Moin,
nach einer elektrischen Überholung ist bei einigen Geräten auch eine Überholung des Gehäuses notwendig. Bislang schliff ich dazu die Holzgehäuse ab und gab sie zum Tischler zum Lackieren oder ich versuchte selbst mit Klarlack zu lackieren. Jedoch waren meine Lackierversuche mit Klarlack aus dem Baumarkt meist wenig erfolgreich. Solange der Lack noch feucht war sah das jeweilige Gehäuse gut aus. Aber nach dem Antrocknen des Lacks war die Oberfläche uneben. Mehrmaliges Anschleifen und Nachlackieren zeigte kein besseres Ergebnis. Eine andere Lösung musste her.
Ich stellte mir eine Bearbeitung mit möglichst geruchsarmen und einfach zu verarbeitenden Mitteln vor. Auf der Suche danach las ich mir in verschiedenen Foren und im DRF die Berichte über die durchgeführten Lackierungen durch. Ich entschied mich für die Anwendung von Hartöl.
Ich besorgte mir das Hartöl der Firma Clou und einen Klingen-Set zum Abziehen der Firma Steinel. Als erstes zu behandelndes Objekt besorgte ich mir aus der kleinen Bucht für einen kleinen Betrag ein Nordmende Othello 53. Warum dieses Radiomodell?
Meine Großeltern besaßen solch ein Modell. Als 8-jähriger saß ich davor und rätselte über die Funktion der Ortssender-Taste. Einige Jahre später bekam ich es nach einem Defekt zum Basteln. Ich brachte es wieder zum Laufen. Leider war das Kunststoff-Zahnrad des Abstimm-Antriebs am Drehkondensator zerfallen und somit keine Abstimmung mit dem Bedienknopf an der Skalenscheibe möglich. Ich sägte ein Loch seitlich in das Gehäuse, bastelte eine Achsverlängerung auf die Drehkowelle und steckte von aussen einen Bedienkopf auf. Im Laufe der Jahre "verschwand" das Gehäuse und ich zerlegte für weitere Basteleien das Chassis.
Solch ein Modell sollte wieder in meine Sammlung. Vor ca. 10 Jahren nahm ich von einem Flohmarkt ein baugleiches Nordmende Othello mit. Das Innenleben wurde überholt (Papierwickelkondensatoren, Gleichrichter, Beleuchtung, einige Röhren, Mechanik, ZF-Abgleich usw.). Das Gehäuse hatte ich mit meiner oben geschilderten Klarlack-Methode behandelt.
Jetzt also baute ich das Chassis und die Schallwand aus meiner Neu-Erwerbung aus. Das Nordmende-Emblem war gesteckt, konnte also einfach abgenommen werden. Die umlaufende Messingzierleiste unten war bereits eingerissen und ein Teil fehlte. Ich schnitt mit einem Cuttermesser die restliche Zierleiste ab. Hier sollte später die Zierleiste vom anderen Gehäuse aufgebracht werden. Die Messingzierleisten rund um die Schallwand/Skalenscheibe wurden poliert.
Ich probierte die verschiedenen Ziehklingen aus, mit der Dreikant-Ziehklinge kam ich gut zurecht um den alten Lack bzw. dessen Reste zu entfernen. Danach schliff ich das Gehäuse mit 220er Schleifpapier auf einem Schleifkork per Hand ab. Nach dem Entstauben trug ich zuerst schwarzen Decklack auf die obere Gehäuse-Umrandung und dem Gehäuse-Rückenteil auf, wie damals ab Werk. Nach dem Eintrocknen meine allererste Anwendung von Hartöl. Ich strich es mit einem weichen Flachpinsel in Richtung der Maserung auf, drehte die jeweilige Gehäusehälfte waagerecht dazu. Nach ca. 20 Minuten nahm ich mit einem weichen Tuch als Ballen geformt das überschüssige Öl wieder ab. Das Tuch wurde danach in ein leeres Marmeladenglas gelegt und das Glas verschlossen. Ich ließ das Gehäuse 2 Tage trocknen und rieb es mit einem 000-Stahlwolle-Ballen ab. Danach der nächste Hartöl-Auftrag mit der gleichen Prozedur. Insgesamt führte ich 3x Hartöl-Auftrag durch. Die ganze Behandlung inklusive Trocknen führte ich im Carport durch, wegen der Belüftung und da das frisch aufgetragene Hartöl doch etwas riecht.
Die mittlerweile polierten Bedienknöpfe des Spenderchassis wurde auf das bereits reparierte Chassis gesetzt, weil genau diese Knopf-Ausführung am Radio meiner Großeltern vorhanden war. Nordmende hatte wohl je nach Liefersituation verschiedene Bedienknöpfe verbaut.
Bemerkenswert war der Chassis-Einbau in das aufbereitete Gehäuse. Die Skalenscheibe lag nicht bündig an, die obere Seite stieß an die Messzingzierleiste der Schallwand, die untere Seite hatte ca. 4mm Luft zur Tasten-Umrahmung. Bei früheren Reparaturen an anderen Radiogeräten konnte die Zierleiste zur Schallwand oder manchmal die Schallwand selbst etwas justiert/verschoben werden. Aber hier passte die Schallwand genau in die Schraub-Bolzen und die Zierleiste genau in den Aussparung am Gehäuse. Ich nahm die Gummi-Unterlegscheiben für das Chassis heraus. Erneute Sitzprobe. Auch nicht besser... Ich sah mir das Chassis nochmals an. Endlich fiel mir auf, dass die Skalenscheibenhalterungen links und rechts mit Langlöchern versehen waren. Damit konnte die Skalenscheibe selbst gekippt werden!
ich nahm eine Schmiege aus meinem Werkzeugbestand für mechanische Bearbeitung, stellte diese in das Gehäuse um den Winkel von der Grundplatte zur Tastenumrahmung/Auflage der Skalenscheibe/Zierleiste aufzunehmen und einzustellen. Die nun eingestellte Schmiege stellte ich an das auf Holzböcke erhöhte Chassis und siehe da: der Winkel zur Skalenscheibe passt so nicht. Ich löste die Schrauben der Halterungen und ich konnte jetzt die Scheibe auf den neuen, ermittelten Winkel einstellen. Dafür stießen jetzt die Anzeiger der Klangsteller an das obere Ende der Skalenscheibe. Aber auch hier hatten die Nordmende-Entwickler mitgedacht. Die Anzeiger konnten auf den Achsen verschoben werden. Und zudem waren Gummipuffer auf der Innenseite der Skalenscheibe geklebt um eine Reibung der Klangsteller-Anzeiger auf der Skalenscheibe zu verhindern.
Nun konnte das Chassis mit Gummi-Unterlegscheiben in das Gehäuse eingeschoben werden und die Skalenscheibe lag bündig "vorne" an.
Nach dem langen Text nun einige Fotos: Spendergehäuse, Gehäuse nach der Hartöl-Behandlung, Nordmende Othello komplett, "Nachtdesign".
Viele Grüße
andreas
meine erste anwendung von hartöl
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meine erste anwendung von hartöl
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Re: meine erste anwendung von hartöl
Hier muss ich mich einfach melden.
Warum?
Ich bin der Unhold der damals vor fast 20 Jahren sich das "Lackieren" mit Hartöl ausgedacht hatte.
Zu der Zeit noch im alten "Löwen-Forum". Kinder wie die Zeit vergeht.
Was bei Deinen Bildern schön rauskommt, ist das anfeuern der Maserung des Furniers. Das sieht nach dem Auftrag von Hartöl in der Regel besser aus, als ab Werk.
Meine ersten Geräte habe ich bis zu 6x mit Öl behandelt. Das hatte rückblickend den Nachteil, das sie leicht klebrig blieben. Die Trockenzeiten zwischen den einzelnen Aufträgen war einfach zu kurz bzw wurden immer länger, je mehr Lagen aufgetragen wurden.
Mein erstes richtig ordentlich behandeltes Gehäuse war dann auch nicht das erste. Hatte etwas gedauert, da niemand da war, der Tips oä. geben konnte.
Heute mache ich das ganz anders, aber das ist ein anderes Thema.
Auf jeden Fall hast Du was sehr schönes erschaffen. Denke mal das dieses Radio jetzt einen Sonderplatz bei Dir einnehmen wird.
Meine "Ziehklinge" ist übrigens ein altes Küchenmesser. Ich denke mal, daß sich jeder auf irgendwas einfuchst, was sich so anfindet. Einige machen das ja auch mit Glasscheiben/-scherben.
Noch ein Wort zur Vorgehensweise. Ich hatte damals und auch bis zum Ende immer gleich mit einem Ballen gearbeitet. Also aufgetragen und am Ende abgezogen mit eben einem Ballen, der - genau wie bei Dir - danach zwingend in ein verschlossenes Glas getan werden muss. Wer schon mal erlebt hat, wie schnell sich ein Ölballen an der Luft entzünden kann, der wird vorsichtig! Außerdem bleibt er so immer sofort einsatzbereit.
Am Ende wurde dann mit 1000 Schleifpapier (oder noch feiner) einmal leicht übergeschliffen und am Ende nochmals poliert mit Chromreiniger oä.
Warum mache ich heute keine Hartöl"behandluung" mehr so wie Du?
Weil mich das Ergebnis am Ende doch nicht so überzeugt hat.
Aber das hat nichts mit Deiner Arbeit zu tun. Das sieht super aus.
paulchen
Warum?
Ich bin der Unhold der damals vor fast 20 Jahren sich das "Lackieren" mit Hartöl ausgedacht hatte.
Zu der Zeit noch im alten "Löwen-Forum". Kinder wie die Zeit vergeht.
Was bei Deinen Bildern schön rauskommt, ist das anfeuern der Maserung des Furniers. Das sieht nach dem Auftrag von Hartöl in der Regel besser aus, als ab Werk.
Meine ersten Geräte habe ich bis zu 6x mit Öl behandelt. Das hatte rückblickend den Nachteil, das sie leicht klebrig blieben. Die Trockenzeiten zwischen den einzelnen Aufträgen war einfach zu kurz bzw wurden immer länger, je mehr Lagen aufgetragen wurden.
Mein erstes richtig ordentlich behandeltes Gehäuse war dann auch nicht das erste. Hatte etwas gedauert, da niemand da war, der Tips oä. geben konnte.
Heute mache ich das ganz anders, aber das ist ein anderes Thema.
Auf jeden Fall hast Du was sehr schönes erschaffen. Denke mal das dieses Radio jetzt einen Sonderplatz bei Dir einnehmen wird.
Meine "Ziehklinge" ist übrigens ein altes Küchenmesser. Ich denke mal, daß sich jeder auf irgendwas einfuchst, was sich so anfindet. Einige machen das ja auch mit Glasscheiben/-scherben.
Noch ein Wort zur Vorgehensweise. Ich hatte damals und auch bis zum Ende immer gleich mit einem Ballen gearbeitet. Also aufgetragen und am Ende abgezogen mit eben einem Ballen, der - genau wie bei Dir - danach zwingend in ein verschlossenes Glas getan werden muss. Wer schon mal erlebt hat, wie schnell sich ein Ölballen an der Luft entzünden kann, der wird vorsichtig! Außerdem bleibt er so immer sofort einsatzbereit.
Am Ende wurde dann mit 1000 Schleifpapier (oder noch feiner) einmal leicht übergeschliffen und am Ende nochmals poliert mit Chromreiniger oä.
Warum mache ich heute keine Hartöl"behandluung" mehr so wie Du?
Weil mich das Ergebnis am Ende doch nicht so überzeugt hat.
Aber das hat nichts mit Deiner Arbeit zu tun. Das sieht super aus.
paulchen
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- Transmare
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- Registriert: Fr Dez 05, 2014 21:01
- Kenntnisstand: Elektrotechnischer Beruf/ Studium
- Wohnort: Salzkotten
Re: meine erste anwendung von hartöl
Hallo Paul,
vielen Dank für Deine Antwort. Ja, das Radio hat bereits einen Platz in meiner Sammlung. Ich habe für meine Geräte ein Ikea-Ivar Regal. Dass lässt sich durch Umstecken der Bodenträger sehr schön an das jeweilige Gerät anpassen. Damit die Geräte ab und zu spielen sind die meisten davon in einer Art Rotation unterwegs. Mal im Schlafzimmer, im Gästezimmer oder im Gartenhaus. Eines der Transistorgeräte nehme ich mit in den Garten wenn dort gearbeitet wird. Mein Equipment zum Kurzwelle hören sowieso, wenn ich mal eine Langdraht-Antenne zwischen den Bäumen spannen möchte.
Gerade ist ein Saba Meersburg W2 eingetroffen. Das Gehäuse ruft geradezu nach einer Hartöl-Behandlung.
Viele Grüße
andreas
vielen Dank für Deine Antwort. Ja, das Radio hat bereits einen Platz in meiner Sammlung. Ich habe für meine Geräte ein Ikea-Ivar Regal. Dass lässt sich durch Umstecken der Bodenträger sehr schön an das jeweilige Gerät anpassen. Damit die Geräte ab und zu spielen sind die meisten davon in einer Art Rotation unterwegs. Mal im Schlafzimmer, im Gästezimmer oder im Gartenhaus. Eines der Transistorgeräte nehme ich mit in den Garten wenn dort gearbeitet wird. Mein Equipment zum Kurzwelle hören sowieso, wenn ich mal eine Langdraht-Antenne zwischen den Bäumen spannen möchte.
Gerade ist ein Saba Meersburg W2 eingetroffen. Das Gehäuse ruft geradezu nach einer Hartöl-Behandlung.
Viele Grüße
andreas