Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

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Röhrig
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Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by Röhrig »

Hallo Freunde der glühenden Kathoden,
ich habe gerade für einen Ex-Arbeitkollegen eine Musica 617 wieder auf Vordermann gebracht. Nach Tausch von 3 Elkos ( neben Ratio- und Kathoden- auch der für Kompressor und Hochtöner ), 12 EROs sowie Skalenlampe und ECC83 spielt sie auch wieder wie sie soll.
Bis auf die Spiegelfrequenzen auf UKW. Wir haben hier in Kiel den recht beliebten Sender RSH / Radio Schleswig Holstein auf 102,4 MHz. Da nun die Musica die seltene ZF von 6,75 MHz hat, habe ich Empfang auf 102,4 minus 13,5 gleich 88,9 MHz. Nicht ganz so fett, aber brauchbar. Zwei andere Sender >100 MHz kommen auch noch rein, ebenfalls 13,5 MHz tiefer. Bei einer ZF von 10,7 MHz kann das ja nicht klappen.
Nun frage ich mich, ob der Vorkreis zu breitbandig ist. Der wird induktiv abgestimmt und der Seilzug dafür ist auch in Ordnung. Der soll doch eigentlich die Spiegelfrequenzen unterdrücken, oder ?

Hat jemand schon ähnliche Effekte gehabt ?

Gruß von der seit gestern frühlingshaften Förde

Kurt
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by rettigsmerb »

Jouuu - solche Effekte hat man nicht nur bei Empfängern des UKW-Unterhaltungsrundfunks, sondern auch bei Flugfunknavigationsempfängern gehabt. Für uns "Fußgänger" mag das ja ganz lustig sein, aber die "Kutscher" von Jumbos und Co fanden das weniger spaßig, wenn auf dem ILS plötzlich Musik zu hören war und der im Landemodus befindliche Autopilot im Takte derer wild herumzappelte. Daher wurden die Empfänger aufwändig nachgerüstet (ICAO Annex X), um die Spiegelfrequenzunterdrückung so drastisch zu verbessern, dass Signale aus dem UKW-Rundfunkband keinen Einfluss mehr haben.
hf500
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by hf500 »

Röhrig wrote: Nun frage ich mich, ob der Vorkreis zu breitbandig ist. Der wird induktiv abgestimmt und der Seilzug dafür ist auch in Ordnung. Der soll doch eigentlich die Spiegelfrequenzen unterdrücken, oder
Moin,
ja, den abstimmbaren Vorkreis hatten die Geraete mit 6,75MHz, um die Spiegelfrequenzsicherheit zu verbessern. Die niedrige ZF wurde bei einigen Geraeten wegen hoher Trennschaerfe und ZF-Verstaerkung verwendet, es ersparte den Einsatz einer zweiten ZF-Stufe, das war fuer Standardsuper nicht tragbar.
Auch mit der Abstimmung ist der Vorkreis immer noch recht breitbandig und auch noch umgehbar. Zumindest bei dem Mischteil, das ich irgendwo noch habe, ist die Vorkreisspule aussen am Mischteilgehaeuse angebracht. Kannst ja mal die Bandbreite/Wirkung des Kreises testen, indem du mal an dem Faden ziehst und damit den Vorkreis verstimmst.

6,75MHz war nicht sonderlich verbreitet, spontan fallen mir nur Geraete von Graetz und Saba ein.
Einige Blaupunkt-Autosuper (z.B. Frankfurt TR de Luxe) hatten auch 6,75MHz - in der 2. ZF, denn es waren Doppelsuper (10,7MHz und 6,75MHz). Man brauchte hohe Spiegelfrequenzfestiglkeit und hohe ZF-Leistung, konnte aus Platzmangel aber nur eine ZF-Stufe haben. Also hat die ECH81 auf UKW den zweiten Mischer gegeben.

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Peter
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by röhrenradiofreak »

Röhrig wrote:Der soll doch eigentlich die Spiegelfrequenzen unterdrücken, oder ?
Ja, wobei der Begriff "unterdrücken" missverstanden werden könnte, denn er suggeriert, das die Spiegelfrequenz vollständig ausgesperrt wird. Das kann aber so ein Schwingkreis nicht. Er dämpft sie nur um einige 10 dB, also wäre "dämpfen" oder "absenken" der passendere Ausdruck. Das Signal auf der Spiegelfrequenz muss nur stark genug sein, dann ist es auch zu empfangen - auch bei Geräten mit 10,7 MHz ZF. Auch diese haben einen abstimmbaren Vorkreis, ganz frühe UKW-Empfänger ausgenommen.

Das Doppelsuper-Konzept mit 10,7 und 6,7 MHz baute Blaupunkt auch in die ersten transistorisierten Geräte ein. Da wird der Beweggrund eher gewesen sein: hohe Verstärkung auf engstem Raum, ohne dass es zu Schwingneigung kommt.

Lutz
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Röhrig
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by Röhrig »

@Peter,

ja ich habe an dem Faden gezogen, die Auswirkung war eher marginal. Der Vorkreis ist also wirklich recht breitbandig, ist ja auch recht simpel gestrickt.

Egal, nun kann man eben auf einem Gerät, das nur bis 100 MHz geht, trotzdem 102,4 MHz empfangen. Mein Kollege wird's begrüßen. Ich hab noch eine Musica 817 stehen, die hat auch eine ZF von 6,75 MHz. Mal sehen, ob das da auch so ist. Scheint genau das gleiche UKW-Empfangsteil zu sein. Werde ich mir die Tage mal vornehmen.

Bis dahin Gruß von der heute leider ehrt bewölkten Förde

Kurt
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by glaubnix »

Hallo Kurt,

es gab bei Graetz nur einen Tuner mit 6,75MHz ZF-Ausgang, zumal die 6,75MHz nur in einer Gerätesaison aktuell war. Und dieser Tuner war ein Tuner aus dem Graetz-Regal, welcher nachträglich mit einem abstimmbaren Vorkreis, ausserhalb des UKW Kästchens, versehen wurde um etwas mehr Spiegelfrequenzsicherheit zu erzielen. Und weil der UKW-Bereich damals nur bis 100MHz ging ergaben sich bei 6,75MHz ZF keine wirklichen Probleme.

Bei Saba wurde das etwas sorgfältiger gehandhabt, dort war ab einem gewissen Baujahr grundsätzlich (egal ob 10,7MHz oder 6,75MHz ZF) ein abgestimmter Vorkreis üblich. Trotzdem ergeben sich heute selbst bei diesen Geräten mit 6,75MHz ZF Spiegelfrequenzprobleme, weil die Selektion wegen der endlichen Dämpfung der Vorkreise nicht ausreicht auch starke Sender "auszublenden".
...und glüht auch die Anode rot, ist die Röhre noch nicht tot.

Mit freundlichen Grüßen, Peter R.
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by hf500 »

Röhrig wrote:auch bei Geräten mit 10,7 MHz ZF. Auch diese haben einen abstimmbaren Vorkreis, ganz frühe UKW-Empfänger ausgenommen.

Moin,
leider nicht, ein abgestimmter Vorkreis war bei "Dampfradios" die Ausnahme (am ehesten bei den groesseren Saba zu finden). Es genuegte ein breitbandiger Vorkreis und nur der Zwischenkreis und natuerlich der Oszillator wurden abgestimmt. Dieses Konzept ist fuer die meisten Feld-Wald-und-Wiesen UKW-Empfaenger die Regel.

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Peter
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by röhrenradiofreak »

Ja ok, in der Regel erfüllt ein abgestimmter Zwischenkreis diese Aufgabe, aber die Wirkung ist letztlich fast die gleiche.

Nun habe ich mir den vollständigen Schaltplan des Graetz Musica 617 angesehen: das UKW-Teil hat sowohl den Vorkreis als auch einen Zwischenkreis, also zusammen mit dem Oszillatorkreis insgesamt drei abgestimmte Kreise. Da könnte man schon eine gute Selektion erwarten, aber nicht, wenn der Vorkreis so breitbandig ist wie beschrieben.

Könnte es vielleicht sein, dass der Zwischenkreis nicht korrekt abgeglichen ist? Das würde nämlich auch zu Lasten der Spiegelfrequenzselektion gehen.

Lutz
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by Klarzeichner »

Wie Peter schon gesagt hat: Der UKW-Bereich ging ja nur bis 100 MHz, oberhalb davon gab es keine Sender. Was hätte da damals stören sollen? Der mäßig wirksame Vorkreis war da schon mehr als ausreichend.

Gruß
Stefan
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by Röhrig »

Genau, und bei 10,7 MHz ZF ist auch heute bei einer Bandbreite von 88,75 bis 108, also knapp 20 MHz, nicht mit Problemen zu rechnen, jedenfalls nicht von Rundfunksendern.

Die Musica 817, die ich gerade auf dem Tisch hatte, hatte ebenfalls diesen Effekt, aber deutlich geringer, da war kein rauschfreier Empfang mehr möglich. Kann sein, dass die 617 nicht optimal abgeglichen war, aber der Kollege freut sich über die Möglichkeit, RSH zu hören...

Die UKW-Bausteine mit 6,75 MHz wurden übrigens von 1958 bis 1962 z.B. bei den Musicas 617, 817, 916 und 1016 benutzt, vorher und nachher wieder 10,7 MHz :
http://www.graetz-radio.de/musica_serie.htm

Edit "Habe gerade gesehen, ab 1962/63 ging der UKW-Bereich bis 104 MHz, das kann der Grund sein, warum sie wieder auf 10,7 MHz zurückgingen."

Gruß von der aprilwettermäßigen Förde

Kurt
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Re: Graetz Musica 617, die Gnade der niedrigen ZF

Post by röhrenradiofreak »

Das untere Ende des UKW-Bereiches liegt bei 87,5 MHz, der Frequenzbereich erstreckt sich somit über 20,5 MHz. Das reicht aber gerade noch aus, damit bei den Geräten mit ZF 10,7 MHz keine Spiegelfrequenzstörungen durch andere Rundfunksender auftreten können.

Lutz