Angeregt durch Gery's Beitrag über den GRUNDIG 98 As in der Rubrik "Geräte & Geschichten, die Radiogalerie" und die darin anklingende Frage über den hoch anmutenden Verkaufspreis von DM 300,- für dieses kleine Gerät, habe ich mal etwas recherchiert, was es mit den von Johann genannten "Mondpreisen" näher auf sich hat.
Das Thema hat mich grundsätzlich interessiert, da neben den technischen Daten der Geräte auch immer mal der Original-Kaufpreis eines Radios Erwähnung findet. Dieser wird von Sammlern meist als der Preis verstanden, zu dem das Gerät damals über den Verkaufstresen an den Kunden ging. Grundlage für diese Angaben im Netz sind zumeist historische Radioverkaufskataloge.
Grundlage meiner Recherche waren die mir vorliegenden Exemplare des "Handbuch des Rundfunk- und Fernsehgrosshandels", in denen die jeweilige Produktpalette des Jahrgangs dargestellt wird.
Ausgehend von Geräten wie dem GRUNDIG 98 As zitiere ich nachfolgend aus dem "HANDBUCH des Rundfunk- und Fernsehgrosshandels 1965/66", welches mir in Originalausgabe vorliegt und in dem dieses Gerät aufgeführt ist. Selbiges HANDBUCH ist nach Willen der Verfasser "ausschließlich für den persönlichen Gebrauch der Angehörigen der Rundfunk- und Fernsehwirtschaft bestimmt". Wie dem sehr sperrigen Text zu entnehmen ist, trat ab 1965 ausgelöst durch das Bundesverfassungsgericht eine Neustrukturierung der Preisangaben ein. In dieser Ausgabe des HANDBUCHS sind den meisten enthaltenen Radios keine Preise mehr angefügt, so auch nicht mehr dem GRUNDIG 98 As.
Zitat zur Preisgestaltung der Geräte (Seiten A5/A6)
"Zum Geleit
Gegenüber der vorjährigen Ausgabe unseres HANDBUCHS hat sich in preislicher Hinsicht eine neue Situation ergeben. Der 1. September 1964 ist zu einem bedeutungsvollen Datum geworden, nachdem das Bundeskartellamt die Hersteller von Rundfunk- und Fernsehgeräten mit Brief vom 10. August 1964 aufgefordert hatte, das Verrechnungspreissystem aufzugeben. Damit schien zugleich der Bruttopreis aufgegeben, aber nicht, weil es um den Bruttopreis ging, sondern weil die Bruttopreise zu "Mondpreisen" geworden waren. Der Brief des Bundeskartellamtes zielte nicht auf Bruttopreise oder Nettopreise ab; er wollte "Mondpreise" beseitigen. Durch gleichförmige Anwendung waren die "Mond-Verrechnungspreise" zu regelrechten Verbraucherpreisempfehlungen geworden.
Zur Zeit sind verschiedene Preissysteme in Anwendung. Wir beobachten durchgehende Nettopreise für Einzelhandel und Großhandel mit einem Vergütungssystem. Daneben bestehen getrennte Nettopreise für Einzelhandel und Großhandel. Zwischen beiden Eckpreisen liegt die Großhandelsspanne. Es folgt die Gruppe der Hersteller, die den Gedanken der Preisbindung wieder aufgegriffen hat. Mehrere Hersteller sind dazu übergegangen oder sind in einem Falle dabei geblieben, ihre Produktion an Geräten oder einzelne Typen daraus in zweiter oder erster Hand zu binden. Der Preisbindungsrevers eines Herstellers für ein in Hannover neu gezeigtes Gerät hat beim Großhandel besondere Beachtung gefunden. Aber auch die vierte Möglichkeit, bei unverbindlichen Richtpreisen zu bleiben, die beim Bundeskartellamt angemeldet wurden, hat Anhänger gefunden.
Einiges Aufsehen erregte die Grundsatzerklärung des Bundesverbands der Deutschen Industrie vom März 1965 zur vertikalen Preisempfehlung. Damit trat eine Art Ehrenerklärung der unverbindlichen Richtpreisempfehlung und des Verrechnungspreises ein. DerBDI beabsichtigte damt, den irrigen Meinungen entgegenzutreten, die die Preisempfehlung aus dem Kartellgesetz verbannen wollen. Soweit bei der Anwendung von vertikalen Preisempfehlungen Mißstände auftreten - so heißt es darin -, etwa durch Empfehlung marktunangemessener Preise oder durch täuschende Werbung, ist ihnen mit den Mitteln des geltenden Rechts zu begegnen. Der Hersteller sollte solchen Entwicklungen voreugen, indem er vor erstmaliger Bekanntgabe sorgfältig prüft, welches Preisniveau sich auf dem Verbrauchermarkt voraussichtlich bilden wird, gegebenenfalls seinen empfohlenen Preis ändert, wenn der sich auf dem Verbrauchermarkt entwickelnde Preis hiervon wesentlich abweicht, und schließlich dem Handel nicht Rabatte gewährt, die zu einer unlauteren und unseriösen Rabattwerbung beim Endabnehmer mißbraucht werden. Die Abrechnung nach Bruttopreisen mit dem Handel als solche ist nach Auffassung des BDI noch keine Preisempfehlung. Ein Hersteller, der dieses Abrechnungsverfahren anwendet, ohne damit einen Wiederverkaufspreis empfehlen zu wollen, sollte jedoch seine Abnehmer im Handel ausdrücklich darauf hinweisen, daß diese Bruttowerte lediglich der Abrechnung mit seinen Wiederverkäufern dienen und nicht für die Weitergabe an den Verbraucher bestimmt sind.
Sofern der Hersteller nur Nettopreise nennt, bleibt es dem Großhändler überlassen, eigene Verkaufspreise zu kalkulieren, die seinem Unternehmen und der Struktur seiner Kundschaft gerecht werden. Um dies zu erleichtern, kann mit der diesjährigen Ausgabe des HANDBUCHS die Mater einer Ergänzungspreisliste bezogen werden, die nach dem gleichen Schema aufgebaut ist, wie das HANDBUCH. Sie dient in der Hausdruckerei des Katalogbeziehers dazu, in kürzester Zeit daraus eine individuelle Verkaufs-Preisliste zu machen. In den Druckstock brauchen nur noch die Preise der Großhandlung eingefügt zu werden, die sie als ihre Verkaufspreise an den Einzelhandel errechnet. (...)
Damit ist ein Weg gefunden, den Belangen des Einzelhandels in bezug auf das Handbuch weiter Rechnung zu tragen. Als bewährtes Verkaufs- und Werbungsmittel behält es seine bisherige Bedeutung; es veröffentlicht alle wichtigen Abbildungen und Beschreibungen sowie Hersteller-Bruttopreise; die Ergänzungspreisliste der Handbuchbezieher unterrichtet zusätzlich über die sonstigen Preise, die aus rechtlichen Gründen in dieser Form im Handbuch nicht direkt aufgenommen werden können. (...)
Köln im August 1965"
Wie man sieht, eine recht komplexe Thematik, zumindest seit 1964.
k.
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k. steht für klaus
Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur. (Friedrich II.)
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