Die Ausgangslage
Der arme Stassi stand bei mir schon einige Jahre herum, hatte ihn immer wieder beiseite geschoben, was er wirklich nicht verdient hatte.
Angeregt durch edis Bericht http://www.dampfradioforum.de/viewtopic ... +47#p88792 habe ich ihn nun einer Verjüngungskur unterzogen.
Das Gehäuse mit einem rissigen gealterten Lack mit vielen Fehlstellen, einigen kleinen Furnierschäden, Schwundspalte an Fügestellen, und einem Riß unten am Geräteboden. Zum Glück keine tiefen Kratzer oder Dellen im Furnier und auch kein Wurmbefall. Das Chassis in hervorragendem Zustand, keinerlei Rost und völlig original, Lautsprecher ebenfalls gut. Knöpfe komplett. Rückwand vorhanden. Keine schlechte Basis.

Auf dem Bild hatten schon Kratzversuche mit Ziehklinge usw. und Tests mit Leinölgrundierung und Lack stattgefunden
Die Vorbereitungen
Hier nur das, was für den 47 zutrifft. Nach Demontage der Schallwand ein erleichtertes Aufatmen. Die 3 Zierleisten liegen unten auf dem Gehäuse auf und sind von innen verschraubt. Oben gibt es eine Zapfen - Schlitz - Verbindung. Offenbar ist diese Verbindung nur durch einen dünnen Nagel gesichert, Leimreste habe ich nicht festgestellt. Kennzeichnung min. einer der äußeren Leisten ist ratsam. Unter den Leisten und unter dem Stassfurt Schriftzug offenbart sich die Decklackierung im Originalzustand, seidenglänzend, schokoladenbraun und fast deckend. Decklackierung darf man hier wörtlich nehmen, dazu später mehr. An meinem Modell sind die Knöpfe gesteckt, werden durch Federplättchen auf der abgeflachten Welle gehalten. Ich habe das Modell auch schon ohne Doppelknopf rechts gesehen (EIN - AUS Lautstärke und Tonblende)

Knöpfe sind gesteckt, Federn sind alle schlapp geworden

Leisten können nach Lösen der Schrauben und Nägel abgenommen werden
Gehäuse bearbeiten
Es gibt hier im Forum und bei RMORG hervorragende Schritt - für - Schritt Anleitungen. Hier nur ergänzend ein paar Hinweise die speziell den Stassi 47 betreffen und einige abweichende Vorgehensweisen.
Die meiste Arbeit beim Schleifen machen die quer furnierten Leisten und die Laibungen vom Skalen - und Lautsprecherfenster.
Ansonsten ergab die Daumennagelprobe, dass ich mit diesem Gehäuse leichtes Spiel haben würde. Für das Gröbste habe ich einen hochtourigen (25000 Schwingungen) Deltaschleifer eingesetzt. Nach je 1 1/2 Doppelhüben pro Bahn war der Lack fast ab. Den letzten Rest Altlack habe ich mit einem Handbrettschleifer mit Gitterschleifblatt erledigt. (Ursprünglich für das Einebenen von Gipsnähten gedacht)
Achtung, vorher prüfen, ob die Flächen eben sind, sonst kann man an hochstehenden Rändern schnell das Furnier durchschleifen. An der Vorderfront ist das Holz innen dünner gefräst damit das Chassis näher heranrücken kann. Durch diese Schwächung hat sich an meinem Gehäuse vorn außen eine Mulde gebildet.
Sobald es ging, bin ich aber zu weniger brachialen Schleiftechniken zurückgekehrt. Der reine Holzschleifstaub wurde eingesammelt. Unter Umständen kann man ihn zum Einfärben von Holzkitt verwenden.

Multi - Deltaschleifer und Schleifbrett

Die eingesetzten Materialien
Nun folgen die Ausbesserungsarbeiten
Das Gehäuse war an der Unterseite direkt neben der schreinermäßigen Verbindung zw. Seitenwand und Grundplatte gerissen. War schnell erledigt, da ja nur frisches Holz ohne Leimreste geklebt werden musste.
Zwei kleine Furnieranbplatzungen an den hinteren Ecken und Schwund - oder Verarbeitungsspalte zwischen der Frontplatte und den Seitenteilen galt es auszubessern. Eine Ecke neu anmodellieren ist nicht so einfach, ihr fehlt oft der Halt.
Die Spalte waren schnell gefüllt. Eingesetzt habe ich Clou Holzkitt aus der Dose.
Zunächst wurde an den reichlich vorhandenen Dellen und Spalten der Gehäuseunterseite geübt. Fazit: die Füllmasse mit der Bezeichnung Nussbaum ist im getrockneten Zustand viel zu hell. Beize nimmt sie dann auch kaum noch an. Der zuvor gesicherte Schleifstaub war auch zu hell. Einfärbungen mit Beize “Eiche dunkel” ebenfalls unbefriedigend. Ich bin dann noch mal zum Baumarkt und habe Holzkitt im Ton Eiche dunkel (sieht anthrazit bis schwarz aus) besorgt. Dieser Ton springt am wenigsten in´s Auge und ist als Ader ja auch in der Nussbaummaserung enthalten.
Der Decklack
Hier liegt der Grund für den jahrelangen Aufschub. Das ist nicht mein Ding.
Schumis Berichte über Hartölbehandlungen mit all seinen möglichen Rückschlägen haben mich in einer realen Selbsteinschätzung bezüglich Ausdauer, Talent und Geschick zu einem anderen Weg bewogen.
Meinen Funke W19 hatte ich mal mit einem Wunderlack aus dem Baumarkt (Hornbach) neu lackiert. Auf der Dose wurde versprochen, das Lackierergebnis am besten sogar mit Pinsel ausgeführt, sei von einer spritzlackierten Oberfläche nicht zu unterscheiden. Das kann ich bestätigen. Allerdings gibt es den Lack nicht mehr.
Verschiedene Experimente mit vorhandenen Klarlackresten, (Glasurit Unisiegel für Holfussböden, Bootslack, Hartöl für Arbeitsplatten usw. verliefen unbefriedigend.
Ich habe mich dann für das Produkt “Holz-Siegel” von Clou entschieden. Es soll anfangs bis zu 20 % mit der zugeh. Verdünnung gestreckt werden.
Es gibt von Clou außer den Aqualacken auch noch das schon bek. Hartöl, Hartwachsöl, Yachtlack und Holzöl.
Der richtige Farbton
Bekanntermaßen wurden die Radiogehäuse aller Epochen dem jeweils vorherrschenden Möbelstil, den bevorzugten Holzarten, Farbnuancen und Glanzgraden angepasst. Bei Geräten wie dem Schaub 229, dem Loewe Schlittschuh, dem AEG 77 und anderen, habe ich mich gefragt, warum derartig stark pigmentierte Decklacke aufgebracht wurden. Das mag mit o.g. Anpassungen zu tun haben. Hier im Forum habe ich erfahren, dass es einen weiteren Grund geben könnte. Bei der Auswahl der Furniere wurde nicht immer sorgfältig und symetrisch ausgesucht, sondern es wurde offenbar möglichst alles restlos verwendet,- gewissermaßen vom “laufenden Meter“.
Mein Stassi ist ein gutes Beispiel dafür. Das Furnier auf dem Oberboden ist wirklich nicht ansprechend schön, Oberseite links vorn eher knorpelig und an der Vorderfront wurde sogar ein Stück mit einer splintholzartigen hellen Verfärbung angesetzt, die ich mühsam beibeizen musste. Auf der rechten Seitenwange ist der Maserungsverlauf schräg verlaufend.
Dieser ökonomische Ausnutzungsgrad mag wohl auch dazu geführt haben, dass Radiogehäuse bis zur völligen Abdeckung der nat. Maserung decklackiert wurden.
Wenn wir über originalgetreues Restaurieren nachdenken, müßte man eigentlich zu dieser fast deckenden Lackierung zurückkehren. Ich habe das aber auch nicht umgesetzt. Werde mich aber dennoch mal beim Möbelschreiner umsehen, was es da so gibt. Die Clou Lacklasur wiederum, ist m.E. zu aufdringlich. Ich habe also lediglich mit Beize den im geschliffenen Zustand ziemlich unscheinbaren und blassen Nussbaumton angefeuert und nachgedunkelt.
Die Handlackierung
Eine waagerecht liegende Flächen lässt sich naturgemäß am besten lackieren. Es ist aber unbedingt zu raten, das Gehäuse pro Gang immer als Ganzes zu bearbeiten. Die Kanten werden ansatzfrei und Läufer können sofort beseitigt werden. Ich habe das Gehäuse über eine Bockkonstruktion gestülpt, so dass ich ohne den Kasten bewegen zu müssen drumherumlaufen konnte und die Rolle überall Platz hatte. Nach einem Rückschlag durch Staubflusenbefall habe ich fortan den Raum abends nass gewischt, morgens den Lack vorbereitet und nur zum Lackieren den Raum auf Zehenspitzen betreten.
Mit einer kurzhaarigen Plüschwalze (Mikro -Schaumstoffwalze geht auch) wurden 4 Schichten mit Zwischenschliff aufgetragen. Neben Schleifpapier wurde auch ein Schleifschwamm und ein Bündel Stahlwolle 00 am Stück eingesetzt.

Hier sieht man deutlich, wie wenig Sorgfalt bei der Furnierauswahl vorherrschte

Die Seitenwand hat sogar eine schräge Maserung erhalten!
Die Leisten
Die etwas aufdringlichen Zebrastreifen auf den Zierleisten waren mir immer ein Dorn im Auge und ich war fest entschlossen, sie einfach wegzuschleifen. Bei ersten Kratzproben hatte ich nämlich festgestellt, dass sie offenbar nur aufgemalt waren.
Nach dem endgültigen Abschleifen stellt sich heraus: sie sind überwiegend echte Maserung.
Wegen der Symetrie hat man einige Streifen durch Aufmalen hinzugefügt. Na dann soll es wohl so sein.
Ich habe einen alten kurzhaarig gewordenen Kunstmalerpinsel mit Beize getränkt, fast ganz ausgestrichen und dann durch lockeres Tupfen und Wedeln eine vorgetäuschte Farbader aufgehaucht. Letztendlich war es richtig, dem Original treu zu bleiben.

Die Leisten mit gelogenen Streifen, sieht man´s?

Alles wieder am Platz
Sonstige chirurgische und kosmetische Eingriffe
Die Gehäuseunterseite, die Grundplatte innen und die Ränder der Rückseite habe ich liebevoll mit Palisandser Zaunlasur gestrichen. Das Auge ist dankbar.

Natürlich auch hier unten keine Spaxschrauben.
Neue Filzgleiter, die Rundkopfnägel sind noch da, aber im Bild nicht zu sehen

Rückwand komplett mit allen Beschriftungen. Gehäuse schwarz gestrichen
Die fehlende Abdeckung der unterseitigen Reparaturöffnung wurde mit einer passend zugeschnittenen Lautsprecherrückwand verschlossen. Manchmal waren diese Deckel, egal ob gelocht oder geschlossen, mit Alufolie beklebt und an Masse angeschlossen. Ich habe aber diesbezüglich keine Feder oder ein herumhängendes Kabel entdeckt.
Der original Lautsprecherstoff war unbeschädigt und nur mäßig verschmutzt. Da er schön stramm saß und nur knapp um die Holzbrettkanten herumreichte, habe ich tunlichst nur eine bestmögliche Reinigung versucht. Zuerst mit dem Staubsauger (erstmal kleine Saugleistung) absaugen, dann mit Polsterschaum einsprühen und mit einem leicht feuchten Schwamm abtupfen. Mutig geworden habe ich auch eine angefeuchtete Haarbürste für Babys eingesetzt. Nach dem Trocknen nochmals Schaumreste abgesaugt. Von Fall zu Fall ist zu prüfen, ob lose eingewirkte Fäden verrubbelt oder zerstört werden könnten.
Die Rückwand war an den Kanten leicht ausgefranst, was sehr störend wegen der hellen Fasern der Presspappe in´s Auge springt. Die Kanten habe ich mit Schwamm und Beize gründlich eingenässt und wo nötig dann mit einem Hammer sorgfältig wieder flachgeklopft. Bei schweren Fällen kann man auch etwas Leim auftragen.
Die von Bananensteckern rund um die Buchsen zerkratzten Stellen habe ich ebenfalls großzügig mit Beize beschmiert. Anschließend noch mal die ganze Rückwand mit Renuwell einmassiert und drübergewischt. Beschädigte stellen halten die Einfärbung - von der lackierten Oberfäche geht alles wieder schön runter.
Die Gerätefüße sind Rundkopfnägel. (wie Polsternägel) Sehr unpraktisch. Hinterlassen auf jeder Tischfläche sofort Kratzer und Dellen. Da eh einer fehlte, habe ich Gerätefüße aus Kunststoff mit Filzeinsatz aufgeschraubt.
Die Gummistopfen für die Entkopplung und den Höhenausgleich des Chassis waren nat. knochenhart. Es gibt viele Möglichkeiten. Ich habe selbstklebende Filz-Stuhlgleiter verwendet.
Das Chassis,
war wie schon gesagt fast makellos. Ein paar Reinigungsmaßnahmen in den bekannten Schmuddelecken unter dem Trafo und rund um die Filter - das war´s.
Das Netzkabel, schon aus Gummi, musste erneuert werden. Bin sonst kein Perfektionist aber hier habe ich die unpassende blaue und hellbraune Ader wieder mit Schlauch überzogen, auch weil es original ebenso ausgeführt war.
Die Verdrahtung der Skalenlampen musste ebenfalls erneuert werden. Außerdem war an 2 von 3 Lampenhaltern die Pertinax Steckzunge abgebrochen. Ich habe im web Ersatz gefunden. (Wer braucht welche ? Siehe Foto)
Die Verdrahtung ist völlig original. Die Elkos habe ich 2 Stunden bei 300 Volt formiert, sie zeigten dann 9 statt 8 µF und 15,5 statt 15µF. Die beiden 0,1 µF entlang der Anodenwicklung habe ich mal abgetrennt und gemessen. Waren noch gut! Habe sie wegen der veralteten Bauweise dennoch vorsichtshalber erneuert.
Die 5 Stück 0,2 F und ein 0,5 µF im 2ten Becher waren ebenfalls noch gut. Bei Geräten ab ca 1935 überlege ich von Fall zu Fall, ob ich das mühsame Entleeren der Kondesatoren auf mich nehme. Ich bin da etwas gespalten und würde ggf. auch neue axiale Cs einbauen ggf. mit Schlauch überziehen.
Hier habe ich mich anders entschieden. Die NSF Rollkondensatoren (siehe Fotos) haben es verdient, erhalten zu bleiben. Sie sind an den Enden nach innen eingerollt und man erkennt dahinter eine Abdeckscheibe aus Pertinax. Zum Herausziehen der Wickel müsste man die Hülse an einem Ende glatt abschneiden. Im jetzigen Stadium scheinen die aber auch alle gut zu sein. Werde allenfalls neben den Koppelkondensator an Gitter Endröhre einen neuen einbauen. Die Widerstände sind alle von Siemens.

Chassis Frontansicht mit Seiltrieb. Links die Wellenbereichsanzeige

Vorbildlicher Chassisaufbau

Unterseite komplett und alles original; Kondensatoren alle von NSF, Widerst. von Siemens

Oft nicht mehr original vorhanden; EIN - Aus mit Lautstärke und Klangblende

Lampenhalter gebrochen, ein Glücksfall auf eb-Frankreich

Diese Kunstwerke bleiben natürlich drin

Stassi ist schon eine imposante Erscheinung, wie man sieht hat er auch seinen angemessenen Platz und Abstand beansprucht
Pleiten, Pech und Pannen
Beim Hin und Herschalten der Wellenbereiche ist promt das Seil für die Wellenbereichsanzeige gerissen. Wer einen Stassi 47, 48, 60 hat,- das Seil kann unbesorgt an allen Umlenkstellen geölt werden, es wird an der Schalterachse über einen Knoten gezogen und per Zugfeder wieder zurückgeholt, da is nix mit Friktion und so. Die linke Potiachse dient als Umlenkpunkt, dort ist es auch gerissen.
Das kunstvoll gebogene Abdeckglas ist in Gummiprofilen gelagert und mit Spannschienen befestigt. Eine Gummischiene fehlte bereits. Ich habe zur weichen Lagerung selbstklebende Schaumstreifen verwendet. Trotz aller Sorgfalt ist mir beim Anziehen leider, leider das Glas zersprungen. Unverzeihlich! ((Edi, machst Du Deinen 47er eigentlich noch fertig


Geklebt habe ich es mit Sekundenkleber für Glas und zusätzlich die unsichtbaren Ränder mit Gewebeband umklebt.
Einer der Filterbecher war oben ziemlich verbeult. Ich wollte ihn abbauen und ausbeulen. Man sollte grundsätzlich diesen Sicherungslack aus den Langmuttern herausfuckeln. Sie haben dafür eigens eine Senkung. Ich habe das nicht gemacht und an der Stangenhalterung am oberen Ende ein Stück M3 Gewinde abgedreht. Das geht erst leicht schwer, aber dann immer leichter.


Ausbau der Stange erschien nach Lösen der unteren Mutter dennoch ohne Gewalt nicht möglich. Jetzt bloß nicht noch mehr verschlimmbessern! Habe eine etwas längere Rändelmutter von einem Detektor Terminal draufgedreht. Von oben hatte dann genau eine Schraube mit Scheibe Platz.
Beim Hantieren mit dem geschliffenen Gehäuse habe ich mir eine tiefe Delle in die Seitenwand gehauen. Hier oder im RMORG gibt es eine verblüffende Wässerungs - und Bügelmethode. Um es kurz zu machen, das hat einwandfrei funktioniert.


Wie geht es weiter?
Der Patient kann sich erstmal wieder sehen lassen. Für die Überprüfung der Empfangsbereitschaft brauche ich Hilfe. Mit dem überprüften Netzteil habe normale Stromaufnahme und im Keller an 1 Meter Draht schon vielversprechendes, abstimmbares Rauschen vernommen.
Werde ggf. nochmal berichten.
Auf Anfrage sende ich gern Auskünfte, detaillierte Chassisfotos, Seilplan usw.
Reiner