eigentlich wollte ich schon vor Ewigkeiten aufhören neue Radios zu restaurieren, ihr kennt das aber sicher, irgendwann bekommt man Entzugserscheinungen.

Die letzten Flohmarktbesuche waren immer eher verwunderlich was manche Menschen alles versuchen zu verkaufen, von Röhrenradios keine Spur. Werden die seltener?

Und ich wollte ja nicht irgendwas sondern ein Gerät welches mir gefällt und das ich behalten möchte.
Mehr oder weniger aus Frust bin ich dann zu einem Trödelladen gefahren, manchmal hat man da glück und findet seltene Schätze. (mein Kiraco Amati ist von da z.B.)
Und ich wurde fündig. Das Loewe stand da unter einem Stapel anderer Geräte und "schaute" traurig daher, die Staubschicht verriet das es da schon länger stand. Geht ja garnicht! Dummerweise wollte der Händler 60€ dafür haben und meine Begleitung schaute schon ganz genervt. Also stehen lassen und nach hause gefahren.
Ziemlich genau eine halbe Stunde später stand ich alleine wieder im Laden und schaute mir das Gerät genauer an. Alles noch vorhanden, das Gerät ist im unterbastelten Originalzustand. Den UKW Tuner wollte jemand öffnen und verbog das Blech leicht, schlechtes Zeichen? mal sehen! Skalenseile sind gerissen. Nur das Gehäuse wird ein Problem, der Lack ist zu beschädigt zum erhalten.
Jeder Verhandlungsgrundlage beraubt (der Verkäufer wusste ja das ich extra deswegen nochmal hergefahren bin) habe ich es dann für die 60€ mitgenommen. Ich weiß, viel zu viel, aber ich wollte es unbedingt. Und mir war es das Wert.
Meine Idee ist nun, sofern es Euch interessiert, den Vorschritt am Gerät hier zu Dokumentieren. Falls kein Interesse an sowas besteht sagt bitte bescheid.
Was macht das Gerät für mich besonders? Zuerst stechen der große Frontlautsprecher und vorallem der "Schallkompressor", also der Hornlautsprecher ins Auge. Wenn man Graetz glauben darf führt die Akustische Verzögerung durch die Trichter zu einem sehr guten Raumfüllenden 3D Klang. Der Lautsprecher vor dem Horn ist ein Kalottenlautsprecher, dieser besteht nicht aus Papier sondern einem getränkten Stoff oder ähnlichem. Ich vermute mal die Hochtonwidergabe wird sehr gut sein, der kleine Bruder (Apollo 3761W) der sich in meinem Besitz befindet weiß schon zu gefallen.
Interessant fand ich aber auch das es sich um eine echte Gegentaktendstufe handelt. Komisch ist nur das man diese mit 2x ECL82 bestückt hatte, bedeutend mehr Leistung als mit 1x EL84 schafft man scheinbar nicht. Verkaufsargument? Der restliche Röhrensatz ist eher gewöhnlich, der Empfang wird wohl so gut wie bei diversen anderen Radios mit Standardröhrensatz der 50er sein.
Das Gerät war damals relativ teuer, etwa vergleichbar mit einem Sinfonia 522 oder Grundig 5077, also durchaus gehobene klasse.
Der Ausgangszustand, Staub, Staub und noch mehr Staub. Auf dem zweiten Bild sieht man den Aufgehebelten UKW Tuner, hoffentlich wartet da keine Überraschung.


Das Gerät ohne Skalenscheibe. Interessantes Detail, die Skalenzeiger sind beleuchtet. Die Taster sind eingeklebt, ich habe die Achsen leicht mit dem Lötkolben erwärmt bis der Kleber flüssig wurde und sich die Tasten beschädigugngsfrei abziehen lassen. Das klappt immer.

Unter dem Chassis ist es ziemlich aufgeräumt, viele der Kondensatoren sind keine Papierwickel mehr sondern hochwertige Styrofex. Ein paar EROs und 2 Malzbonbons, die Bestellung bei ATR ist schon raus. Ich habe extra die schwarzen Folienkondensatoren gekauft, die Fallen nicht so ins Auge und müssen meiner Meinung nach nicht getarnt werden. Der Siebelko ist exotischer, der hat 3x50µF und ist deshalb recht groß. Ich vertraue den alten Teilen nicht mehr, will aber wieder eine Optik haben die ähnlich zum Original ist. Elko abklemmen und 3 neue drunterbasteln sieht unschön aus meiner Meinung nach, ich habe mir einen neuen F&T von Jan Wuesten bestellt.

Auf den Bedienelementen und Zierleisten ist der Dreck der letzten 60 Jahre. Die wurden einfach mit in die Geschirrspülmaschine gepackt und sehen jetzt wieder aus wie neu. Selbst die Beschriftungen sind noch da. Chassis und Gehäuse wurden mit dem Staubsauger und Pinsel, anschließend mit Spüliwasser und Küchentüchern nachgereinigt. Jedes Staubkorn erwischt man nicht, allerdings ist es danach wieder sauber genug für dem Wohnraum. Die Kappen bei den Drehknöpfen fehlt, eventuell kann mir mein Großvater da mal wieder helfen und aus einem Messingstück die Blenden nachdrehen.
Ausgangszustand:

Das Gehäuse ist wie erwähnt schon ziemlich mitgenommen, man fühlt die Schäden im Lack sogar schon. Das Furnier ist zum glück unbeschädigt. Ich möchte mich nächste Woche nach Tischlereien umschauen, das Gehäuse soll am Schluss im perfektem Zustand sein. Selber neu lackieren ging schonmal schief, da möchte ich kein Risiko eingehen. Falls jemand im Raum Stuttgart einen Tipp hat wo man Gehäuse sauber lackieren lassen kann würde ich mich über eine Antwort freuen! Alternativ will ich es mit Schellackpolitur versuchen, der Aufwand ist zwar sehr hoch aber dafür kommt man ohne Sprühpistole zum perfekten Ergebnis. Leider wären die Goldstreifen dann weg.


Warum man 2 Furniere gerade an der Oberseite zusammenlegte weiß ich nicht, sieht nicht sehr schön aus. Kann mir nicht vorstellen das man das im Neuzustand so deutlich gesehen hatte?

Durch die Hitze der Glühlämpchen sind die Fassungen beschädigt, ich bastle mir etwas aus einer Halteklammer und einer Gummitülle. So ein glück habe ich ein Sortiment Tüllen letztens bei Polin bestellt, wenn man es nicht weiß fällt es auch nicht auf.

Wie gehts jetzt weiter?
Nächste Woche kommen hoffentlich die Bestellten Ersatzteile dann geht`s an die Kondikur, parallel lese ich mich in Schellackpolieren ein. Bei der Gelegenheit werden Glühlämpchen und Röhren gegen neue Ersetzt, der Originale Satz ist Reserve für die Zukunft. Die Endstufe macht mir ein wenig Sorgen, so wie ich da sehe müssen die Beiden Endröhren ähnliche Kennlinien haben damit die Ruheströme ungefähr gleich sind und die Verzerrungen minimal. Ich kann mir aber fast nicht vorstellen das Loewe die Röhren damals selektiert hatte?

Schönen Sonntag

lg,
Jan