Eine unerwartete Fehlerursache

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik für frühe Transistorgeräte bis in die 1970er Jahre.
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röhrenradiofreak
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Eine unerwartete Fehlerursache

Beitrag von röhrenradiofreak »

Ein Bekannter besitzt einen der letzten Mercedes /8. Darin eingebaut ist ein Autoradio, das zwar vom Baujahr her nicht ganz passt, aber mit Knöpfen und einer Blende versehen ist, die zum Armaturenbrett-Design passen.
https://www.radiomuseum.org/r/blaupunkt ... cr_su.html

Seit einiger Zeit funktionierte nur noch der Cassettenspieler, das Radio nicht mehr.
Also baute er das Radio aus und gab es einem Bekannten, der längere Zeit als Rundfunk- und Fernsehtechniker gearbeitet hat. Dieser konnte es nicht reparieren. Also brachte er es zu mir.

Wenn man das Gerät einschaltete, lief ständig der Motor des Cassettenteils. Auch NF-seitig war ständig die Cassettenabspielfunktion aktiv. Gut, dachte ich, der Umschalter Radio/Cassette wird nicht funktionieren. Aber dieser schaltete ordnungsgemäß.

Nun lud ich die entsprechenden Schaltplan-Seiten von rm.org herunter und startete die Suche an den Anschlüssen des Motors. Wie erwartet, lag ständig Spannung an. Bei diesem Gerät wird der Minuspol des Motors geschaltet, und zwar über ein Transistor-Array des Typs MC1416. Zwei dessen Transistorstufen sind zum Schalten des Motors parallel geschaltet. An diesen lag weder eingangs- noch ausgangsseitig Spannung an. Die Betriebsspannung für das IC war vorhanden. Also das IC defekt?

Das IC auszubauen, ist nicht so einfach. Das Radio ist zemlich vollgestopft, man muss etliche Teile demontieren. Außerdem habe ich dieses IC oder einen Vergleichstyp nicht da. Deshalb unterbrach ich erst einmal die Verbindung zu den Ausgöngen der beiden Schaltstufen...

... und der Fehler blieb! :haeh:

Laut Schaltplan hing ein Pol des Motors jetzt praktisch in der Luft, von ein paar hochohmigen Widerständen abgesehen. Er durfte also auf keinen Fall laufen.

Am Minuspol des Motors fand ich einen Masseschluss mit etwa 20 Ohm. Dieser war im Motor!

Also den Motor ausgebaut und zerlegt. Der eigentliche Motor befindet sich in einem zweiten Gehäuse, dazwischen sind Zwischenlagen aus Pappe und Gummi eingebaut. Das dient wohl zur Geräuschdämmung und/oder Entstörung.

Nun zeigte sich die Fehlerursache. Die Isolierung des Kabels, das in den Motor geht, war an der Einführung ins äußere Gehäuse schadhaft.

Nachdem ich das in Ordnung gebracht hatte, war der Masseschluss nicht mehr messbar. Aber nach Zusammenbau war er wieder da. :angry:

Also den Motor noch einmal ausgebaut und zerlegt. Die Isolierung des Kabels war noch in Ordnung. Aber zwischen dem Mimuspol und der Welle gab es eine Verbindung.

Den eigentlichen Motor zu zerlegen, ist schwierig, da seine Teile offensichtlich verpresst sind. Aber ob der Fehler überhaupt im Motor selbst liegt? Eigentlich müsste er durch die Zwischenlagen aus Pappe und Gummi gegen das Chassis isoliert sein.

War er aber nicht: wenn ich eine der drei Schrauben, die das äußere Gehäuse zusammenhalten, anzog, trat der Masseschluss auf. Sie musste wohl um einen kleinen Bruchteil eines mm zu lang sein.

Also habe ich die Schraube ganz minimal gekürzt. Nun ist der Masseschluss weg, und alle Funktionen des Radios wieder in Ordnung.

Die NF-Umschaltung zwischen Radio und Cassettenspieler efolgt auch vom Minuspol des Motors aus. Deshalb führte der Masseschluss dazu, dass nicht mehr von Cassette auf Radio umgeschaltet wurde.

Ich hätte nie damit gerechnet, dass ein Fehler im Motor des Cassettenteils dazu führt, dass zwar das Cassettenteil noch funktioniert, aber das Radio nicht.

Lutz
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eabc
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Re: Eine unerwartete Fehlerursache

Beitrag von eabc »

Lutz, als alter Hase auch in schwierigen Lagen kommst du im Bekanntheitsgrad mit den "Autodocktoren" aus dem VOX-Fernsehen gleich
M.f.G.
harry

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ELEK
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Re: Eine unerwartete Fehlerursache

Beitrag von ELEK »

...ja das ist wirklich kurios ! Hut ab, daß Du das bis zu Ende verfolgt hast, man ist ja bei bestimmten Sachen auch schnell am Aufgeben, weil Neues rel. einfach verfügbar ist.

Manchmal braucht man auch ein gewisses "Händchen", an der richtigen Stelle die richtige Entscheidung zu treffen, ich hab etliche Beispiele, wo das bei mir nicht funktioniert hat (positive gibts aber auch ^^).
Das ist auch von der Tagesstimmung...allg. Motivation abhängig ob man irgendwann sagt "Ich geb auf" und dann ist die Entscheidung gefällt. Oft hat es viel gebracht zu sagen "Schluß für heute", die ganze Schose erstmal in einen Karton und Wegpacken und dann nach einer gewissen Zeit nochmal nach dem Gerät sehen.

Gruß Ingo
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Bosk Veld
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Re: Eine unerwartete Fehlerursache

Beitrag von Bosk Veld »

Super gemacht!
Das sind so Erlebnisse, die einen an allem zweifeln lassen: Fehler gefunden, behoben, geprüft, und beim Zusammenbau entsteht dasselbe Fehlerbild wie vorher, nur wegen einer ganz anderen Ursache.

Gruß, Frank
Die nächsten Termine Versender von Elektronik und Dampfradiobedarf

Es muss nicht immer alles Sinn machen. Oft reicht es schon, wenn's Spaß macht.
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holger66
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Re: Eine unerwartete Fehlerursache

Beitrag von holger66 »

Tolle Beschreibung eines irrwitzigen Fehlers.
Glückwunsch, daß Du den gefunden hast.

H.
UKW: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.....