http://www.radiomuseum.org/r/autophon_stmoritz_alt.html
Das Gehäuse brachte meine Frau zu dem Ausruf: "Oh, Nußbaum rustikal - paßt gut zu belgischen Möbeln !"
Hier sind mal zwei Bilder des Radios vor der Aufnahme in die Sammlung:


Bevor ich mit dem Gerät beginnen konnte, hatte ich per PN Kontakt mit unserem Schweizexperten Walter, er stellte mir freundlicherweise den Schaltplan zur Verfügung, der neben der schon beim Betrachten der rmorg-Seite bemerkten Gegentaktendstufe mit 2* EL42 (das ist wirklich exotisch) noch wenigstens ein sehr besonders auffälliges Detail offenbarte:

Ein geheizter Oszillator für KW ?! Und die Bedeutung des Schaltzeichens bei RV-896 ist mir auch nicht recht klar. Erläuterungen finden sich bei einem Vorgängermodell hier:
http://www.radiomuseum.org/forum/autoph ... eil.html#1
Das dient also der Frequenzstabilität und man darf man getrost sagen: Ziel erfüllt, das Gerät driftet 0,0.
Nun zunächst zum Innenleben, erst mal von vorne:

Die Kurzwellenlupe wird betätigt, indem man den rechten hinteren Knopf zieht, verdeckt vor den Augen des Bastlers vollzieht sich die Umschaltung innerhalb eines Messingzylinders mechanisch. Wie man da im Bedarfsfall ein neues Seil aufziehen sollte, ist mir schleierhaft.
Dann die Aufsicht:

Der überaus übersichtliche Aufbau ist gut zu erkennen, für ein Schweizer Gerät aber durchaus üblich, es ist inzwischen mein viertes.
Schließlich der Blick unter die Röcke:

Es wurden durchwegs Preßkohle-R´s verwendet, was mich bei dem Baujahr wundert. Der gemeinsame Kathoden-R der Endstufe hatte seinen Wert unzulässig verändert, er wurde durch ein solides Bauteil ausgetauscht, dito der früher schon erneuerte Sieb-R mit 1,5 K.
Vor der ersten ernsthaften Inbetriebnahme habe ich dann die Koppel-C´s der beiden Endröhren getauscht, auch den am Gitter der zweiten EAF42 habe ich erneuert, alle anderen blieben im Gerät.
Zunächst spielte das Gerät, es zeigte sich dann aber folgender Fehler: Aussetzen der NF, Glühen des Schirmgitterbleches in der einen EL42, die andere blieb dafür restlos kalt. Fehler war ein abgegammeltes Kabel an der Verbindung dieser zweiten Röhre zum AÜ. Da ich keine EL42 auf Lager habe, habe ich die beiden erstmal abgezogen und mich dann auf die Suche danach gemacht, nach etwas Fluchen war der Fehler schließlich gefunden und behoben. Denn erstmals wieder Betrieb im eigenen Gehäuse, dadurch wurde ein merkbarer Restbrumm deutlich, alsdann habe ich Lade- und Siebelko auch noch getauscht. Nun ist Ruhe im Karton...Pardon, im soliden Schweizer Gehäuse.
Das Radio ist so empfindlich, daß man die berüchtigte Laus husten hören kann, am Tag kann ich im Störnebel glatt 20 Stationen auf MW hören, auf LW ist jeder Kanal besetzt. Die Trennschärfe ist fünfstufig schaltbar, was beim Fischen im Trüben ungemein hilft.
Es ist dies eines der wenigen Radios, mit denen selbst mir als bekennendem UKW-Junkie AM mal Spaß macht, gerade auf LW. Und die Kurzwellenlupe ist sowas von nötig, sonst liegen die Stationen einfach zu dicht. Das Radio war mit 811 Fränklis auch nicht wirklich billig, aber man merkt, wofür die Entwickler das eingeplant haben. Mit Radios dieses Formates war die Entwicklung reiner AM-Geräte auf die Spitze getrieben und gleichzeitig beendet.
Eine Besonderheit bietet noch der Lautsprecher: seine Sicke ist aus einem transparenten Kunststoff, die Pappmemran ist mit deutlich sichtbaren Klebepunkten regelrecht "angepunktet". Sehr seltsam.
Eine für deutsche Verhältnisse ungewohnte Spezialität sind noch die in der Schweiz dieser Jahre durchaus üblichen gedrechselten Holzknöpfe, in die Messingbuchsen eingepreßt wurden, damit man sie wie üblich mittels Madenschrauben auf den Achsen befestigen konnte. Hier ist einer der Frontknöpfe noch mit einer Intarsie versehen, um damit die Stellung des Wellenbereichsschalter anzuzeigen. Irgendwie irre, dieser Aufwand. Und nur wenige Jahre kam auch in der Schweiz UKW auf und diese tollen Geräte waren damit fast obsolet. Allzu viel scheint mein Radio auch nicht gelaufen zu sein. Nur eine EAF42 war mal getauscht, die EM34 von Belvu ist hingegen noch ziemlich gut.
Na denn....ich möchte jedem Sammler, der noch kein Schweizer Radio hat, empfehlen, sich mal eines zuzulegen. Daran wird sichtbar, wie sich die Qualität gegenüber der deutschen Durchschnittsware noch steigern ließ. Mit diesen Geräten sind in puncto Solidität allenfalls die Rheingold-Geräte von Loewe-Opta Spezial zu vergleichen. Leider gibt es sie praktisch immer nur ohne UKW.
H.