Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

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Bosk Veld
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Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von Bosk Veld »

Hallo,

seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken darüber, wie man leuchtschwache magische Augen reparieren könnte. Die elektrischen Methoden, die hier im DRF diskutiert wurden, erfordern sehr viel Erfahrung - die ich leider nicht habe.

Vom Prinzip her ist die Reparatur ganz einfach: Die Leuchtschicht ist verbraucht, also muß sie erneuert werden. Fertig.

Das Willemit der frühen Magischen Augen leuchtete schön grün, verbrauchte sich aber schnell. Später wurde Zinkoxid beigemengt. Damit leuchteten die MA heller und bläulicher, und sie hielten viel länger.
Wie bekommt man nun neues Zinkoxid auf den Leuchtschirm und die Röhre schließlich wieder luftleer?

Bild

Ich habe es bei einer blinden EM85 so gemacht:
Als erstes putzte ich die Röhre blitzblank und trug dann mit einem No-Name-Dremel-Nachbau mit Schleifscheibe den Glaszapfen am oberen Ende vorsichtig ab. Dabei sollte ein möglichst kreisrundes Loch mit d = ca. 4 mm entstehen. Nach dem Scheifen sofort eventuellen Glas- und Schleifstaub rausschütteln.

Bild

Um das Zinkoxid auf den Leuchtschirm zu bekommen, benutzte ich einen Ölgeber. Soetwas habe ich mir mal zum Ölen unzugänglicher Stellen gebastelt (massiver Kupferdraht 1,5 mm², an einem Ende gebogen und geplättet). Ich baute natürlich einen Neuen und verbog ihn dann so, daß man damit durch die Öffnung hindurch die Leuchtfläche berühren konnte.

Zinkoxid ist ungiftig und wird unter anderem zur Behandlung von Wunden verwendet. Ich habe es als Spray gekauft. Man sprüht etwas davon z.B. in einen Plastikdeckel, tunkt den Ölgeber in die Pfütze und verteilt das Zeug auf der Leuchtfläche, bis sie komplett benetzt ist. Das ist eine Fummelarbeit; uffpasse, daß der Draht beim Rausziehen nicht irgendwo hängenbleibt!

Bild

Solange warten, bis alles trocken ist, ca. 30 Minuten.

Jetzt mußte die Röhre leergesaugt und abgedichtet werden.
Fürs Abdichten war der Hochtemperatur-Silikonkleber von Ceresit am besten geeignet. Er ist dauerelastisch und temperaturbeständig bis 315°C.
Nach einer nochmaligen intensiven Reinigung bestrich ich den "Kopf" der EM85 komplett mit Silikonkleber. Über dem Loch sollte die Silikonschicht mindestens 7 mm dick sein.

Das Ganze ließ ich drei Tage durchhärten. Dann nahm ich aus einem alten Ink-Jet-Refill-Set eine Plastikspritze 20ml mit sauberer (!) Kanüle mit d = 0,8 mm.
Ich drückte die Spritze ganz leer und stach sie senkrecht durch das Silikon mittig durch das darunterliegende Loch. Dann zog ich die Spritze ganz auf und zog sie sofort danach aus dem Silikon heraus. Durch den Unterdruck in der Röhre schließt sich das Loch im Silikon noch während des Rausziehens und dichtet ab. Ich drückte die Spritze wieder leer und wiederholte das Ganze mehrfach, bis der Druck in der Röhre niedrig genug war - immer darauf bedacht, dasselbe Loch im Silikon zu treffen, damit nichts ausfranst.

Der Druck in der Röhre sollte <= ca. 0,00001 mbar sein, besser eine 10er-Potenz geringer. Wie oft man dazu den obigen Vorgang wiederholen muß, läßt sich berechnen (ich liebe Textaufgaben :) ):

Zieldruck: 0,00001 mbar
Umgebungsdruck: 1013 mbar
Volumen der EM85: ca. 16 ml
Volumen der Spritze (am Anschlag): 24 ml

Bei jedem Zug verringert sich der Druck in der Röhre auf 40% des Anfangswertes (16ml / (16ml + 24ml)) .
Der Umgebungsdruck muß auf 1/10000000 reduziert werden (0,00001 mbar / 1013 mbar) .
ln (1/10000000) / ln 0,4 = 20,1 .
Aufgerundet also mindestens 21-mal ziehen; 25-mal ist besser. Das geht gegen Ende schön in die Arme.

Und was hat's gebracht? Seht selbst:

Bild

Langzeiterfahrungen habe ich damit noch nicht.

Gruß, Frank
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batsch
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von batsch »

Einmal im Jahr ist einfach Zeit für solche guten Reparaturtips.
Komisch daß das immer der 1. April ist....
Binser
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von Binser »

Ist das gei.... ähh... großartig! :mrgreen:

:danke:

Jörg
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von saarfranzose »

Genial! Hast du auch die bei Regenerierversuchen totgegrillten Heizfäden neu verknotet? Wenn das System schon offen ist..
Gruß,
Jupp
------------------------------
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von glaubnix »

Hallo Frank,

die Methode ist gut: "Wie hast du denn den neuen Leuchtstoffauftrag so schön gleichmässig verteilt bekommen?"

Nebenbei befremdet mich aber dein leichtfertiger Umgang mit dem wertvollen NOS-Vacuum. Ich hätte da den Vorschlag dieses in einer leeren N2O-Stahlpatrone, wie sie in Sahnesyphons verwendet werden, zwischzuspeichern - (Falls du das Lachgas nicht zur Sahnebereitung einsetzen möchtest, kannst du es auch Zwecks Blitzstart und Entleerung in deinen Vergaser pusten...)

Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg bei deinen Grundlagen-Forschungen.
...und glüht auch die Anode rot, ist die Röhre noch nicht tot.

Mit freundlichen Grüßen, Peter R.
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von volvofan58 »

Moin,

ich habe jetzt auch noch mal probiert, es gibt hier noch Verbesserungsbedarf.
saarfranzose hat geschrieben:Genial! Hast du auch die bei Regenerierversuchen totgegrillten Heizfäden neu verknotet? Wenn das System schon offen ist..
Hallo Jupp, was hast Du denn geraucht? Gerade Du solltest wissen, ein Knoten im Heizfaden geht garnicht, da kann der Strom ja nicht mehr durch :shock: Notfalls wird die halt indirekt beheizt (Gasbrenner).

Den Auftrag der neuen Leuchtschicht wie Frank es macht, finde ich nicht effektiv. Eine kleine passende Verlängerung auf einer Spritze geht deutlich schneller. Auch ist das Evakuieren der Röhre mit einer Spritze nur Quälerei, ich lasse evakuieren. Mit einem Lautsprecher ordentlicher Größe, welcher luftdicht in einer Gummiblase verpackt wird, ein bisserl Schlauch und zwei Ventile, macht das Radio das selber :)

Wie ich feststellen mußte, kann man je nach Musik das magische Auge sogar beinflussen!

Wird beim evakuieren ein Marsch gespielt, reagiert das Maggiauge knackig und zackig. Wird dabei Heino gespielt, bilden sich Pickel auf der Leuchtschicht und es kriegt nervöse Zuckungen, also genau so wie bei mir.

Defintiv der Oberburner in diesem Fall, Jon Lord Sarabande! Alles fluffig mit dezenten Übergängen, ich liebe es.

Beste Grüße
Peter
Röhre, du im Radio, nur dein Klang macht mich wirklich froh.
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von NordmendeFan »

Hmmmm,
das ist in der Tat eine absolut gei.. Sache, die du da gemacht hast!
Das muss man mit em 34, em 35, em 11 u.a auch mal versuchen!
Das würde Hunderte von Euros für neue Augen sparen!
Ich finds echt toll!

Gruß André :mauge: :mauge: :bier:
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von Bosk Veld »

Danke für Eure Verbesserungsvorschläge!
glaubnix hat geschrieben:Wie hast du denn den neuen Leuchtstoffauftrag so schön gleichmässig verteilt bekommen?
Das war gar nicht schwierig, die Flüssigkeit verteilt sich sofort. Die Oberfläche ist so rauh, daß sich gar nicht erst Tropfen bilden.
volvofan58 hat geschrieben:Eine kleine passende Verlängerung auf einer Spritze geht deutlich schneller.
Das werde ich vielleicht nochmal versuchen, aber ich als Grobmotoriker befürchtete, das Zinkoxid mit der Spritze nicht fein genug dosieren zu können.
saarfranzose hat geschrieben:Hast du auch die bei Regenerierversuchen totgegrillten Heizfäden neu verknotet?
Gute Idee! Dazu müßte man die Röhre an der Fassung aufmachen. Vielleicht ist aber Punktschweißen besser, dann ist der Heizfaden nicht so unter Zugspannung wie beim Kreuzknoten und hält länger.

André, you're welcome! 8_)

Gruß, Frank
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von Ebi96 »

Moin Frank,

Du bist ja echt schon kompliziert. Was hälst Du Dich an diesen "Allerwelts-Augen" auf?

Nimm AM2, EFM 11.. und dann schneid vorm Schirm ne "Scheibe" Glas ab, mach den Leuchtschirm neu, und mach das Ding dann wieder zu..

Ach, und damit das alles gut wird.. ich versuch Dir nen Eimer voll Vakuum zu organisieren.. :mrgreen:

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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von saarfranzose »

volvofan58 hat geschrieben: Hallo Jupp, was hast Du denn geraucht? Gerade Du solltest wissen, ein Knoten im Heizfaden geht garnicht, da kann der Strom ja nicht mehr durch :shock:
Normal nehme ich auch immer Lüsterklemmen, bei den kleineren Röhren kann es aber sein das der Deckel dann nicht mehr zugeht.

Mit dem neuen Vakuum hatte ich neulich Probleme weil sich die Atemluft in der Röhre niedergeschlagen hat (zu Mittag gab es Döner). Das Glas war dann von innen beschlagen.
Gruß,
Jupp
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von Dark Dragon »

Zum evakuieren die Röhren einfach beim nächsten Besuch zur ISS jemandem mitgeben.
Der hält sie dann mal kurz aus dem Fenster. Fast perfektes Vakuum.
Bischen Glaskleber ... feddisch.

Warum immer so einfach, wenn es auch kompliziert geht ? :mrgreen:
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Re: Reparatur/Aufbereitung einer EM85

Beitrag von ColonelHogan9162 »

EM34/35: Mit Diamantscheibe unten am Ende abtrennen und hinterher mit nem speziellen Glaskleber wie bei Bildröhren - Da sind ja auch Schirm und Tubus untrennbar verklebt - wieder zusammenkleben, müsste doch eigentlich auch gehen wenn man vorsichtig genug schneidet, damit das Glas nicht bricht
Nur muss man dann noch den Sockel ablöten um zum Evakuiren an den Absaugnippel zu kommen weil der ja unten sitzt
Und das Vakuum muss sehr gut werden, denn neu Gettern ist ja nicht drin
Wenn man sich das richtige Werkzeug besorgt bzw baut sollte das im Grunde möglich sein
Gruss
Andi
Was kann schöner sein auf Erden als von Röhren beschallt zu werden
Was kümmert es die stolze Eiche wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt

All that we see or seem is but a dream within a dream? E.A.Poe