 11:18
Beiträge: 367
Hallo zusammen,

das mit dem Abschöpfen der Kaufkraft stimmt. Ich "durfte" als Parteiloser selbst an einer Schulung über Marxismus-Leninismus (ML) teilnehmen. Der Dozent wiederholte es immer wieder genüßlich. Was "Meine Hand für mein Produkt" betrifft,
wurde mir nie bekannt, daß Hände abgehackt wurden.

Viele Grüße

Winfried


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BeitragVerfasst: So Feb 23, 2014 5:22 
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Und doch ist es so, dass "Historisch belastete Geräte" nichts dafür können, dass man sie produzierte. Sind es doch liebenswerte und interessante Zeitzeugen.
Ich hätte gern einen VE in meiner Sammlung. :wink:
Es handelt sich doch um Gebrauchsgegenstände und kein Propagandamaterial. Und die "Brigade Hennecke" hat sich den Namen auch nicht selbst gegeben, sondern wurde von oben verordnet!

Wollte man konsequent sein und diese Geräte wegen einer Ideologie ächten, dann müsste es auch den Hersteller betreffen und keiner dürfte mehr einen VW kaufen.

:|

_________________
MfG Heiner
Die schöne Adrienne
hatte noch eine Hochantenne!


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BeitragVerfasst: So Feb 23, 2014 7:56 
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Beiträge: 7433
Richtig Heiner.
Und es dürften auch keine Batterien mehr benutzt werden, keine Magnetbänder, keine deutschen Röhren, keine Radios deutscher Firmen die zu Kriegszeiten aktiv waren, keine...
Eigentlich hatte fast jede alte deutsche Firma Dreck am Stecken.
Zur Abschöpfung der Kaufkraft.
Dies ist eine Sache die ja bis in die Neuzeit weiter genutzt wird. Stichwort "geplante Obsoleszenz". Nur eben das es hier nicht in einen großen Topf wandert sondern in viele kleinere.

Zu einem anderen Beitrag hier schweige ich lieber, daß gibt sonst wieder eine ellenlange politische Diskusion.

paulchen


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BeitragVerfasst: So Feb 23, 2014 9:54 
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Beiträge: 367
Hallo zusammen,

zum 1. Link möchte ich noch sagen, daß dieser Film eher Kuriositäten als die Wirklichkeit zeigt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die vielen Beatgruppen in den 1960er Jahren ihre Gitarren und Verstärkeranlagen selbst gebaut haben. Auch habe ich bis heute nie ein Eigenbauauto gesehen. Was den Busverkehr anfangs der 50er Jahre betrifft weiß ich noch, daß dieser durch die Post durchgeführt wurde. Teilweise mit Vorkriegsbussen mit Anhänger. Der private Busunternehmer war natürlich in der volkseigenen Wirtschaft nicht unbedingt erwünscht. Übrigens war der Bus- und Straßenbahnverkehr auch subventioniert (Weil es nicht genug PKW's gab?). Eine Fahrt bis zur Endstation im Stadtverkehr kostete zwischen 10 und 20 Pf. Ich möchte nur sagen, daß man auch in der DDR leben konnte. Trotz öfterer Flugblattabwürfe zwecks Abwerbung, kenne ich persönlich keinen Fall wo Menschen in den "Westen" gezogen sind. Das bedeutet natürlich nicht, daß es das nicht gab. Ich möchte auch nichts beschönigen. Was die Volksempfänger betrifft, habe ich auch noch so ein Teil. Leider wurden die Kreuze wegen der Entnazifizierung entfernt. Dies soll den heutigen Wert sehr mindern.

Viele Grüße

Winfried


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BeitragVerfasst: So Feb 23, 2014 10:00 
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Beiträge: 1361
...ich schließe mich der Meinung vom "paulchen" an, ich würde das Gerät von der Ideologie trennen, die es damals umgeben hat. Museen gibt es schließlich auch, obwohl man die Ideologie heute nicht mehr so toll findet.

Was die "Bonzen" anbetrifft, so glaube ich gerne, dass man frühere nach einem Systemwechsel in führenden Bereichen wiederfindet, wo sie eigentlich nicht hingehören. Doch da wird es zwischen West und Ost keine Unterschiede geben. Manchmal denke ich, die sind einfach "drangeblieben", haben sich nur anders eingefärbt.

Grüße vom
-charlie-


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BeitragVerfasst: So Feb 23, 2014 16:44 
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Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**
Der Thread hat sich, von der harmlosen Eingangsfrage Holgers angefangen, inzwischen lustig entwickelt.

Die Bemerkungen dabei, die ich am wenigsten nachvollziehen kann, sind die von Frank (radiofreddy), zumal die in der Sache auch nicht ganz richtig sind.

Von woher und aus welcher Ära ein Gerät stammt, ist unter sammlerischen Gesichtspunkten erst einmal völlig egal. Klammerte man bewußt den VE aus wegen geschichtlicher Vorbelastung, müßte man zwangsläufig den gesamten Bereich dieser Zeit auch mit ausklammern. Denn er ist in der Zeit erzeugt worden.

Dabei hat der VE ursächlich mit den Nazis gar nichts zu tun. Den VE gab es bereits als fertigen Entwurf für einen einfachen und kostengünstig zu produzierenden Empfänger in den Schubladen bei Telefunken, als die Nazis an die Macht kamen.

Der wäre auch ohne die Nazis rausgekommen. Der Fehler am VE ist nur, daß die neuen Machthaber mit ihrer Ausgerichtetheit gerade auf moderne Massenmedien dessen Potential erkannt hatten. Weshalb sie dieses Gerät zu "ihrem eigenen" gemacht haben. Und darüber hinaus verfügt, daß dieses Gerät als Gemeinschaftsproduktion von den großen deutschen Radiofirmen in Übernahme mitproduziert werden mußte, um den erwartbaren Bedarf zu decken. Nur deshalb gibt es ihn in so vielen Varianten ebensovieler Hersteller. Interessant einmal nachzulesen, was unser Forenkollege Johann dazu im rm.org und im Rahmen seiner Tätigkeit für das Radiomuseum Fürth veröffentlicht hat.

Meine Sammelei hat übrigens vor weit über 30 Jahren mit einem VE angefangen. Als Schüler zum Aufräumen des Schulmittelraumes verdonnert, gelangte ein defekter VE zu mir. Was nicht mehr genutzt wurde, sollte weggeschmissen werden. Und interessierte Schüler durften Exponate auch mit nach Hause nehmen.

So kam der VE zu mir.

Und dann viel später erst die Geschichte zu ihm.

Als er wieder vernünftig lief, Ende der 70er Jahre mit viel Taschengeldeinsatz erkauft, wurde er bei einem Wohnungseinbruch mir gestohlen. Und würde mich auch sehr über einen in meiner Sammlung freuen, -hat ja alles mit ihm begonnen- , wären die Preise nicht inzwischen so sinnfrei freifliegend geworden.

Ebenso aber verhält es sich mit den Geräten aus der ehemaligen DDR, die ich übrigens als gelernter Wessi mit Freuden sammle, weil sie vorher nie in erreichbarer Nähe zu mir waren. Von umgelableten Geräten bei den Versandkaufhäusern einmal abgesehen, wobei diese Geräte nun eher Durchschnittsware waren. Auf diesem Wege sind keine Stradivaris, keine Rossinis und auch nicht die designmäßig wunderschöne Undine, von Heli einmal ganz abgesehen, in den Westen gelangt.

Ebenso nicht, weil ich es damit habe, die interessanten Tonbandgeräte der erst SBZ und dann DDR. Tolle und spannende Entwürfe gibt es da, wobei besonders erwähnt werden muß, daß die DDR-Designer deutlich experimentierfreudiger waren als die im Westen. Designmäßig sind die Entwürfe und auch z.T. produzierten Geräte aus DDR-Produktion deutlich spannender als bei uns im Westen, von wenigen westlichen Ausnahmen einmal abgesehen.

Das alles ist sammel- und erhaltenswürdig. Daran gibt es für mich gar keine Frage und keinen Zweifel. Den Ingenieuren und besonders den Designer noch nachträglich ein großen Lob für ihre Ideen und auch ihren Mut, es durchgesetzt zu haben. Was vermutlich in den Anfängen auch nicht leicht war. Selbst bei den Arbeitern der Firma Heli, die an die ganzen barocken Formen gewöhnt waren, hieß die Lautsprecherbox zum Heli 3001 RK2 damals despektierlich "Hasenstall".

Und es waren definitiv damals nicht die Bonzen, die ihre Firmen haben machen lassen, damit sie etwas Schickes für zuhause hatten. Es waren in den Anfängen noch rein private oder nur teilprivatisierte Firmen, die, wie jeder Unternehmer im Westen auch, ihr Bestes gegeben haben und sehr innovationsfreudig waren.
Umgekehrt wird nämlich ein Schuh draus. Wie die Firmen behindert und ausgebremst wurden gerade durch die "Bonzen". Da lohnt es sich einmal, wobei ich Dich, Frank, direkt anspreche, Dir einmal die Geschichte um das Wartburg 311 Coupé und Cabrio durchzulesen. Wie sich damals, obwohl die Wartburger damit ein ordentlicher Devisenbringer hätten sein können, der unerträgliche Spitzbart als Verhinderer eingemischt hat. Und aus welchen Gründen auch.

Aus westlicher Sichtweise eine riesen Lachnummer, aus östlich systemvernagelter Sichtweise konsistent und zwangsläufig.

Und trotzdem haben es noch bis zu den Anfängen der 70er Jahre private Firmen geschafft, bei teilweise fürchterlichen Behinderungen, innovativ zu bleiben und Meilensteine zu produzieren wie den von mir hochgeschätzten Heli RK5.

Das kann man nicht alles abtun. Das alles ist sammelwürdig, weil es nämlich mit der Ideologie des Staates, unter dem es erzeugt worden ist, ursächlich nichts zu tun hat. Schließlich sammeln wir keine Muffelöfen von Topf&Söhne.

Und für das, was Militariasammler und ideologisch interessierte Sammlerkreise an Unfug verbrechen, dafür können wir als große Gemeinde technisch orientierter Sammler auch nichts.
Daß rückwärtsgewandte vor z.B einem VE mit zitternden Knien knien, weil jemand das Kreuz nicht herausgekratzt hat, fällt in den Bereich "persönlicher Wahnsinn"; nicht in den Zuständigkeitsbereich von uns Sammlern. Hier sind eindeutig eher Psychologen gefragt.

Als Schlußbemerkung noch etwas, was ein Freund, selber "gelernter" DDRler, mir über die Helis gesagt hat: "Was glaubst Du, weshalb die in der DDR eigentlich jeder haben wollte...? Weil deren Empfangsteil so gut war, daß Du in jeder Ecke der DDR auch alles hören konntest. Nur den Preis konnte nicht jeder bezahlen."

Frank, mal ganz ehrlich: Glaubst Du wirklich, Ullbricht, Honnecker und Co. hätten dieses Produkt zum persönlichen Spaße entwickeln lassen, obwohl es damit für jeden in der DDR kein Tal der Ahnungslosen mehr geben konnte? Eine solche Betrachtungsweise ist wirklich Unfug.

Gruß und schönes restliches Wochenende,

Ralph

PS: Von Täve habe ich übrigens nichts in meinen Geräten. Wohl aber von Frieda. Die einen zauberhaften Nachnamen hat. Ein Schelm, wer dabei .... Wobei dabei der Scherz, den Torsten wiedergegeben hat, da schon saftiger ist als meine Pünktchen.

_________________
Und klingt der Netzbrumm schauerlich, das Radio spricht: NOCH LEBE ICH!


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BeitragVerfasst: Mo Feb 24, 2014 6:22 
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Registriert: Mo Okt 15, 2012 14:38
Beiträge: 1361
...hier sieht man, welche tiefen Spuren ein "Regime" hinterlassen kann. Als "gebranntes Kind" sieht die Sache immer anders aus als zufälliger Betrachter. Ich verstehe beide Ansichten, doch eine generelle Verdammnis der Gegenstände aus schwierigen Zeiten lehne ich ab. Dass ein Einzelner nix mehr damit zu tun haben will, akzeptiere ich. Er möchte eben in keinster Weise mehr daran erinnert werden.

...alles kein Grund, zu streiten.
Grüße vom
-charlie-


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BeitragVerfasst: Mo Mär 03, 2014 11:40 
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Registriert: Sa Mär 30, 2013 10:24
Beiträge: 2337
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Ich finde das eine sehr interessante Diskussion, auch mal die kritischen Stimmen zu hören. Ich habe die Wende hautnah miterlebt, obwohl ich noch nicht mal im Teenie-Alter war. Wir waren noch vorm Turm am Schlagbaum gestanden, danach an der gleichen Stelle über einen provisorischen Kiesweg und dann, ein paar Jahre später, wieder an der gleichen Stelle über eine neu geteerte breite Strasse gefahren. Ich bin behütet ohne politische Sorgen aufgewachsen, für mich sind diese Zeitzeugen sehr interessant, egal, aus welcher Sicht.

Danke schon mal dafür.

_________________
Viele Grüße
Philipp

"Lohnt es sich denn?" fragt das Hirn. "Nein aber es tut so gut!" antwortet das Herz.


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