Carmen 55 Überholung

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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vespacla
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Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Guten Morgen zusammen,

ich bin stolzer Besitzer eines Nordmende Carmen 55, wozu ich hier im Forum schon einige Beiträge entdeckt habe. Ich nehme aufgrund der vorhandenen Stempel an, dass es Produktionsjahr so 1952 sein könnte.
Das Radio stand Jahrzehntelang unbenutzt im Schlafzimmer meiner Großmutter (also warm und trocken). Ich habe es dann vor Jahren angestellt aber eigentlich nie benutzt. Der Zustand ist, nachdem was ich hier so gelesen habe, mittelgut. Empfang bei MW, KW und LW besser als bei UKW, so dass hier nur die starken Sender gut empfangbar sind. Die Tasten geben beim betätigen laute Geräusche auf den Lautsprecher aus. Alles in allem ist es aber trotzdem benutzbar.

Echte Liebhaber müssen jetzt stark sein. Um das Radio überhaupt öfter zu benutzen hatte ich letztens die Idee aufgegriffen, es in seiner Funktion zu erweitern und habe kurzerhand zwei Platinen hinzugefügt mit denen es möglich ist, über Bluetooth Musik vom Handy abzuspielen. Ordentlich gesäubert habe ich es dabei natürlich auch. Meine Platine benutzt den Röhrenverstärker des Radios, die Originalfunktion bleibt erhalten. Den Trafo vom Radio benutze ich nicht, ich wollte die Originalelektronik nicht so stark verändern und es schien mir zu kompliziert. Insgesamt funktioniert das gut, die Tonqualität ist gut - dabei muss man natürlich bedenken, dass es Mono ist.

Nun lese ich aber dass man die alten Kondensatoren aus den 50igern pauschal austauschen sollte, weil sonst die Betriebsspannung der Röhren zu hoch sein könnte. Das Chassis ist jedenfalls stromfrei, das habe ich gemessen, dennoch gibt es auch hier Kondensatoren, die vielleicht ausgetauscht werden sollten ? Gibt es vielleicht eine Übersicht zum Radio Nordmende Carmen 55, welche Kondensatoren ich prioritär austauschen sollte, bevor ich es wieder benutze ?? Das würde die Sache deutlich erleichtern. Ein Schaltplan ist in gutem Zustand vorhanden, aber da müsste ich erstmal durchsteigen un dann weiss ich noch nicht welche Kondensatoren nun wichtiger auszutauschen sind.

Über Tips und Ratschläge freue ich mich.
Claudio
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von fritz52 »

Moin Claudio,
alle die Kondensatoren pauschal wechseln ist nicht nur übertrieben sondern auch teilweise falsch.
Gewechselt aber müssen nur die Kondensatoren, die aus einem Papierwickel bestehen, weil ja bekannterweise Papier hygroskopisch ist, besteht durch einen unkontrollierten Stromfluß eine sehr hohe Überlastungsgefahr, für die "Papierwickler" die direkt an der hohen Anodenspannung hängen und das sind idR nur wenige d.h. 2-5 Stck.

Da du aber schriebst, dass du den Netztrafo nicht nutzt, verbleibt die Frage, wie bestromst du dann die Röhren ?

Nach deiner Antwort dann geht's dann gerne weiter.
M. f. G.
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Guten Abend und ersteinmal vielen Dank für die Antwort,

die Röhren werden schon vom alten Trafo bestromt, der Verstärker bzw. das Radio funktionieren auch weiterhin.

Ich habe nur für meine eigene Bluetooth Platine einen kleinen getrennten Trafo genommen. Dieses ist mit dem Hauptschalter des Radio für Ein/Aus verbunden. Ich habe dafür nicht den Trafo des Radios mitnutzen wollen, aber dieser versorgt weiterhin die Röhren und die restliche Elektronik.

Freundliche Grüße,
Claudio
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von röhrenradiofreak »

Ein Kondensator sollte in diesem Radio unbedingt erneuert werden, weil er ernste Folgeschäden anrichten kann. Er hat im Schaltplan die Bezeichnung C83 und ist der sogenannte Koppelkondensator vor der Endstufenröhre. Wenn seine Isolation durch Feuchtigkeitsaufnahme schlecht geworden ist, überlastet das die Endstufenröhre, den Ausgangsübertrager und das Netzteil. Der Kondensator hat 10nF und eine Spannungsfestigkeit von 500V (als Ersatz reicht auch 400V). Du findest ihn unter dem Chassis im Bereich der Röhren EL84 und EABC80.

Es gibt noch mehr papierisolierte Kondensatoren in diesem Radio. Sie richten aber kein Unheil an, wenn sie defekt sind, sondern bewirken im schlimmsten Fall nur, dass das Radio nicht funktioniert. Ihr Ersatz verbessert oft den Klang und/oder den Empfang.

Das Krachen beim Umschalten der Wellenbereiche entsteht durch verschmutzte und/oder oxidierte Kontakte in der Tastatur. Aber bitte diese nicht gnadenlos mit Kontaktspray einsprühen. Entweder mit Oszillin T6 und dieses vor Inbetriebnahme verdunsten lassen, oder besser die Kontakte mechanisch reinigen. Da man bei diesem Radio schlecht daran kommt, ist das etwas mühselig. Wenn Du willst, kann ich eine Beschreibung posten.

Die 55 in der Typenbezeichnung des Radios steht für das Modelljahr 1955. Das Radio wurde von 1954 bis 1955 gebaut. Es gibt zwei Ausführungen: mit oder ohne zusätzliche seitliche Lautsprecher. Das Midell mit den seitlichen Lautsprechern hat die Bezeichnung Carmen 55/3DR.

Lutz
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Guten Tag,

ich habe es endlich geschafft, das Radio wieder zu öffnen und nach dem besagten Kondensator C83 zu suchen. Ich habe ihn gefunden.

Wichtigste Frage: Womit kann ich den Papierkondensator (0,01µF 500V) am Besten ersetzen ? Diesen würde ich mir dann extra besorgen.

Wenn die Kontakte ein wenig besser funktionieren würden wäre das auch nohh ein schöner Gewinn. Das Angebot, eine Beschreibung zu posten nehme ich sehr gerne an.

Vielen Dank

P.S. Ich habe mich übrigens geirrt: Die vorhandenen roten Stempel innen auf dem Holz haben das Datum 2 und 3 Juli 1954. Und es sind Unterschriften und ein Namensstempel vorhanden. Schon ein sonderbares Gefühl, der Arbeit mindestens eines anderen Menschen, der vielleicht nicht mehr lebt, so nah zu kommen. Das Radio ist definitiv ein Carmen 55.
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von fritz52 »

Die "Papierwickler" werden durch Folien oder Mehrschicht Kondensatoren ersetzt.

Erhältlich, u.a. hier : https://www.ebay.de/itm/294020368490?mkevt=1&mkcid=1&mkrid=707-53477-19255-0&campid=5338766899&toolid=20006&customid=752bcfb086cb06bf189b12b1284fc61e&_trkparms=ispr%3D1&amdata=enc%3A1tA1aXEsaQD6rhNazxQqM3g29&gad_source=1&gad_campaignid=20017232129

Neben der Kapazitätsangabe ist der Aufdruck der max. Betriebsspannung wichtig, der sollte dann als mind. Anforderung gelten. Im besagten Fall aber genügt auch ein Spannungsaufdruck von 400V
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von countryman »

Falls du kein Sortiment beschaffen möchtest kann ich atr-shop.de empfehlen.

Die Sache mit Stempel und Unterschrift ist wirklich nett, es war eben überwiegend Handarbeit und eine echte Person stand dafür gerade.
Ich hab noch einen Bauknecht Kühlschrank damit, läuft astrein. Wir haben den nur zu Parties im Gartenhaus in Betrieb, aber ich habe nicht das Gefühl es wäre ein Energiefresser. Muss mir mal den Spaß machen ein Messgerät dran zu hängen.
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von röhrenradiofreak »

vespacla hat geschrieben:Wenn die Kontakte ein wenig besser funktionieren würden wäre das auch nohh ein schöner Gewinn. Das Angebot, eine Beschreibung zu posten nehme ich sehr gerne an.
Die Anleitung habe ich schon mehrfach hier im Forum gepostet. Zuletzt hier, da ging es um ein Nordmende Carmen 59:
[lnk]https://www.dampfradioforum.de/viewtopic.php?f=2&t=34339[/lnk]

Lutz
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Guten Tag und Danke nochmal,

der Kondensator ist ausgetauscht ! :super:

Mir ist durch Messung aufgefallen, dass der Wert des alten Kondensators 0,015 µF statt 0,01µF misst. Der neue ist aber haarscharf 0,01µF.

Vielleicht tausche ich noch die restlichen Papierkondensatoren aus - teilweise habe ich aber nicht die exakten Werte. Hier würde ich die aufgedruckte Toleranz reinrechnen. Also konkret wenn ich einen Kondensator zu 0,05µF austauschen muss, diesen aber nicht besitze, sondern nur einen neuen Kondensator mit 0,047µF und der auch genau diesen Wert misst, dann sind das ja nur 6% Abweichung, also kann ich denn u.U. verbauen.

Ich bin ja eher der Digitaltechniker - Ist das oben richtig gedacht oder lege ich mir da ein Ei ?
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von fritz52 »

Als Ersatz der sogen. "Papierwickler" sind idT, die heute erhältlichen Werte aufzurunden, da auch die alten eine Toleranz bis zu 20 % zuließen.
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von röhrenradiofreak »

vespacla hat geschrieben: Sa Mai 17, 2025 14:05Mir ist durch Messung aufgefallen, dass der Wert des alten Kondensators 0,015 µF statt 0,01µF misst. Der neue ist aber haarscharf 0,01µF.
Die Kapazität hat sich nicht wesentlich erhöht. Vielmehr kommen die meisten Kapazitätsmessgeräte mit Kondensatoren mit schlechter Isolation nicht zurecht und zeigen dann mehr oder weniger erhöhte Werte an.

Wer's nicht glaubt, schalte einem einwandfreien Kondensator einen Widerstand mit ca. 1 M Ohm parallel, das simuliert eine schlechte isolation. Das Kapazitätsmessgerät wird nun eine höhere Kapazität anzeigen. Aber wo sollte diese herkommen? Der Widerstand hat keine nennenswerte Kapazität.

Außerdem wäre es an dieser Stelle egal, ob der Kondensator 10 nF, 15 nF, 20 nF oder 30 nF hat, an der Funktion des Radios würde man keinen Unterschied bemerken. Aber der Leckstrom durch die schlechte Isolation bewirkt eine Überlastung der Endstufenröhre EL84.

Auch bei den anderen papierisolierten Kondensaoren kommt es nicht auf die genaue Kapazität an. Deshalb kann man zum Beispiel statt 50 nF den heute genornten Wert 47 nF verbauen, statt 20 oder 25 nF nimmt man 22 nF und so weiter.

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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Vielen Dank nochmal an alle Poster hier, ihr habt mir sehr geholfen !

Natürlich habe ich dann auch nochmal eine Frage:
Ich tausche gerade alle Papierkondesatoren im Radio aus, so viele sind es gar nicht. Und das hat bislang auch gut geklappt. Nun bin ich aber gerade etwas ratlos:

Anscheinend habe ich einen Doppelkondensator Typ ERO mit zweimal 0,01µF. Er ist teilweise am Lautstärtkeregler angeschlossen und an einer Röhre. Außerdem scheint auch noch ein 10MOhm Widerstand dazwischen zu liegen, das hat mich etwas verwundert, den finde ich nämlich nirgends - ist der etwa im Kondesator eingebaut ?

Hier habe ich zwei Bilder dazu:
Hier sieht man den braun-gelben Kondesator zu 2x 0,01µF https://murena.io/s/ffYicg46ezft5RM
In der Schaltung ist das C77, C78 und R42 https://murena.io/s/twrY2RtGiwGGHSP

Die Frage ist, wie ersetze ich den ? Einfach zwei Kondesatoren und ein Widerstand ?
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von yehti »

Das Problem tritt häufiger auf.
Es ist übrigens EIN Kondensator kombiniert mit einem Widerstand.
Hier eine Anleitung:
viewtopic.php?f=5&t=30440
Gruß Gerrit
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von fritz52 »

Hallo Gerrit,
es ist nur ein Kondensator, der C77 mit 10 nF/ ab 63 V und der 10M/0,2W Widerstand, beides kurzschlussfrei in Schrumpfschlauch stecken, dann mittels Schaltdraht/Klingeldraht mit bis zu 10 Windungen umwickeln und wieder nen Schrumpfschlauch drüberziehen, diese Draht dann möglichst kurz und einseitig an Masse anlöten, den C und R dann wie im Plan anlöten.....fertsch.....
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Re: Carmen 55 Überholung

Beitrag von vespacla »

Ja, danke, das wollte ich gerade Fragen, es sind ja vier Anschlüsse, einer ist Masse. Welchen Zweck erfüllt sie eigentlich hier ? Abschirmung ?