ganz generell: Überlege Dir vorher, was Du haben willst. Muss es ein Gerät mit Raritätenfaktor sein, soll es einen besonders guten Klang haben, soll es besonders klein, besonders groß oder optisch irgendwie besonders sein, usw.
Als zweites solltest Du Dir überlegen, ob Du Reparaturen selber machen willst, und ob Du so viel Know How mitbringst, dass Du mit Hilfe von Büchern und Foren wie diesem hier Reparaturen auch hinbekommst.
Bei der Auswahl der Radios hat vor vielen Jahren mal ein Sammler ein wahres Wort zu mir gesagt: "ganz klein ist teuer, und ganz groß auch - die Geräte dazwischen will keiner haben." Besser kann ich es auch heute nicht zusammenfassen. Wenn es Dir nur darum geht, ein schönes Radio zu besitzen und zu benutzen, solltest Du Dich in der "langweiligen" Mittelklasse umsehen. Diese zeichnet sich in den Fünfzigern durch Eintakt Endstufe, 3D-Klang, vier Wellenbereiche und Phonoeingang aus. Beispielhaft zu nennen sind hier die ganzen Grundigs mit Vierfach-Equalizer in der Tastaturmitte, oder die Radios von Graetz mit Ausnahme der Fantasia Reihe. Solche Radios bekommst Du mit etwas Glück heute noch geschenkt oder auf dem Recycling Hof. Wenn solche Radios als restauriert zu dreistelligen Eurobeträgen angeboten werden, ist größte Vorsicht angesagt. Ich würde für so ein Radio allerhöchstens 50 Euro ausgeben, selbst diesen Betrag siehst Du bei einem evtl. späteren Verkauf nie mehr wieder. Vorteil an der Mittelklasse ist, dass die Geräte meist schon sehr gut sind, und man ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis findet ( das war schon in den Fünfzigern so, und deshalb gibt es auch so viele davon ). Ein Graetz Sinfonia bekommt man z.B. für 50 Euro in brauchbarem Zustand. Ein Graetz Fantasia ( das sich vom Sinfonia fast nur durch die klanglich kaum wahrzunehmende Gegentaktendstufe unterscheidet ) kostet dagegen ab 150 Euro aufwärts, ohne in der Praxis wirklich mehr zu können.
Die kleinen Küchenradios sind klanglich meist nicht so toll, werden wegen ihres skurril niedlichen Äusseren aber hoch gehandelt. Die populärsten Radios aus dieser Gruppe sind die Philettas von Philips, das nach meinem Empfinden niedlichste Gerät ist das Graetz Komtess 214, auch extrem süß sind die frühen Jubilates von Telefunken, die es sogar als "Radiowecker" mit einer Uhr im Lautsprecher gab. Mehr als 150 Euro sollte aber auch das Jubilate mit Uhr nicht kosten, es sei denn, es ist in neuwertigem Zustand.
Die Spitzenmodelle aus den Fünfzigern haben meist eine Gegentaktendstufe und eine großzügige Lautsprecherbestückung, einen üppiger ausgestatteten Empfänger und diverse technische Spielereien. Das von Dir erwähnte Grundig 5080 fällt in diese Kategorie. Die Saba Freiburgs wären noch zu nennen, oder die 5010, 5040 und 5050 von Grundig. Wenn Du es ganz exotisch magst, schau Dir mal das Philips Capella von 1955/56 an, das hat zwei eisenlose ( !! ) Endverstärker. Bei den Spitzenmodellen kannst Du einerseits richtig Geld loswerden, wenn es sich um anerkannte Sammlergeräte handelt ( Grundig 5010, Saba Freiburg ). Du kannst aber auch Glück haben, an jemanden zu geraten, der z.B. ein Grundig 5080 nicht von einem optisch ähnlichen kleinen Grundig unterscheiden kann, in diesem Fall gelten die Regeln der Mittelklasse.
Zum Thema restauriertes Radio für viel Geld kaufen - wenn es verbürgt ist, dass das Radio wirklich fachgerecht restauriert ist, ist das ok. Leider steckt man in restaurierten Geräten nicht drin, es besteht immer die Gefahr, dass es für den Verkauf restauriert wurde, und das ist wirtschaftlich nicht möglich, wenn es vernünftig gemacht wurde. Wenn Du in der Lage bist, selber zu restaurieren, such Dir ein optisch gutes und unverbasteltes Exemplar, das noch Töne von sich gibt, und nach Möglichkeit nie im Keller gestanden hat. Mit Ausnahme von wenigen Sammlerträumen musst Du für so ein Radio maximal 100 Euro anlegen. Nach meinen Erfahrungen sind unrestaurierte Radios umso kaputter, je länger sie nicht mehr benutzt wurden, und/oder je schlechter sie gelagert wurden. Radios, die wirklich ihr gesamtes Leben trocken und warm im Wohnraum verbracht haben und regelmäßig genutzt wurden, können auch ohne Kondensator-Tauschorgie noch einwandfrei funktionieren. Ich selber hatte mal viele Jahre eine Graetz Musiktruhe Grazioso, die von einer verstorbenen alten Dame in mein Wohnzimmer und zehn Jahre später in das Zimmer eines anderen Sammlers gewandert ist. Nach meinem Wissen spielt die heute noch mit den Originalbauteilen von 1956.
Wenn Du ein seriös restauriertes Top Exemplar kaufen willst, sei Dir bewusst, dass Du das Geld wahrscheinlich nie mehr wiederbekommen wirst. Vom Faktor der Wertentwicklung ist es bei den hochpreisigen Top Exemplaren sinnvoller, für ein angesagtes Sammlerstück mit guter Wertprognose richtig viel Geld auszugeben, als sich für immer noch viel Geld ein Radio zu kaufen, dass bei einem evtl. Verkauf keiner mehr haben will.
Meine persönlichen Favoriten der jeweiligen Klassen:
Bei den Kleinradios das Telefunken Jubilate mit Uhr Bei der Mittelklasse die gesamte Grundig Zauberklang Serie - die sind billig, reichlich verfügbar und klingen sehr gut. Bei der Spitzenklasse das Grundig 5050 - das klingt um Längen besser als das Saba Freiburg, und die Grundig Geräte sind wertmäßig noch auf dem steigenden Ast, weil sie im Gegensatz zu Saba erst in den letzten Jahren langsam entdeckt werden. Das 5050 hat motorgesteuerte Stationstasten, eine 15 Watt Gegentaktendstufe und einen Sound, der nur von wenigen Röhrengeräten übertroffen wird. Und als Preistipp geht wirklich das Grundig 5080, das so ein wenig der Wolf im Schafspelz ist. Es hat deutlich mehr Wumm als die Radios mit zwei EL95 oder einer EL84, aber da Grundig für die gesamten großen Röhrenradios nur zwei Chassis verwendet hat, ist es optisch kaum als Spitzenmodell zu erkennen.
Das oben gesagte gilt für die Fünfziger Jahre. Die sechziger Jahre bringen zwar Stereo auf breiter Front, die Röhrentechnik ist aber schon auf dem absteigenden Ast, und man spürt bei der Verarbeitung schon die ersten Rotstift-Auswirkungen. Was vielleicht noch das interessanteste ist, sind die Röhrenreceiver mit schon eingebautem Stereodecoder - bei diesen Geräten lauert aber eine große Falle in Form der Endstufenröhren. Verbreitet waren Doppelpentoden ELL80 oder sogar Doppelpentoden mit Treiberstufen-Triode ECLL800. Diese Röhren sind verschleißfreudiger als die Einzelsysteme wie die EL84, werden nicht mehr hergestellt, und sind selten und teuer. Ich persönlich würde mir aus den sechzigern lieber frühes Transistor HiFi in die Wohnung stellen, wie z.B. den monströsen Saba Freiburg Receiver mit dem dazu passenden Plattenspieler und dem Tonbandgerät 600SH.
Gruß Frank
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