Gleich vorab: Wer sich daran so extrem stört dass ich einen Quecksilberdampfgleichrichter (Hg-Gleichrichter) im Haus habe, der fühle sich nicht genötigt hier kommentieren zu müssen.
Ich habe nun den Gleichrichter mit einem Arbeitskollegen vom Heimatmuseum Simbach am Inn herbekommen.
Geschichte:Dieser Gleichrichter stammt aus den Siemenswerken und ist 1920 gebaut worden. Seine "Röhrennummer" ist VSM 412.
1894 wurde das erste E-Werk in Simbach von Josef Hellmannsberger in der Stadt in Betrieb genommen. Anfangs reichte ein Gleichstromgenerator aus um die Lampen der Stadt beleuchten zu können. Später als der Strombedarf anstieg wechselte man auf Wechselspannungsgeneratoren, doch ein großer Teil der Privathaushalte der Stadt die bis dahin Stromleitungen bekamen blieb auf Gleichstrom. Für dieser Haushalte wurde 1922 der Gleichrichter angeschafft. Er versorgte bis nach dem Krieg viele Privathaushalte der Stadt mit Gleichstrom.
Die Kabel und der Stützring sind mit Asbesttextil ummantelt welches ich mit viel Klarlack gefestigt habe.
Elektrische Daten:Die elektrischen Daten kann ich nur schätzen. Anhand der Größe der Anoden gehe ich davon aus, dass es 500 bis 600 Ampere aushält. Mit Kühlung versteht sich.
Die Spannung kann weit variieren. Da es ein Drehstromgleichrichter ist mit 6 Anoden, gehe ich von 300-600 Volt aus.
Technisches:Das Glas wurde vermutlich von Schott in Jena hergestellt. Diese belieferten damals viele Hersteller, u.a. Siemens mit technischen Glas-Erzeugnissen.
Der Kolben hat unglaublich dickes Glas, welches auch die hohen Temperaturen im Normalbetrieb aushält ohne zu reißen oder zu platzen. Gerade die Anodenarme sind davon betroffen, da die Einschmelzungen für die Anoden und das Steuergitter kritische Stellen sind.
Als Kathode hat der Gleichrichter eine metallische Spiralwendel, welche in einem Quecksilbersee liegt. Die Menge des Quecksilbers schätze ich auf etwa 250ml.
Funktion:Diese Hg-Gleichrichter sind eine spezielle Form der Kaltkathodenröhre. Hg-Gleichrichter starten nicht von selbst, sie müssen zum Betrieb gezündet werden.
Man legt die Hauptwechselspannung an den Anoden an, der Nullleiter wird "durchgeschliffen und ist "dahinter" der Minus-Pol. An der Kathode liegt dann der Plus-Pol an.
Nun gibt es eine Zündelektrode die im Glaskolben federnd angebracht ist. Zwischen ihr und der Kathode legt man eine niedrige, aber strom-starke Spannungsquelle an (z.B. "Autobatterie").
Über der Zündelektrode befindet sich ein Solanoid (Elektromagnet) welches von außen mit einem Taster betätigt werden kann. Betätigt man nun einen Taster, dann zieht es die Zündelektrode aus dem Quecksilbersee und ein Abrisslichtbogen entsteht, welcher etwas Quecksilber verdampfen lässt und den Raum in dem Kolben ionisiert. Nun kann der Hauptstrom von den Anoden zur Kathode fließen. Hierbei entsteht ein heißer Lichtpunkt auf der Kathode, der s.g. Kathodenfleck. Dieser lässt immer mehr Quecksilber verdampfen bis sich ein stabiles Gleichgewicht zwischen vaporisiertem und flüssigem Quecksilber im Kolben eingestellt hat.
Im Nulldurchgang der Wechselspannung würde der Gleichrichter stoppen. Um das zu verhindern gibt es zwei Hilfselektroden im unteren Bereich über der Kathode, welche über einen Trafo mit Mittelanzapfung mit einer niedrigen Wechselspannung versorgt werden. Etwa 50-70 Volt.
Der Trafo sorgt für eine minimalste Phasenverschiebung, die ausreicht damit der Stromfluss nicht abreißt und immer bestehen bleibt.
Man wird durch die Erklärung merken, dass diese Gleichrichter eine pulsierende Gleichspannung herausgeben weil sie genau genommen nur Einweg-Gleichrichter sind.
Dieser Gleichrichter hat auch noch "Steuergitter". Diese sind dazu da um den Stromfluss durch den Gleichrichter zu regeln. Steigt der Anodenstrom an, so steigt auch die Spannung an den Gittern an, dadurch fängt der Gleichrichter an zu sperren und der Anodenstrom sinkt wieder. Etc. pp.
Diese Gitter konnten über regelbare Widerstände mit Spannung versorgt werden um die "Empfindlichkeit" einzustellen.
Da die Betriebstemperatur im Normalbetrieb recht hoch ist (einige hundert Grad) befindet sich in den Schaltschränken in denen diese eingebaut waren unterhalb des Kolbens ein Ventilator. Dieser kühlt einerseits die Elektroden, sorgt aber auch dafür, dass der Dom gekühlt wird, sodass immer genügend Quecksilber daran kondensieren kann und zurück zur Kathode tropft.
Im Betrieb leuchten diese Gleichrichter hell blau und geben vermutlich auch eine nicht besonders mindere Menge an UV-C Strahlung ab. Vorallem bei hohen Lastbetrieben.
Darum sollte man sich sicherheitshalber nie zu lange vor solchen Gleichrichtern aufhalten.
So, nun aber erstmal ein paar Bilder.
Gleichrichter im Schiedekäfig

Gitteranschlüsse

Hilfselektrodenanschlüsse (EA), Kathodenanschluss (K), Zündelektrodenanschluss (ZA) und Solanoidanschlüsse (S)

Anodenanschlüsse

Einer der Anodenarme. Am ende die Anode, "darunter" der Gitteranschluss

Spiralförmige Kathode im Quecksilbersee (schräg links unten kann man die eintauchende Zündelektrode sehen)

Federnde Zündelektrode mit außenliegendem Solanoid

Ich werde am Wochenende mit einem Freund einmal versuchen den Gleichrichter zu starten. Nicht mit Drehstrom und auch nur unter geringer Last.
Der Plan sieht dazu wie folgt aus. Zwischen der Zündelektrode und der Kathode werde ich für den Abrissfunken eine Autobatterie mit einer 12V/200W Lampe als Kurzschlussschutz schalten.
