TA-Eingangsübertrager für Allstromgeräte

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Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
cerker
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Re: TA-Eingangsübertrager für Allstromgeräte

Post by cerker »

Ich habe mir einmal ein paar Schaltpläne amerikanischer Allstromradios angesehen. Die meisten haben keinen Phono-Eingang. Die mit Phono-Eingang haben einen Eingangsübertrager zur Potentialtrennung. Radios mit Trennkondensatoren waren nicht dabei. Das hat aber nicht damit zu tun, dass das Chassis nicht netzverbunden ist, sondern man hat wohl der Lösung mit den Trennkondensatoren nicht getraut, vielleicht war sie auch nicht zulässig.


Hinzuzufügen ist, dass bei den europäischen Geräten oft nicht einmal Trennkondensatoren vorhanden waren, sondern einfach direkt verbunden wurde und eben der lapidare Hinweise "Verwendet nur Tonabnehmer nach DIN!" aufgedruckt wurde. Getrennt wurde nur an der Antenne, die ja häufig ein blanker Draht war der auch sehr leicht Erdschluss bekommen kann.
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radio-volker
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Re: TA-Eingangsübertrager für Allstromgeräte

Post by radio-volker »

Servus,
Was den TA Eingang betrifft hast du natürlich Recht. Schon die alte US Norm liess die Ankopplung mit Kondensatoren nicht zu, es musste ein Übertrager montiert werden. Ich habe hier ein uraltes US-Gerät von 1937, das hat sogar einen extra Übertrager im Gerät für den Kopfkissenlautsprecher (!!!) und einen Eingangsübertrager für den Plattenspieler, ausserdem natürlich den Übertrager für den Innenlautsprecher für die "superpotente" Endröhre 43.
Man war da schon 1937 wesentlich fortschrittlicher bei den Sicherheitsbestimmungen als in Europa.
Wohl auch deswegen, weil wenn ein Nachlasserbe klagte (wegen Stromschlagtodesfall), kostete das den Radioherstellern schon damals richtig Geld, also schlugen sie sich auf die sichere Seite. Ich habe hier ca. 150 US Radios. Bei den alten Batteriegeräten wie Atwater Kent big box 20 oder Typ 36 ist ja noch kein Allstrom, aber schon das Farmradio Modell 1929 von Continental hat den Massebus, genau das Jahr in dem diese Norm eingeführt wurde. Die Amis sparten schon sehr früh den teuren Netztrafo ein und schlugen sich auf die Seite der Allstromempfänger, deu wirst in Ami Geräten fast nur steckbare Drehknöpfe finden, ein Drehknopf mit Madenschraube war gefährlich und kostete mindestens das Doppelte. Wenn du die alten Schaltpläne mal studierst, wirst du auch feststellen, das die Antennenankopplung mit einer Extra-Eingangspule fast immer für galvanische Trennung vom Chassis/Massebus sorgte. Da konnte man die Wasserleitung unbesorgt als Erde benutzen, dann kamen die Rahmenantennen in der Rückwand und zum Schluss Anfang bis Ende der 40-iger Jahre je nach Hersteller schon die Ferritantennen, mal abgesehen vom FM Rundfunk am Ende der 30-iger Jahre, der aber in den USA lange Zeit, auch nach dem Kriege, keine grosse Verbreitung hatte, ausser einigen sehr lokalen Stationen. Standard in den Ami-Haushalten war der "all-americsn-five" mit total standardisierten Radioröhren (natürlich Allstrom), der stand in der Küche, in der Garage, im Badezimmer, im Schlafzimmer und mit Deckchen auch im Wohnzimmer über dem Fernseher. Alle 2 Monate gab es eine neue Geräteserie, die Dinger wurden in zig-Millionen produziert. Es gab sie sogar als Sparempfänger als "all-american four", man hörte eh nur die lokale oder regionale MW-Station, aber die 2 points für die Zivilschutz Frequenzen hatte sie alle per Gesetz. Mit dem Transistor, dem Dreibeiner ohne Heizung, war es denn schlagartig vorbei, in kürzester Zeit stellte die Industrie um und überschwemmte den Markt mit Transistorknätschen, Röhrenradios waren out, die ersten Netztransistorempfänger hatten nicht einmal einen kleinen Trafo drin, sondern nur einen Gleichrichter, sie wurden an die Hausklingel mit 6V-12V AC angeschlossen. Als ich in den 80-iger Jahren in den USA bei Boeing arbeitete, hatte die Hausfrau der Familie, bei der ich wohnte, noch so ein Gerät in der Küche von GE, das von der Klingelanlage versorgt wurde. Es gab da schon irrsinnige Lösungen. So gab es sogar Spargeräte, die aus der Telefonleitung versorgt wurden, wurden aber dann verboten.
Der grösste Hit waren die kleinen Empfänger, die ein Geiger Zählrohr montierten, damit man Radioaktivität messen konnte, wenn die "family" am Wochenende in die Berge fuhr, musste immer die "radioactivity" und der "fallout" gemessen werden. Die Amis erfanden schon früh immer neue Marketing Argumente, um den Absatz zu steigern. Die Radio Szene in den USA ist auch deswegen interessant, vom Kopfkissenlautsprecher bis zum eingebauten Geigerzähler fand man alles in Radiogeräten, aber wenn, dann bitte immer mit Trenntrafo.
Gruss aus Trient,
Volker
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röhrenradiofreak
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Re: TA-Eingangsübertrager für Allstromgeräte

Post by röhrenradiofreak »

cerker wrote:Hinzuzufügen ist, dass bei den europäischen Geräten oft nicht einmal Trennkondensatoren vorhanden waren, sondern einfach direkt verbunden wurde und eben der lapidare Hinweise "Verwendet nur Tonabnehmer nach DIN!" aufgedruckt wurde.

Mindestens der mittlere Anschluss der Tonabnehmerbuche war über einen Kondensator geführt. Anders wäre es für den Benutzer höchst lebensgefährlich gewesen, weil dieser Anschluss bei vielen Plattenspielern mit dem Chassis verbunden war. Die beiden äußeren, mit dem Tonabnehmersystem verbundenen, Anschlüsse waren nur bei einem Teil der Geräte mit Kondensatoren versehen. Bei den anderen wäre es nicht ratsam gewesen, den Tonarm im Bereich des Tonabnehmersystems an der Unterseite anzufassen, und den mitunter sehr zierlich ausgeführten Isolationen am NF-Kabel würde ich auch nicht trauen.

Wenn man den Schaltungsunterlagen glauben darf, gab es aber auch Geräte, bei denen der mittlere Pol (der in der Regel mit dem Plattenspielerchassis verbunden war) nicht getrennt war. Hier ein Ausschnitt aus dem Schaltplan eines Nordmende 350-10 GW von 1952:

Nordmende_350-10GW_Ausschnitt.JPG


Der folgende Ausschnitt zeigt, dass das ein klassisches Allstromgerät ist (ein Netzpol an Masse):

Nordmende_350-10GW_Ausschnitt2.JPG


Entweder ist das ein Druckfehler oder direkt lebensgefährlich.

Lutz
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Klarzeichner
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Re: TA-Eingangsübertrager für Allstromgeräte

Post by Klarzeichner »

Hallo Lutz,

ich glaube (und hoffe) an einen Druckfehler in deinem Nordmendeplan. Der mittlere Pin war ja immer die Chassismasse des Plattenspielers, das war auch in Bremen bekannt. Ein anderes Allstrom-Radio ohne Trennkondensator am Mittelpol ist mir nicht bekannt.

Die bei vielen Allstromradios netzverbundene Signalmasse war dagegen nach damaliger Auffassung an den damaligen Plattenspielern ausreichend gegen Berührung geschützt. Eine Auffassung, die wir heute nicht mehr teilen und ein Zustand, der bei jüngeren Plattenspielern ohnehin nicht mehr gegeben ist.

Gruß
Stefan