neuzugang: philips capella bd700a

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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andreas1962
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neuzugang: philips capella bd700a

Beitrag von andreas1962 »

Moin,
heute Mittag brachte die Postbotin ein weiteres Radio: ein Philips Capella BD700A. Ein frühes High-End Gerät aus dem Jahr 1950: 14x Rimlock-Röhren, EM35 als magisches Auge, NF-Gegentakt Endstufe, UKW-Bereich bis 108 Mhz, getrennte AM- und FM-ZF-Verstärker. Mich interessiert es, dieses Radio nach der Reparatur im Vergleich mit dem Saba Meersburg W2 und der Graetz Belcanto 4R-Truhe zu hören.

Trotz der lausigen Verpackung (Umzugkarton mit geknüllten Werbeprospekten als Verpackung) kam das Radio hier soweit unbeschädigt an. Die Kratzer auf der Gehäuse-Oberseite sah ich bereits auf den Fotos des Anbieters. Die Skalenscheibe blieb heil, diese ist in der Gehäusefront angebracht, nicht auf dem Chassis.

Erste Feststellung nach dem Entfernen der Rückwand: hier wurde bereits repariert. An der Innenseite einer Seitenwand waren Abschnitte aus Röhrenfaltschachteln angebracht, fast alle Papierwickelkondensatoren wurden getauscht. Leider wurden viele der Wima-Klötze fliegend verdrahtet. Das werde ich ändern. In verschiedenen Reparaturberichten konnte ich nachlesen, dass auch die Widerstände gerne hochohmig werden.

Ich hängte den Skalenzeiger ab, löste die Befestigungsschrauben der Skalenlampen, der Bereichsanzeige und des magischen Auges. Die Lautsprecherzuleitung wurde abgelötet. Ich nahm die Bodenplatte ab und löste die Chassis-Befestigungsschrauben. Vorsichtig zog ich das Chassis heraus.

Die Röhren zog ich aus ihren Fassungen für einen späteren Check auf dem Röhrenprüfgerät. Die Röhrenpins waren recht sauber, nicht so oxidiert wie ich es sonst von lange in den Fassungen sitzenden Rimlockröhren kenne. Mit dem Ohmmeter checkte ich nach dem Schaltplan die Wicklungen von Netztrafo und Ausgangstrafo. Soweit ok.

Warum wurde bei den nachfolgenden Radiogeräten der UKW-Bereich bis 100Mhz eingeschränkt? In einer Funktechnik-Ausgabe aus dem Frühjahr 1950 wurde ein Frequenzbelegungsplan mit UKW-Rundfunkkanälen von 87,7 bis 100Mhz und einem Fernsehkanal von 100 bis 108 Mhz mit Schutzabstand aufgeführt.

In der Praxis wurde in Deutschland ja erst der VHF-Bereich 3 ab Ende 1952 genutzt, etwas später der Bereich 1 und zu Beginn der 60er Jahre die Bereiche 4 und 5 (UHF).

Hat jemand von Euch den Skalenseillaufplan und die Abgleich-Anleitung zu dem Philips-Radio? Der Bowdenzug für die Bereichs-Anzeige war wohl früh defekt, als Lagerung der Anzeigetrommel fand ich einen Nagel...

Update: die Röhren habe ich geprüft. Die NF-Vorröhre EF40 hat Heizfadenbruch. Passt zu der Aussage des Anbieters, dass kein Ton zu hören war. Eine der EL41 hat zu geringe Emission. Die EM35 zeigt eine brauchbare Leuchtstärke. Alle Röhren wurden im Laufe der bisherigen Betriebszeit getauscht, es waren keine originalen Valvo-Röhren verbaut. Ersatz für die EF40 und die EL41 habe ich vorhin herausgesucht.

Den Skalenseillaufplan und die Abgleichanleitung habe ich mittlerweile vom Radiomuseum.org heruntergeladen.

Fortsetzung folgt.


Viele Grüße


andreas
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andreas1962
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Re: neuzugang: philips capella bd700a

Beitrag von andreas1962 »

Moin,

die Reparatur des Philips Capella BD700A nimmt viel Zeit in Anspruch. Viele der Widerstände waren hochohmig geworden. Also erneuerte ich alle Widerstände. Die aufgefundenen Wima-Klötze waren
überwiegend mit falschen Kapazitätswerten verbaut… Also auch hier Austausch. So konnte ich auch diese komischen fliegenden Verdrahtungen korrigieren. Einen Teil des Klangregelnetzwerkes setzte ich auf eine kleine Lochrasterplatine und befestigte diese am Lautstärke-Doppelpoti.

Das Poti selbst war schwergängig. Mein Reparatur-Vorgänger sprühte es mit WD40 ein. Ich setzte erst den Heißluftföhn, dann Kontakt WL und 20x Wattestäbchen ein um die Pampe zu entfernen. Die Achse und das Lager wurden mit Feinöl eingerieben.

Die Elkos wiesen zu hohen Leckstrom auf. Als Ersatz nahm ich F&T-Elkos aus meinem Bestand. Der Minus-Pol des Siebelkos, der direkt an die AZ41 angeschlossen wird, liegt über einen 33 Ohm Widerstand an Masse. Da der neue Elko den Minuspol getrennt herausführt, konnte ich auf die Isolierscheibe verzichten. Ich lötete an jeden Elko im Netzteil einen 10µF Elko parallel an. Die beiden AZ41 „sehen“ also maximal 57µF als erste Sieb-Kapazität. In den Mittenabgriff der Anodenspannungswicklung schaltete ich eine Feinsicherung 200mA. Der Netztrafo selbst hat eine Thermo-Sicherung in der Primärwicklung. Wie diese sich bei einem Schluß oder Überlast in der Anodenspannungsversorgung verhält möchte ich nicht ausprobieren.

Jeder Bauteile-Tausch wurde mit Textmarker in der Stücklisten-Kopie und in der Schaltplan-Kopie eingetragen.

Das gereinigte Chassis wurde auch mit Feinöl eingerieben. Die Netzanschlußschnur mit dem optisch gar nicht passenden Schuko-Stecker wurde gegen einen optisch passenden Philips-Konturenstecker mit Anschlußschnur getauscht. Dieser stammt von einer zerlegten Philips-Philetta.

Die Röhren wurden eingesetzt. Vorsichtige Inbetriebnahme am Regeltrenntrafo mit Vorschaltlampe und Wattmeter. Nach einigen Betriebs-Intervallen über mehrere Stunden und Messungen dann Anschluß an die Netzspannung, hier 231V. Spannungswähler auf 245V, Heizspannung 6V, Anodenspannung 230V, Leistungsaufnahme 63 Watt.

Die NF-Wiedergabe einer am TA-Eingang angeschlossenen NF-Quelle ist sehr gut über meinen Testlautsprecher zu hören. Das Radio hat einen Klangregler und einen Klangschalter, der Klang ist gut anzuhören und bei Bedarf auch laut. Im Jahr 1950 eine Offenbarung gegenüber den bisher gehörten Tönen aus Volksempfänger und den ersten Nachkriegsradios.

Empfang in den AM-Bereichen ist gut. Aber das Radio hat keinen AM-Antennenanschluß. Der Eingangsübertrager für den UKW-Dipol wird mittig angezapft und zu den AM-Vorkreisen geführt. Hier verzichte ich auf einen Abgleich. Das magische Auge leuchtet doch etwas blass. Ich tauschte es gegen eine „rote“ gebrauchte Philips-Miniwatt EM34 aus meinem Bestand.

UKW-Empfang war nicht möglich. Die Abstimmung wurde auf die untere Bereichsgrenze eingestellt. Der Oszillator schwang, wie die Probe mit einem zweiten Radio auf meinem Arbeitstisch (Sony ICF-7600D) zeigte. Die Spannungsmessungen zeigten keine Auffälligkeiten. Ich speiste ein ZF-Signal von meinem Nordmende Messsender RPS378 ein und schloss ein Nixie-Röhren Multimeter (Heathkit IM-102) für die Kontrolle der Anzeigen-Spannung des magischen Auges an. Nix zu hören, keine Änderung der Anzeige-Spannung.

Ich stelle maximalen ZF-Pegel am Messsender ein. Interne Modulation mit 1KHz. Das Lautstärkepoti am Radio voll aufgezogen. Jetzt war sehr leise der 1KHz-Ton zu hören. Ich schaute mir die ZF-Filter an. Mein Vor-Reparatur hatte wohl einen Abgleich vorgenommen. Die Schlitze für den Abgleichschraubendreher waren staubfrei. Ich kramte mein Abgleichbesteck hervor. Vom letzten ZF-Filter beginnend drehte ich die Filterkerne auf maximale Lautstärke/Anzeigespannung, jeweils mit Pegel-Reduzierung am Messender.

Jetzt war UKW- Empfang möglich, leider nur zwei, drei leistungsstarke UKW-Sender. Ab ca. 95Mhz Empfangsfrequenz rissen die Oszillatorschwingungen ab.

Auflistung der dann durchgeführten Massnahmen: Ausbau Oszillator-Einheit, gründliche Reinigung des Drehkondensators und der Oszillatoreinheit, Kontrolle der Schwingkreiskondensatoren und der Trimmer (Werte waren i.O.). Wiedereinbau und Einbau mehrerer Abblockkondensatoren 4700pF in den Vorverstärker-, Oszillator- und ZF-Stufen. Nochmalige Kontrolle nach Schaltplan ob ein Schaltfehler oder Bestückung mit falschen Werten durchgeführt wurde.

Stand heute: Nach einem weiteren Abgleich ist der UKW-Tuner empfindlicher und die Oszillator-Schwingungen reissen bei Empfang über 105Mhz ab. Gerne könnt Ihr hier Vorschläge zur Fehlersuche/Fehlerbehebung geben.

An der Seilrolle für den Bowdenzug der Bereichs-Anzeige war der Mitnehmer-Haken abgerissen. Ich demontierte die Mechanik, entnahm die Seilrolle und bohrte ein Loch für eine M2-Schraube als neuer Mitnehmer für den Bowdenzug. Die gereinigte Mechanik setzte ich wieder zusammen.

Bei der Reinigung des Drehkondensators entfernte ich auch diese schwarze klebrige Pampe von der Seilscheibe. Genau solch eine Pampe bildeten die Überreste der Antriebsriemen in Philips Cassettenrecorder, Tonbandgeräte und Videorecorder der 1970er Jahre. Auch die Bowdenzüge und das Stahl-Skalenseil wurden gereinigt und mit Feinöl eingerieben. Die Abstimmung ist nun leichtgängiger.



Viele Grüße



andreas
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Re: neuzugang: philips capella bd700a

Beitrag von andreas1962 »

Moin,

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