Hallo,
da habe ich wohl wieder mal was losgetreten.
Prinzipiell ging es mir eigentlich um die Beurteilung einer Arbeit unter der Vorgabe, daß nach der Restauration möglichst alles genauso auszusehen hat wie vorher. Und zwar ungeachtet dessen, ob es ein Gerät von Alter und Seltensheitswert nun
"verdient" hat oder nicht. Jedenfalls nach Ansicht des Besitzers. Ich finde, daß alle Geräte ab einem gewissen Alter das verdient haben. Egal ob es nun 50 oder 50.000 Stück davon gibt.
Es lag mir fern, Gery hier generell ein schlechtes "Arbeitszeugnis" auszustellen.
Man muß hier stets die Sichtweise betrachten, und die ist bei mir eben etwas speziell gelagert. Gery hat eine 'Instandsetzung' durchgeführt, sodaß das Radio nun wohl wieder zuverlässig, betriebssicher und einwandfrei funktioniert. Dagegen ist zunächst mal nichts einzuwenden. Das eigentliche Ziel ist erreicht.
Anderen Leuten hingegen genügt das nicht. Anderen Leuten - so auch ich - ist das zu wenig. Hier wird Wert darauf gelegt, daß ein Oldtimerradio gewissermaßen "museumsgerecht" restauriert wird. Und zwar in allen Punkten. So ein Teil muß nach der Restauration jeder Prüfung standhalten. Es muß nicht nur von außen schön anzusehen sein, - nein, - es muß auch einem Blick hinter und unter die Kulissen standhalten. Außen Hui und innen Pfui darf es da nicht geben. In manchen Fällen kann das sogar so weit gehen, daß man sich von der gnadenlos teuren Holländerin einen neuen Lautsprecherbespannstoff weben läßt.
Es ist völlig klar, daß eine echte Restauration erheblich mehr Zeit erfordert als eine Hoppla-Hopp-Instandsetzung. Ein Austausch von z.B. 4-5 Kondensatoren kann bei mir schon mal einen Abend dauern. Schließlich müssen die entsprechend in Szene gesetzt werden. Sind es dann gar bis zu 30 oder mehr, so ist eine Woche gelaufen. Würde ich nur gelbe Lutscher einbauen, so wäre diese Arbeit an 1 Abend erledigt. Aber soo einfach mache ich mir das nicht.
Häufig wird argumentiert, daß man nicht soviel Zeit habe. Das mag ja sein, - aber glaubt vielleicht jemand
ich hätte die im Überfluß? Ich nehme mir die Zeit! Bei mir dauert eine Restauration manchmal mehrere Wochen. Wenn auch noch Gehäusearbeiten hinzukommen, können daraus auch Monate werden. Ich gehöre nicht zu denjenigen die an 1-2 Abenden ein Gerät
instandsetzen, und somit auf mehrere Geräte pro Monat kommen. Ein früherer Schulkamerad hat ca. 2.500 Arbeitsstunden in die Restauration eines Triumph TR6 * SPAM-Verdacht! Werbung nicht erlaubt*. Jeder wird wohl sicher sein, daß eine reine Instandsetzung bis zur Fahrbereitschaft inkl. TÜV wesentlich weniger Zeitaufwand erfordert hätte. Aber nein, - er hat restauriert und nicht nur repariert!
Da sich Holger66 hier nun doch etwas sehr deutlich ausgesprochen hat, komme ich nicht umhin dazu noch ein paar Worte zu verlieren. Holger, Du hast ganz gewiss hervorragende Fachkenntnisse, und hast vermutlich bislang alles wieder so hinbekommen wie Du es wolltest. Dein Standpunkt ist Deine Sache, - er weicht lediglich von dem Standpunkt gewisser anderer Leute - zu denen auch ich mich zähle - deutlich ab. Du verwendest sogar radiale Wima-MKS, was ich nur in später vollständig geschlossenen Blechkästen tun würde. Dasselbe gilt für neubefüllte Alu-Becherelkos, - aber ich will nun nicht zu sehr ins Detail gehen.
Die Restaurationsphilosophie geht allgemein sehr verschiedene Wege. Im RMOrg z.B. haben sich Leute extra Stempel anfertigen lassen, um eine alte Röhre nach der Neubeschichtung der Abschirmung möglichst originalgetreu wiederherzustellen. Im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man das "Liebe zum Detail". Und was das betrifft, - so hat man sie, - oder man hat sie eben nicht. Das ist wie mit der Geduld, die z.B. ein (alter) Uhrmacher aufbringen muß. Die kann man weder lernen, noch hinreichend trainieren. Das ist eine Art von angeborenem Talent. Mein Vater hatte es, - ich habe es, - aber meine Nachbarin hätte noch in 100 Jahren nicht. Meine Ex-Freundin hatte es ebenfalls. Die war mal Uhrmacherin.
Und aus dieser Sicht habe ich die Wertung abgegeben.
Um das noch einmal von 2 Standpunkten aus zusammenzufassen:
A) Aus der Sicht eines Rundfunkhörers:
Prima Gery, - gut gemacht. Das Radio spielt wieder.
B) Aus der Sicht eines Kurators (Museum):
Grery, da mußt du nochmals drüber. Für ein museumsgerechtes Ausstellungsstück war das noch etwas zu wenig. Ein Solches muß auch einem Blick hinter die Kulissen standhalten.
Gruß
Rocco11