Die Oldtimersaison geht bald wieder los... Vor ein paar Tagen brachte mir ein Bekannter ein Autoradio der französischen Marke Continental Edison mit der Bitte, es wieder zum Spielen zu bringen. Das Gerät ist schätzungsweise zwischen 1962 und 1965 gebaut und bei rm.org nicht gelistet. Hier ein Bild des Gerätes, das ich im Netz gefunden habe:
http://www.nuancierds.fr/technique/auto ... n%20ID.jpg
Ein Typschild ist nicht vorhanden. Die Typenbezeichnung unbekannt. Schaltplan besorgen, falls nötig, wird also schwierig.
Die Sichtprüfung ergab: Das Radio ist soweit komplett, bis auf den fehlenden Skalenzeiger und das fehlende Skalenseil. Darum werde ich mich später kümmern, erst mal soll es ein paar Töne von sich geben.
Erster Schritt: feststellen, für welche Spannung und Polarität das Radio gebaut ist. Ein Elko über der Betriebsspannung verrät, dass Minus an Masse liegt. Und die (mit Lack gesicherte, also wohl originale) Skalenlampe ist eine 12V-Ausführung. Für eine Betriebsspannung von 12V spricht auch die Nennspannung des erwähnten Elkos (16V).
Wegen einer sehr unsachgemäß angefrickelten Verkabelung kam die angelegte 12V-Spannung aber nicht bis ins Radio. Wie mache Leute Kabel verbinden, ist sehr kreativ. Das kann noch nie funktioniert haben, denn Tesafilm leitet keinen Strom.
Nachdem die Verkabelung in Ordnung gebracht war, tat sich immer noch nichts. Die Sicherung ist defekt. Sie besteht aus einem Pappstreifen mit zwei eingenieteten Lötösen, dazwischen gab es ursprünglich einen dünnen Draht, von dem nichts mehr da ist. Gut, auch das werde ich später erledigen.
Auch als ich die Betriebsspannung direkt am Einschalter angelegt hatte, zeigte das Radio noch keine Reaktion. Erst nachdem ich den Einschalter gängig gemacht hatte, war eine normale Stromaufnahme vorhanden, begleitet von lautem Krachen aus dem Lautsprecher. Das lag daran, dass der Lautstärkeregler und die Tastatur eine Reinigung dringend nötig hatten.
Danach funktionierte das NF-Teil (Endstufe mit 2 x OC26) auf Anhieb, aber Empfang war noch keiner vorhanden. Ein Transistor AF116 im Empfangsteil war defekt. Nach dessen Ersatz war Empfang auf allen Wellenbereichen (KW, MW und LW) da! Der erste Sender, den ich empfing, war Channel 292 auf 6070 kHz, mit der Wiederholung einer Sendung von Radio Northsea International von ungefähr 1970. Richtig stilecht für das Radio.
Nachdem ich ein Skalenseil aufgezogen, aus Draht und einem Stück roter Isolation einen Skalenzeiger gebastelt und mit Hilfe von Wärme den verzogenen Skalenhintergrund gerichtet hatte, zeigte sich, dass die Empfangsfrequenzen auf allen Wellenbereichen stark von der Anzeige der Skala abwichen. Ein kompletter Abgleich behob nicht nur das, sondern brachte außerdem eine erheblich bessere Empfindlichkeit und beseitigte die massive Eigenpfeifstelle, die dadurch entstand, dass der MW-Bereich am unteren Ende bis auf die ZF abstimmbar war, das kann natürlich nicht funktionieren. Kleine Besonderheit: auf Kurzwelle schwingt der Oszillator um die ZF unterhalb, nicht wie sonst üblich oberhalb der Empfangsfrequenz.
Das Lautstärkepoti kratzte immer noch etwas. Ein Tausch des Koppelelkos zur nächsten Stufe (3,2 µF) und der Einbau eines zusätzlichen Widerstandes zwischen Schleifer und Fußpunkt brachten Abhilfe.
Schade nur, dass man auf den AM-Bereichen kaum noch etwas sinnvolles empfangen kann (UKW hat dieses Radio nicht).
Lutz
Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60ern
-
- Geographik
- Beiträge: 10249
- Registriert: Do Dez 27, 2007 23:19
- Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
- Wohnort: östliches Niedersachsen
-
- Geographik
- Beiträge: 2531
- Registriert: Sa Feb 26, 2011 19:44
- Kenntnisstand: Elektrotechnischer Beruf/ Studium
- Wohnort: NRW
Re: Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60
Hi Lutz,
Danke für den Bericht.
Grüße
Oliver
Danke für den Bericht.
Grüße
Oliver
-
- Kuba Komet
- Beiträge: 1064
- Registriert: Do Dez 06, 2007 18:56
- Wohnort: bei Bern, Schweiz
Re: Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60
Hallo Lutz
Schöner Bericht - danke dafür. Hört sich nun ganz einfach an, wenn alle Fehler gefunden und beseitigt sind...... aber wir wissen ja, wie die Realität meist aussieht. Respekt, dass Du das hingekriegt hast.
Viele Grüsse, Walter
Schöner Bericht - danke dafür. Hört sich nun ganz einfach an, wenn alle Fehler gefunden und beseitigt sind...... aber wir wissen ja, wie die Realität meist aussieht. Respekt, dass Du das hingekriegt hast.
Viele Grüsse, Walter
-
- User gesperrt
- Beiträge: 5838
- Registriert: Do Mär 17, 2011 16:23
- Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**
Re: Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60
Moin Lutz,
schließe mich den Vorrednern an - besten Dank für diesen ausführlichen Bericht.
Wie es ausschaut, kämpfen wir gerade quasi an der gleichen Front, nur dass es bei mir ein Blaupunkt Frankfurt V von ca. 1965 ist...
schließe mich den Vorrednern an - besten Dank für diesen ausführlichen Bericht.
Wie es ausschaut, kämpfen wir gerade quasi an der gleichen Front, nur dass es bei mir ein Blaupunkt Frankfurt V von ca. 1965 ist...
-
- Kuba Komet
- Beiträge: 1687
- Registriert: So Okt 18, 2009 18:36
- Wohnort: bei Fulda
Re: Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60
Hallo zusammen und Danke an Lutz für die Reparaturbeschreibung zu diesem hierzulande seltenen Autoradio.
Das erinnert mich an den eigenen Lagerbestand an alten Autoradios (überwiegend Blaupunkt ab etwa 1965 ...). Müsste ich auch mal durchprüfen.
Generelle Frage zum Thema: kann man bei diesen Geräten mit oft jahrzehntelanger Lagerung ein "langsames Hochfahren" am regelbaren Transistornetzgerät riskieren ? Oder sind schon vorsorglich besser einige Elkos zu tauschen?
Das erinnert mich an den eigenen Lagerbestand an alten Autoradios (überwiegend Blaupunkt ab etwa 1965 ...). Müsste ich auch mal durchprüfen.
Generelle Frage zum Thema: kann man bei diesen Geräten mit oft jahrzehntelanger Lagerung ein "langsames Hochfahren" am regelbaren Transistornetzgerät riskieren ? Oder sind schon vorsorglich besser einige Elkos zu tauschen?
Viele Grüße
Frank
Frank
-
- Geographik
- Beiträge: 10249
- Registriert: Do Dez 27, 2007 23:19
- Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
- Wohnort: östliches Niedersachsen
Re: Wiederbelebung eines französischen Autoradios aus den 60
Danke für die Blumen. Leider habe ich, wie immer, nicht daran gedacht, Fotos zu machen.
Autoradios und batteriebetriebe Transistorradios schließe ich immer an ein Netzgerät mit einstellbarer Spannung, Strombegrenzung und Stromanzeige an und drehe die Spannung unter Beobachtung der Stromaufnahme langsam hoch. Negative Erfahrungen habe ich damit noch nicht gemacht. Ein- oder zweimal ist es bei Autoradios, die ich überholt habe, nachträglich zum Kurzschluss eines Elkos gekommen. Ich bin aber nicht der Meinung, dass das den pauschalen Austausch aller Elkos rechtfertigt, gefühlt sind in den meisten Radios mindestens 98 % aller Elkos in Ordnung. Ausnahmen bestätigen die Regel, zum Beispiel habe ich vor einiger Zeit alle Elkos in einem französischen Kofferradio aus den frühen 60er Jahren erneuern müssen, weil sie keine Kapazität mehr hatten.
Nachtrag zu dem französischen Autoradio: es hatte noch einen hartnäckigen Aussetzfehler, den ich zunächst nicht lokalisieren konnte. Beim Klopfen, Drücken oder Biegen an verschiedensten Stellen wurde der Empfang um mehrere 10 dB schlechter oder kam wieder. Nach einiger Suche fand ich im ZF-Teil einen Elko (mit durchsichtigem blauem Schrumpfschlauch, vermutlich von Philips), dessen Plusanschluss sich aus dem Gehäuse gelöst hatte. Nun spielt es wieder, wie es soll.
Lutz
Autoradios und batteriebetriebe Transistorradios schließe ich immer an ein Netzgerät mit einstellbarer Spannung, Strombegrenzung und Stromanzeige an und drehe die Spannung unter Beobachtung der Stromaufnahme langsam hoch. Negative Erfahrungen habe ich damit noch nicht gemacht. Ein- oder zweimal ist es bei Autoradios, die ich überholt habe, nachträglich zum Kurzschluss eines Elkos gekommen. Ich bin aber nicht der Meinung, dass das den pauschalen Austausch aller Elkos rechtfertigt, gefühlt sind in den meisten Radios mindestens 98 % aller Elkos in Ordnung. Ausnahmen bestätigen die Regel, zum Beispiel habe ich vor einiger Zeit alle Elkos in einem französischen Kofferradio aus den frühen 60er Jahren erneuern müssen, weil sie keine Kapazität mehr hatten.
Nachtrag zu dem französischen Autoradio: es hatte noch einen hartnäckigen Aussetzfehler, den ich zunächst nicht lokalisieren konnte. Beim Klopfen, Drücken oder Biegen an verschiedensten Stellen wurde der Empfang um mehrere 10 dB schlechter oder kam wieder. Nach einiger Suche fand ich im ZF-Teil einen Elko (mit durchsichtigem blauem Schrumpfschlauch, vermutlich von Philips), dessen Plusanschluss sich aus dem Gehäuse gelöst hatte. Nun spielt es wieder, wie es soll.
Lutz