Hier ein kleiner (letztlich doch recht langer) Reparaturbericht meiner Ebay-Errungenschaft Philetta de Luxe 311 (B3D11A). Wer meine Aktionen nachvollziehen will, kann sich in diesem Thread (
viewtopic.php?f=23&t=13085) den Schaltplan herunterladen. Dieses Projekt sollte keine Restaurierung werden, in optischen Dingen bin ich eine Niete. Mich fasziniert auch eher die Nachvollziehbarkeit der Technik, verbunden mit der Patina eines Stücks und, soweit bekannt, auch dessen individuelle Geschichte. Dazu gehört dann eben auch mein Tun und dessen Sichtbarkeit. Ausgetauschte Teile vermerke ich in einer Liste, die alten hänge ich in einer Tüte an die Rückwand. Mein Ziel war/ist es, zu lernen, zu üben und mich an den Erfolgserlebnissen zu freuen.
Nachdem die Philetta hier eingetroffen war, machte ich mich gleich an eine Bestandsaufnahme. Meine erste Erkenntnis war, dass da schon jemand mal dran war. Unschöne Hinterlassenschaften eines Lötkolbens an diversen Kunststoffschläuchen zeugen davon. Nun ja, Patina eben (oder doch nur individuelle Geschichte?) ... Gleichzeitig waren die (zwei) alten Ero-Kondensatoren noch drin. Auf Nachfrage meinte der Verkäufer, er habe das Teil vor einigen Jahren auf dem Flohmarkt erworben, sich aber seither nie daran versucht, es geschweige denn in Betrieb genommen. Nachdem ich augenscheinlich keine Defekte erkennen konnte, ersetzte ich die unleserliche Sicherung durch eine neue 250mA und wagte ein erstes etappenweises langsames Hochfahren mit meinem Regeltrenntrafo. Das Amperemeter verhielt sich ruhig und irgendwann kamen auch die ersten Töne: brüllend laut und extrem verzerrt

Ok, es stellte sich die Frage hf oder nf; ich tippte auf Letzteres und überprüfte das mit meinem Walkman (da geht im Zweifel nicht viel kaputt) am TA-Eingang mit dem selben Ergebnis. Also habe ich mit dem Lautsprecher leidend, die Spannungen an der el95 gemessen und siehe da: an Pin 2 lagen statt den vorgegebenen 6,5V satte 15V. Daraus schloss ich in aller Unkenntnis der elektrischen Zusammenhänge die Ursache der Verzerrung und überprüfte den nachfolgenden R55. Dieser war hochohmig, also habe ich ihn zusammen mit dem parallelen Elko C85 getauscht. Und siehe da: mein erstes Erfolgserlebnis dieses Projektes

Danach prüfte ich die Spannungen erneut, jetzt allerdings wesentlich entspannter. Dabei stellte ich fest, dass überall ca. 50V fehlten; an allen Röhren, an allen Messpunkten, auch am Gleichrichter...
Mist!!
Da ich schon diverse Berichte über den Ersatz des Selengleichrichters gelesen und keine Lust auf faule Eier in der Wohnung hatte, beschloss ich diesen zu ersetzen. Für mich sah ich da 2 Möglichkeiten: den Ersatz durch einen selbst gebauten Brückengleichrichter mit jeweils an den Dioden parallel geschalteten Kondensatoren oder eben durch einen fertigen. Erste Möglichkeit fand ich spannend, die zweite praktisch. Für die Erste bot sich unten neben dem AÜ auch ein schönes Plätzchen. Inspiriert durch diesen Bericht (
http://elektronikbasteln.pl7.de/ersatz- ... radio.html) baute ich eine Konstruktion, in der die eigentliche Schaltung auf einer Lochplatte oben und unten durch je eine weitere Lochplatte isoliert ist. Auf der einen Seite konnte ich so noch einen Winkel zur Befestigung am Chassis anbringen, auf der anderen schauten nun lediglich die Anschlüsse aus dem „Gehäuse“.
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Letztlich entschied ich mich aber doch für die einfache Variante mit einem fertigen Brückengleichrichter. Was weiß ich, warum die damals den originalen GL hinter die Skala gesetzt haben; dafür wird es schon einen Grund geben!?! Jedenfalls lötete ich einen fertigen Brückengleichrichter, der wohl 1,5A aushält, auf eine Lochplatte, welche ich dann an einer Schraube zusammen mit dem alten Selengleichrichter befestigen konnte.
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An den alten Gleichspannungsanschlüßen lötete ich zuvor je ein Stückchen Draht, diesen führte ich durch die neue Platte und somit darf jetzt der alte GL mit seiner eigenen Schraube und mit den Stiften an seinen alten Anschlüssen die Platte halten. Der alte Masseanschluss ist somit über den Stift auch gleichzeitig der Neue. Auf diese Idee bin ich sogar ein bisschen stolz.

Der Alte blieb somit unberührt und an Ort und Stelle, ist aber elektrisch stillgelegt.
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Die Größe des dadurch notwendigen Widerstands fand ich durch „try and error“ heraus. Jetzt ist da ein 330 Ohm/17Watt verbaut. Diesen befestigte ich an der Oberseite neben dem Trafo mit einer Klammer aus einem billigen Baumarkt-Schanier. (Bauhaus, Stabilit, Barcode 4 015643 157796) Passt, sitzt und hat Luft. Und mit dieser Konstruktion wäre der Originalzustand jederzeit wieder herstellbar!
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Nachdem wieder alle Spannungen einigermaßen im Toleranzbereich lagen, manche etwas höher, andere etwas niedriger

, wähnte ich mich schon am Ende des Projektes und schraubte das gute Stück schon mal wieder zu, nur um anschließend einen von jeglichem Bass befreiten Klang und eine extreme Empfindlichkeit des Lautstärkepotis festzustellen.
Hmpf!
Wie ein Ochse vor dem Berg stand ich nun vor einem Rätsel und stellte das Teil erst mal hinten an und wand mich meinen zwei anderen Philettas zu. Als ich dann bei Diesen mich ebenfalls in der Rolle des Ochsen wiederfand, holte ich halt die 311 wieder vor. Der Versuch einer Lösung durch Aussitzen scheiterte wohl kläglich.

Jedoch immer noch frei von konkreten Ideen, las ich alles, was ich hier und in andern Foren zum Thema Philetta 311, fehlender Bass und Lautstärkepoti zu lesen bekam. Dabei stolperte ich dann über ein Bild des Bereichs aus rm.org. (
http://www.radiomuseum.org/r/philips_ph ... _b3d1.html) Und tatsächlich: da war ein Widerstand abgebildet, wo bei mir gähnende Leere war! Und außerdem: da war doch ein dicker gelber Kunststoffschlauch mit einem Röhrchenkondensator ohne Anschluss! (vgl. Bild 2) Den hatte ich zwar in der ersten Bestandsaufnahme bemerkt, aber über die ganzen vorhergehenden Aktionen völlig vergessen und v.a. auch übersehen. Großes Rätselraten, gefolgt von Messungen rund um die Teile und intensives Anstarren des Schaltplanes

brachten dann die Lösung: irgendein Schaafseckel hat doch tatsächlich die Schaltung zur lautstärkeabhängigen Klangregelung entfernt. (R43, 44, 49, C79) Gott sei dank nicht ganz, R49 und C79 steckten, einseitig am Poti angelötet, eben in jenem gelben Schlauch, sodass ich das, nach Bestätigung eines Kumpels mit Ahnung, alles wieder rekonstruieren konnte. Seit heute 0.37 Uhr klingt die Philetta nun wieder original
So:
jetzt bin ich mal gespannt auf eure Manöverkritik. Und spätestens jetzt brauche ich auch eure aktive Hilfe...

denn was jetzt noch bleibt, ist ein Nachregeln des Senders nach dem Einschalten, ein Wackelkontakt an der UKW-Taste und v.a. heftiges Knacken wenn ich die Röhren bewege. Sind da womöglich die Sockel ausgeleiert? Die EL95 und die ECH81 sind „neu“ und Stifte an den anderen Röhren habe ich mit Kontakt 60 und einer alten elektrischen Zahnbürste gereinigt.
Danke fürs durchhalten
schöne grüße
Andi