Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik für frühe Transistorgeräte bis in die 1970er Jahre.
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röhrenradiofreak
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Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Beitrag von röhrenradiofreak »

Ein Autoradio dieses Typs
https://www.radiomuseum.org/r/blaupunkt ... 31070.html
zeigte keine Funktion.

Zunächst fand ich eine weggebrannte Leiterbahn am Betriebsspannungseingang. Das hatte auch eine Ursache: Beide Endstufentransistoren hatten Kurzschluss. Zusätzlich war auch der Treibertransistor defekt.

Beim Austausch der Endstufentransistoren zerbröselte der Heißleiter, der am Kühlkörper angeklebt ist und zur Temperaturstabilisierung des Ruhestroms dient. Dafür hatte ich sogar (fast) passenden Ersatz.

Nach dem Erneuern aller dieser Bauteile funktionierte das Empfangsteil, aber Ton gab es immer noch nicht. Die Mittenspannung der Endstufe, die eigentlich die Hälfte der Betriebsspannung betragen sollte, lag fast auf Höhe der Betriebsspannung.

Das kann in dieser Schaltung verschiedene Ursachen haben:
Blaupunkt_Minden_NF.Teil.JPG
Testweise schloss ich Basis und Emitter des Treibertransistors V102 kurz. Dann müsste die Mittenspannung der Endstufe eigentlich auf einen Wert Nahe Null sinken. Stattdessen stieg diese aber noch geringfügig an!

Ursache war der C111, ein Styroflexkondensator. Dieser soll vermutlich hochfrequente Schwingungen des NF-Teils verhindern. Nach Ablöten dieses Kondensators funktionerte das NF-Teil.

Der Fehler, den dieser Kondensator hat, ist eigenartig. Ohmmeter und Kapazitätsmessgerät behaupten, er sei in Ordnung. Aber beim Anlegen einer Spannung ab 5-6V zeigt er plötzlich einen satten Kurzschluss, der dann auch mit dem Ohmmeter messbar ist. Nach einiger Zeit verschwindet der Kurzschluss von selbst.

Styroflexkondensatoren sind selten defekt. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist nicht der erste defekte Styroflexkondensator, den ich gefunden habe.

Lutz
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Zuletzt geändert von röhrenradiofreak am Sa Apr 03, 2021 16:07, insgesamt 1-mal geändert.
ELEK
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Re: Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Beitrag von ELEK »

... sehr interessant, Dankeschön für den tollen Bericht ! Spannungsabhängigen Kurzschluß hatte ich so noch nicht.

Gruß Ingo
Axel
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Re: Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Beitrag von Axel »

Hallo Lutz,
röhrenradiofreak hat geschrieben:Styroflexkondensatoren sind selten defekt. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist nicht der erste defekte Styroflexkondensator, den ich gefunden habe.
Kann ich bestätigen.
Ich hatte mal eine ähnliche Situation im NF-Teil meines EKV13 (https://www.radiomuseum.org/r/funkwe_koe_ekv_13.html).
In der DDR gab es ja mal Styroflexe, dessen Enden nicht verschweißt waren. Bei so einem Kandidaten hatte ich mal Funktion, mal nicht. Als ob ein Draht ab wäre.
Der Fehler ließ sich nicht durch wackeln oder so feststellen, mal war der Ton für Stunden da, mal für Stunden weg.

Da hatte ich damals auch lange herumlaboriert, bei solch' umfangreichen komerziellen Gerät vermutet man ja gleich sonstwas.
Schon allein den NF-Verstärker zu finden, ist ohne die zugehörige Dokumentation schwierig... :haeh:


Viele Grüße,

Axel :)
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radio-volker
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Re: Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Beitrag von radio-volker »

Servus,
Styroflex Kondensatoren sind entgegen der landlaeufigen Meinung keine heiligen Kuehe.
In Philips Stereo Decodern sind sie haeufig defekt und zwar immer die Beiden an den NF Ausgaengen.
Gruss aus Trient,
Volker
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ELEK
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Re: Gemeiner Fehler bei einem Autoradio Blaupunkt Minden

Beitrag von ELEK »

Nabend,

naja... heilige Kühe gibts eigentlich garnicht, jedes physikalische Konstrukt hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu versagen, siehe Badewannenkurve. Es gibt deshalb auch den Unterschied zwischen belastungsbedingtem und spontanem Ausfall, letzteres kann eben jederzeit ohne erkennbaren grund auftreten.

Fakt ist aber: Styroflex- bzw. allgemein Kunstfoliekondensatoren haben, abgesehen von gewissen Serien, eine außerordentlich niedrige Ausfallrate, erst Recht im Vergleich zu den Papierkondensatoren, die Problemkondensatoren darstellen (auch hier gibt es bad-ass-Ausnahmen, z.B. die im Keramikrohr eingelöteten Varianten)...
Wobei der Vergleich nicht fair ist, denn das Feuchtigkeitsziehen gibt es nur bei den Papierkondensatoren, bei Kunstfoliekondensatoren gibt es das Phänomen prinzipiell nicht.

An Netzeingängen versagen Kunstfoliekondensatoren aufgrund der Spannungsspitzen. Die Konstruktion verhindert dann eine Ausweitung des Fehlers zum Brand.

Was auch öfters auftritt, sind Unterbrechungen bei sehr kleinen Spannungen, hier kann sich eine Oxidschicht bilden, die den Kondensator zeitweilig unwirksam macht, bei Prüfung an höherer Spannung (einige Volt) geht er dann scheinbar wieder.

Gruß Ingo