Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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achim1
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Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von achim1 »

Die Frage mag provozierend klingen, ist aber durchaus ernst gemeint. Abgesehen davon, dass es für ein Radio schonender ist langsam hochgefahren zu werden, wie hoch ist der Sicherheitsaspekt zu werten? Wenn ich das Radio grundsätzlich "richtig" herum in die Steckdose stecke, bringt dann ein Trenntrafo während der Reparatur-und Testphase noch einen spürbaren Sicherheitsgewinn?
Ich denke gerade über die Anschaffung nach. Würde eine Ausführung mit 100 Watt nicht reichen? Die Radios nehmen doch kaum mehr als 50 Watt auf. Der Platz auf dem Arbeitstisch nist leider sehr knapp.

Gruß,
Achim
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Oldradio
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Oldradio »

Hallo

Ein Trenntrafo ist eines wenn nicht das Wichtigste Gerät bei der Radioreparatur,auch wenn du den Stecker richtig herum einsteckst,und beim Messen mal abrutscht oder ein Spannungsführendes Teil berührst, wirst du den unterschied ob mit oder ohne, Schmerzhaft und Spürbar merken.Sofern im Gerät kein Trenntrafo verbaut ist.
Gruß Helmut
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röhrenradiofreak
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von röhrenradiofreak »

Einen Trenntrafo sollte man insbesondere bei Arbeiten an nicht netzgetrennten Geräten benutzen. Dazu gehören die Allstromgeräte (die keinen Netztrafo haben), sowie Geräte mit Spartrafo (bei denen der Netztrafo in der Regel nur die Röhrenheizung speist, die Anodenspannung wird wie bei Allstromgeräten mittels Einweggleichrichtung direkt aus der Netzspannung gewonnen). Geräte mit Netztrennung sind weniger gefährlich, allerdings muss man berücksichtigen, dass auch in diesen Geräten meist netzspannungsführende Teile (Sicherungshalter, Netzspannungswähler, Anschlüsse des Netzschalters usw.) offen liegen.

Die Hauptgefahr bei Arbeiten an einem nicht netzgetrennten Gerät geht davon aus, dass das Chassis je nach Polung des Netzsteckers 230 V führt. Wenn man den Netzstecker "richtig herum" einsteckt, besteht diese Gefahr nicht.

Aber: Typischerweise zieht man den Netzstecker zwischendurch immer mal wieder, z.B. für Lötarbeiten. Da kann es durchaus passieren, dass man ihn irgendwann auch einmal "falsch herum" einsteckt.

Außerdem: Wenn das Chassis eines solchen Gerätes keine Spannung führt, weil es am Nulleiter liegt, führt die Anodenspannungsversorgung des Gerätes eine Gleichspannung von ungefähr 250 V gegen Erde. Das ist mindestens genauso gefährlich. Der einzige Unterschied zum Spannung führenden Chassis ist, dass es weniger Punkte sind, die gefährliche Spannung führen.

Ein weiteres Thema sind Messungen an solchen Geräten mit geerdeten Messgeräten, z.B. Oszilloskop. Dessen Messeingangs-Masse liegt am Schutzleiter. Verbindet man diesen mit dem Radiochassis, welches ja nicht am Schutzleiter, sondern am Nulleiter liegt, kann es passieren, dass der FI-Schalter auslöst - nämlich dann, wenn aufgrund der Erdungsverhältnisse eine ausreichende Spannung zwischen Null- und Schutzleiter liegt (was durchaus vorkommt).

Es gibt (größere) Radios, die ungefähr 100 W aufnehmen. Das ist die Wirkleistung, also der Anteil, der vom Stromzähler gezählt wird. Hinzu kommt eine Blindleistung, die zwar nicht auf der Stromrechnung erscheint, aber alle Übertragungselemente in der Stromversorgung auch belastet. Die Leistung von Trenntrafos wird daher nicht in W, sondern in VA angegeben, das ist die Scheinleistung, also die Summe aus Wirk- und Blindleistung. Außerdem ist beim Einschalten, wenn die Röhrenheizfäden noch kalt und die Siebelkos noch leer sind, die aufgenommene Leistung noch höher. Vor diesem Hintergrund halte ich 100 VA für etwas knapp.

Lutz
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radiobastler
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von radiobastler »

Gruß Stephan

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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Oldradio »

Gruß Helmut
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von röhrenradiofreak »

achim1 hat geschrieben:Der Platz auf dem Arbeitstisch nist leider sehr knapp.
Der Trenntrafo selbst muss ja nicht unbedingt auf dem Arbeitstisch stehen. Mein Stell-Trenntrafo (400 VA) steht auch unter dem Tisch.

Lutz
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Phalos Southpaw »

röhrenradiofreak hat geschrieben:
achim1 hat geschrieben:Der Platz auf dem Arbeitstisch nist leider sehr knapp.
Der Trenntrafo selbst muss ja nicht unbedingt auf dem Arbeitstisch stehen. Mein Stell-Trenntrafo (400 VA) steht auch unter dem Tisch.

Lutz
Da kann man dann auch prima seine Füße drauf ablegen, hihi.
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Otto
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Otto »

Vor allen Dingen im Winter, da bleiben die Füße schön warm. :jump:

Freundliche Grüße Otto
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von achim1 »

Danke für die Erklärungen, die Tipps und die links.
Danke vor allem an Dich, Lutz, das war sehr ausführlich.

Trotzdem noch eine Verständnisfrage. Auch mit Trenntrafo wird das Radio doch genauso mit 220V gespeist.
Seh ich das richtig, dass ich mit Trenntrafo nur dann eine gelangt bekomme, wenn ich beide Pole der Netzleitung berühre, ohne Trenntrafo aber immer dann, wenn ich die Phase berühre weil der Stromkreis dann direkt über Erde geschlossen wird.
Ist vielleicht ne dumme Frage, aber obwohl ich seit frühester Jugend Elektronik bastle, war mir das nie so richtig klar.
Warum kann man sich elektrisieren, wenn man die Phase berührt? Der Fußboden, die Schuhsohlen, das sind doch alles Materialien mit einem sehr hohen elektrischen Widerstand der bestimmt im Megaohmbereich liegen dürfte. Nun weiss ich, dass 5mA für den Menschen ungefährlich sind. Wenn die Schuhsohlen nur einen Widerstand von 100k haben, dann liegt doch der max. Strom der fließen kann bereits nur noch bei gut 2mA. Warum ist es dennoch gefährlich? Wo liegt mein Denkfehler?
Ein Schrumpfschlauch mit einer Wandstärke von vielleicht 0,2mm isoliert bereits perfekt, eine 10mm starke Specksohle aber nicht? Warum?

Und was ist mit dem FI? Der begrenzt den Strom der zwischen Phase und Erde fleißt doch auf 30mA, die angeblich immer noch für einige 1/10s vertragen werden. Eigentlich dürfte es da doch gar keine Stromunfälle mehr geben?

Versteht mich nicht falsch. Ich nehm das wirklich ernst. Als Jugendlicher bin ich beim Bau euiner Blitzanlage mal mit dem Unterarm an die Pole der Kondensatorbatterie gekommen. Die 600v haben mich so durchgebeutelt dass es Stunden gedauert hat bis ich wieder richtig klar war. Das möchte ich nicht mehr erleben und bin seither extrem vorsichtig.

Gruß,
Achim
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Oldradio »

Hallo Achim

Vielleicht hilft dir das weiter.

http://www.cusstr.ch/repository/91.pdf
Gruß Helmut
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von radiobastler »

Ob der Strom nur weh tut, oder ob es gefährlich wird hängt von der Einwirkzeit, vom weg den der Strom durch den Körper nimmt und der Stromstärke ab. Die Stromstärke hängt wiederum von der Spannung und von den Übergangswiderständen ab und hier liegt das Problem. Die Übergangswiderstände von einigen Materialien hängen von der Spannung ab. Auch Kunststoffe können dann leiten. Einige Autoreifen z.B. haben halbleitende Eigenschaften. Die Spannung muss nur hoch genug sei.
Gruß Stephan

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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von Vagabund »

Mich hat mal der Anodenstromkreis eines frei baumelnden MA erwischt, als ich nicht aufgepasst habe. Da half der Trenntrafo irgendwie auch net, wie ich dann spüren musste.
Danke Achim, daß Du das mal angesprochen hast, es ist auch eine Frage, die ich mir stelle. Beim Allstrom verstehe ich es ja noch besser.
Viele Grüße
Philipp

"Lohnt es sich denn?" fragt das Hirn. "Nein aber es tut so gut!" antwortet das Herz.
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von röhrenradiofreak »

Phalos Southpaw hat geschrieben:Da kann man dann auch prima seine Füße drauf ablegen, hihi.
Das ist ziemlich unbequem, da dessen Gehäuse sechseckig ist und sich obendrauf der große Einstellknopf, (nach Umbau) die Sekundär-Steckdose und die sonstigen Bedienelemente befinden.
http://www.radiomuseum.org/r/philips_re ... tt54r.html
Otto hat geschrieben:Vor allen Dingen im Winter, da bleiben die Füße schön warm.
Das eher auch nicht. Ich habe bisher keine nennenswerte Erwärmung festgestellt, habe ihn allerdings noch nie über längere Zeit hoch belastet.
Vagabund hat geschrieben:Mich hat mal der Anodenstromkreis eines frei baumelnden MA erwischt, als ich nicht aufgepasst habe. Da half der Trenntrafo irgendwie auch net, wie ich dann spüren musste.
Genau. Der Trenntrafo ist kein vollständiger Schutz gegen Unachtsamkeit. Denn er kann nicht verhindern, dass innerhalb eines Gerätes hohe Spannungen anliegen, die gefährlich sind, wenn man selbige und das Chassis gleichzeitig berührt. Man muss also beim Arbeiten an Röhrenradios und anderen Geräten, die hohe Spannungen führen, wissen, was man tut - egal, ob mit oder ohne Trenntrafo.

Lutz
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von achim1 »

Hab grade mal folgenden "Test" gemacht. Phasenprüfer in die Steckdose gesteckt - leuchtet wie erwartet.
Das Metallplättchen des Phasenprüfers mit einem Stück Plastiktüte isoliert - leuchtet nicht mehr, so weit so gut.
Die gleiche Plastiküte auf den Boden gelegt und mich draufgestellt. Phasenprüfer leuchtet wieder.
Warum? Wo liegt der Unterschied? Ich versteh es nicht.

Gruß,
Achim
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Re: Wozu braucht man einen Trenntrafo?

Beitrag von BugleBoy »

Ja, das ist Kapazitive Kopplung

Tüte + Lügenbeutel (Phasenprüfer) = wenig Fläche = wenig Kapazität = wenig Strom
Tüte + Schuh = viel Fläche................rest denkst du aus :-P

Grüss
Matt
すみません