Siemens Schatulle M57!

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
Anderl355
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Siemens Schatulle M57!

Post by Anderl355 »

Hallo,

Ich habe hier eine Siemens Schatulle M57 und bin am überlegen, ob ich die Kondensatoren überhaupt auswechseln soll.Das Gerät funktioniert eigentlich ist aber etwas zu leise denke ich.Ich habe mal die Spannung direkt am + des Gleichrichters gemessen und messe da 269V.Laut Schaltbild sollten dort 282V sein.Das Gerät steht bei 220V.Wie ist da die Erfahrung bei den Schatullen?Was soll man unbedingt machen und was nicht.Das Gerät ist noch unverbastelt.Wer kann mir da durch seine Erfahrung was dazu sagen?

Gruß Andreas
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eabc
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by eabc »

Alle Radios aus den 50ern wurden mit Papierwickelkondensatoren vollgestopft und diese sind bzw. werden "Inkontinent", müssen deshalb ungeprüft ersetzt werden, auch wenn das Radio noch "Jodelt"
M.f.G.
harry

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Klarzeichner
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by Klarzeichner »

Hallo Andreas,

es stimmt schon, Radios der Zeit enthalten etliche Papierwickelkondensatoren, die im Alter Isolations- und damit Funktionsprobleme bekommen.

Das wirkt sich unterschiedlich aus, je nachdem, welche Funktion sie wo in der Schaltung ausüben.

Im einzelnen, mit absteigender Virulenz:

Einige dieser Kondensatoren stellen eine Gefahr dar hinsichtlich Brandgefahr und Berührungsschutz. Sie sind zwingend zu ersetzen.
Einige dieser Kondensatoren können bei Defekt Folgeschäden an anderen Bauteilen verursachen. Sie sind zu ersetzen.
Einige dieser Kondensatoren führen bei Defekt zum Ausfall der Gerätefunkion. Die sollte man ersetzen.
Einige dieser Kondensatoren führen bei fehlerhaftem Isol.-Widerstand dazu, dass das Gerät schlechter funktioniert (empfängt, klingt) als sonst. Diese sollte man ersetzen, "wenn's gut werden soll" um einen aktuellen Werbeslogan aufzugreifen.
Bei einigen dieser Kondensatoren bleibt ein schlechter Isol.-Widerstand ohne nennenswerte oder ganz ohne Folgen. Die kann man drin lassen, "darf" sie aber auch ersetzen, wenn man partout will. Geschmackssache.

Welcher Kond. zu welcher Kategorie gehört, weiß man, wenn man mit seinem individuellen Wissensstand die Schaltung überblickt und begreift.
Weiß man es nicht, fragt man in einem Forum wie diesem nach und wird detaillierte Antwort erhalten. So wie du hier, sobald du ein Schaltbild nachlieferst ;-). Ach ja, ein paar Schnappschüsse der Verdrahtung wären auch hilfreich, damit man schon optisch die (auch immer vorhandenen) UNkritischen Kond. gleich als solche identifizieren kannst.


Klar, man bekommt auch Antworten wie "müssen deshalb ungeprüft ersetzt werden..."

Du kannst jedenfalls letztlich dann selber entscheiden, wie weit du in deinen Siemens eingreifen willst. Nur so viel: Einfach so ohne jede Maßnahmen würde ich ihn nicht dauerhaft betreiben


Gruß
Stefan
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eabc
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by eabc »

Moin moin Stefan,
@... "müssen deshalb ungeprüft ersetzt werden..."

Was bitte ist daran falsch ????

Einem Laien bzw. einem Anfänger in unser Hobby ist immer anzuraten, grundsätzlich alle Papierwichelkondensatoren und Klein Elkos ungeprüft auszuwechseln.
Überlastungen der Anodenstromversorgung und der Röhren bzw. Trafos, sowie grobe Fehler in der HF und NF werden idR nur von wenigen der durchweg "Inkontinenten" Papierwickelkondensatoren verursacht.
In welcher Stufe aber diese Papierwickelkondensatoren stecken, entzieht sich diesem Personenkreis, deshalb nicht nur mein Rat: ALLE (PWK) RAUS
M.f.G.
harry

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radio-volker
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by radio-volker »

Servus,
Dem stimme ich zu, wer über wenig Erfahrungen/Kenntnisse verfügt oder keinen Monster Messpark auf der Werkbank stehen hat, sollte sich auf die sichere Seite schlagen und alle Papierwickel und Kleinelkos wechseln, um sich damit auch evt. Frusterlebnisse zu ersparen. Immerhin sprechen wir hier von Mehrkosten von wenigen Euros, die die zusätzlichen Kondensatoren kosten. Die Becherelkos kann man mit einigermassen Erfolgsaussichten rianimieren, aber ggf. ist immer Platz unter dem Chassis um dort neue HV Elkos problemlos zu verstecken.
Gruss aus Trient,
Volker
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hf500
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by hf500 »

Anderl355 wrote: messe da 269V.Laut Schaltbild sollten dort 282V sein
Moin,
bei den Kondensatoren bin ich auch der Meinung: Tauschen. Ein paar drinzulassen, lohnt nicht, so teuer sind die auch nicht.
Die gemessene Spannung deutet auf zwei Fehlermoeglichkeiten: Zu hohe Stromaufnahme, wobei wir dann wieder bei den Kondensatoren sind ;-) oder ein mueder Gleichrichter, der einen zu hohen Innenwiderstand entwickelt hat. Sieht man dann, wenn die Kondensatoren ok sind.
Oben steht, "zu leise", kein Brumm, was eher auf den Gleichrichter zeigt.

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Peter
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by rolando61 »

Moin

Unter dem Cassis, Netzeingang, am Spannungswähler sind zwei Kondensatoren 5 nF die würde ich wegen der Sicherheit ersatzlos ausbauen.
Gruß Roland
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Klarzeichner
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by Klarzeichner »

Hallo Harry,

ich habe mir erlaubt, eine etwas differenziertere Sicht der Dinge zu bringen. Vielleicht hat der Threadopener Andreas ja das Interesse, etwas in die Röhrenradio-Materie einzutauchen anstatt stumpf "alles rauszuschmeißen". Sollte er das wollen, bin ich gerne bereit, ihn durch seine Schatullenschaltung zu begleiten.

Beste Grüße
Stefan
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radio-volker
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by radio-volker »

rolando61 wrote:Moin

Unter dem Cassis, Netzeingang, am Spannungswähler sind zwei Kondensatoren 5 nF die würde ich wegen der Sicherheit ersatzlos ausbauen.
Servus,
Ich baue die grundsätzlich aus, da sie als Entstörung bei den heutigen mit HF und Schaltnetzteil nur noch sinusförmig ähnlichen verseuchten Netzen eh nicht mehr funktionieren.
Gruss aus Trient,
Volker
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hf500
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by hf500 »

Klarzeichner wrote: etwas in die Röhrenradio-Materie einzutauchen anstatt stumpf "alles rauszuschmeißen".
Moin,
"eintauchen" kann man auch, wenn man das Geraet kernsaniert und die hygroskopischen Papierwickel gegen Kunstfolienkondensatoren tauscht. Ein Verstaendnis fuer die Schaltungstechnik muss man ohnehin entwickeln, damit man das Geraet ueberpruefen und die Messergebnisse interpretieren kann. Nur muss es zunaechst betriebssicher sein.

Das Geraet wurde fuer eine Lebensdauer von etwa 10 Jahren ausgelegt. Mehr war unwirtschaftlich (*), spaetestens Ende der 60er hatten die Transistorisierung und andere Ansprueche diese Geraete ersetzt. Und jetzt ist das Radio etwa 61 Jahre alt. Die Papierkondensatoren ziehen auf jeden Fall aus der Luftfeuchtigkeit Wasser, selbst die kunsharzvergossenen Papierkondensatoren ( z.B. Eroid, Durolit). Die Wasseraufnahme verschlechtert den Isolationswiderstand und aendert die Kapazitaet (Wasser hat eine recht hohe Dielektrizitaetskonstante). Beides sorgt dafuer, dass das Ding nicht mehr so arbeiten kann, wie vorgesehen. Im Falle der Koppelkondensatoren im NF-Teil gefaehrdet es die Endroehren, die Entstoerkondensatoren, die gleicher Bauart waren, nur spannungsfester, u.U. das Leben des Benutzers. Also die Kondensatoren, die man auch Deiner Aussage nach unbedingt tauschen sollte. Dann kann man auch dabei bleiben und alle tauschen, denn juenger werden die verbliebenen auch nicht, besser schon gar nicht. Anzahl und Preise sind ueberschaubar, so dass man auch nicht arm daran wird.

Geeignetes Material gibt es z.B. hier:
https://atr-shop.de/axiale-kondensatore ... oleranz-5/

Die Papierkondensatoren sind im wesentlichen die lebensdauerbestimmenden Teile des Radios. Der Rest kann eher steinalt werden, die Roehren haben als Verschleissteil zu gelten, das ist eben so. Widerstaende sind zumeist unauffaellig, solange es nicht Massewiderstaende oder solche sind, die in der Belastung hoch ausgenutzt wurden.

edit:
(*) Bevor etwa Mitte der 60er Kunstfolienkondensatoren fuer allgemeine Anwendungen in Unterhaltungsgeraeten (wo sowas nicht teuer sein darf) verfuegbar waren, hatte man fuer UE-Geraete praktisch nur Papierwickelkondensatoren mit Wachs- oder Bitumenverguss oder so seltsamen Umhuellungen wie die beruehmten Wima "Backpflaumen" (Tropydur). Papierkondensatoren, die wirklich ueber jeden Zweifel erhaben waren/sind, waren hermetisch in Keramikrohre oder Weissblechgehaeuse eingeloetet. Das ging preislich nur fuer den kommerziellen Geraetebau, in UE-Geraeten fand man die selten, kam aber vor (Beschaffungslage?).
Fuer kleine Kapazitaeten bis etwa 5nF wurden idR. Styroflex- oder Keramikkondensatoren verwendet, die sehr selten defekt sind. Im HF-Teil, wo es drauf ankommt, mussten diese Typen ohnehin verwendet werden (Toleranz, Verlustarmut).

73
Peter
Last edited by hf500 on Fri May 18, 2018 23:03, edited 1 time in total.
Anderl355
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by Anderl355 »

Hallo,

Erstmal vielen Dank für die vielen Antworten und Tipps.Der Widerstand nach dem Gleichrichter(200Ohm) war optisch schon schwer mitgenommen und hatte ca.450Ohm.Den habe ich ersetzt durch einen 150Ohm und erhielt dann schon 260V (laut Schaltplan 268V). Messung nach dem 1Kohm Widerstand waren dann 226V messbar (laut Plan 227V).Dies war für mich der Punkt wo ich darauf verzichtet habe den Selen Brückengleichrichteer zu ersetzen.Die Umschaltung auf 250V Netzzspannung werde ich nicht machen,denn dann muß auch ein neuerer Gleichrichter rein der dann auch mehr Spannung bringt.Die Papierkondensatoren und die Axial Elkos werde ich erneuern.Die Becher Elkos werde ich mal nach messen aber bleiben mal vorerst.Die Heizspannung war bei 6,8v Aber da waren die 3 defekten Glühbirnen noch nicht ersetzt.Falls die Heitzung nicht runtergeht ,soll man da mit Widerständen auf 6,3V die Spannung verringern oder wie ist da die Vorgehensweise? Bin dann mal gespannt wie so eine M57 Schatulle klingt. Ich hoffe ich werde da nicht zu sehr enttäuscht.Was meint Ihr?

Gruß Andreas :)
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eabc
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by eabc »

Danke Peter, das du mir mit der Antwort auf Stefans letztem Beitrag zuvorgekommen bist, denn meine Antwort dazu wäre in etwa genauso ausgefallen. :super:
Somit gilt nach wie vor der Grundsatz, grundsätzlich alle Papierwickelkondensatoren ungeprüft zu wechseln, denn nur dann ist die Betriebssicherheit und Leistung wie in etwa dem damaligem Neuzustand des Gerätes zu erwarten.
M.f.G.
harry

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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by eabc »

Hallo Andreas,
zusätzliche Widerstände in einem Heizkreis der parallel betrieben wird, ist nicht zu empfehlen, da diese Widerstände ein recht hohe Leistung in Wärme umsetzen müssten, besser ist es, wenn keine höhere als die 220V Netzwahl am Netztrafo vorhanden ist, eine Leistungswiderstand vor dem Trafo Netzeingang zu löten.
M.f.G.
harry

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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by radio-volker »

Servus,
Der Einbau eines primären Widerstandes ist in jedem Falle vorzuziehen, so habe ich das bei meinem Verstärkerprojekt auch gemacht. Der Verstärker zieht ja richtig Saft und mit 47 Ohm im Primärkreis stellen sich die Heizspannung und die Ua wirklich perfekt ein, zudem schont es den Netztrafo, der jetzt wieder zwischen 221 und 223 V an der Primärwicklung arbeitet, dafür wurde er ja auch konstruiert.
Gruss aus Trient,
Volker
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Re: Siemens Schatulle M57!

Post by hf500 »

Anderl355 wrote:.Die Umschaltung auf 250V Netzzspannung werde ich nicht machen,denn dann muß auch ein neuerer Gleichrichter rein der dann auch mehr Spannung bringt.
Moin,
das Kriterium ist weniger die Anodenspannung, die natuerlich wenigstens die im Schaltbild angegebenen Werte haben sollte (wenn es 10-15V mehr werden, ist es auch nicht schlimm), sondern die Heizspannung, die 6,3V +-5% betraqgen _muss_. Der Netzspannngswaehler ist also so einzustellen, dass das bei der heutigen Netzspannung so nah wie moeglich erreicht wird. Die 250V (240V)-Stellung sollte daher zumindest ausprobiert werden, bevor man mit Vorwiderstaenden herangeht.

Mit einem Siliziumgleichrichter wird die Anodenspannung deutlich ansteigen, er hat einen wesentlich geringeren Spannungsverlust (ca. 1,4V) gegenueber einem Se-Glr. (20-30V), weil er einmal einen geringeren Innenwiderstand und dann nur jeweils zwei Dioden in Serie hat. Bei Se-Glrn. liegen wegen der geringen Sperrfestigkeit einer Zelle (ca. 20V) in jedem Zweig soviele Zellen in Serie, dass ueber jedem Zweig des Brueckengleichrichters eine Sperrfestigkeit von etwa 300-350V erreicht wird. Bedeutet, dass im Durchlassbereich ueber jeder Zelle etwa 0,8-1V abfallen, bei gealterten Gleichrichtern mehr.
Bei Si-Gleichrichtern muss daher zwischen + Glr. und + Ladekondensator ein Widerstand eingesetzt werden, um die Anodenspannung einzustellen. Er kann wegen des impulsfoermigen Ladestromes in den Ladekondensator nicht einfach berechnet werden, sondern wird ausprobiert. Bei diesem Geraet Startwert 100 Ohm/9W.

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Peter