Saba Lindau W2: der ideale Mittelsuper ?

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Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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holger66
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Saba Lindau W2: der ideale Mittelsuper ?

Beitrag von holger66 »

Hallo Forum,

neulich fand ich unter den quoka-Kleinanzeigen diese hier:

http://www.quoka.de/sammlungen-seltenes ... 51164.html

Das sind ungefähr 60 Kilometer von hier, also beschwätzte ich einen immer kauflustigen Kumpel, mal hinzufahren. Er ist so richtig fündig geworden, kaufte 6 Geräte und einen 30er-Jahre-Lautsprecher für 90 Euro, darunter auch der dicke holländische Philips mit dem Plattenspieler. 10 Euro i mußte ich für meinen einzigen Kauf, das Saba Lindau W2, löhnen. Hier ist die Katalogseite:

http://www.saba.pytalhost.com/1952/2.jpg

Im rm.org gibt es das Gerät natürlich auch:

http://www.radiomuseum.org/r/saba_lindau_w_ii_w2.html

Schon aus der Abbildung in der Kleinanzeige ging der schlechte Lackzustand hervor. Mehr zu ahnen als zu sehen, aber immerhin. Ich habe das Bildchen mal ausgeschnitten und unten angehängt.

Ich bin, wie alle Sammler, die mich kennen, wissen, kein wirklicher Freund der Geräte aus dem Schwarzwald. Unnötig komplexe Mechanik, meist defekte Netzschalter und bisweilen unnatürliche Widergabe verhageln mir immer wieder den Geschmack an diesen Geräten. Sollte es hier anders sein ?

Immerhin haben wir es hier mit einem Radio nach meinem üblichen Beuteschema zu tun: mit UKW, aber ohne Tasten. Das Baujahr 1952 (Gestempelt 8. Juni 1952) verspricht auch ganz ordentlichen UKW-Empfang.

Fangen wir mit den schlimmen Dingen an: na klar, der Netzschalter war kaputt, aber nur einseitig, diese Seite habe ich kurzerhand zunächst einmal gebrückt. Dann waren alle drei (!) Netzelkos platt. Er hat 32uf + 50uF + 50uF. Gründliche Siebung, aber eben restlos ausgetrocknet, er brummte beim ersten Versuch, wie ein angeschossener Grizzly.

Also weg damit und neue rein, nur wohin damit ? Platz ist an der Stelle nicht wirklich, da dort auch die Fassung der EM4 unterm Chassis hängt. Mit viel Würgen gings aber doch irgendwie rein.

Dann Koppel-C getauscht und los ging´s. Mäßiger UKW-Empfang, AM nur steckenweise, also Kontakte der Welle gründlich mit T600 abgesprüht. Und schon ging´s auf allen Wellen. Aber merkwürdige Schwinggeräusche auf UKW, der Zf-Verstärker war irgendwo wild am Schwingen. Die Ratiospannung verharrte unbeeindruckt vom Signal bei rund 30 Volt !

Das habe ich letztlich erst mit einer Razzia abstellen können, ursächlich war ein Kondi 0,1uF, der zwischen einem 30K und Masse steht. Über diesen 30K werden Gitter2/4 der ECH81 und Gitter2 der EF41 gemeinsam versorgt. Das hatte ich so noch nicht, ich halte es auch nicht für sinnvoll. Vielleicht trenne ich das noch auf.

Nach der Aktion werden Ratiospannungen von ca 32 Volt erreicht, die ohne Senderempfang aber auch auf sinnvolle Werte zurückgehen.

Dann kam die Reinigungsarie für Knöpfe, Skalenglas und anderes. Schließlich habe ich den Skalenhintergrund erneuert, das Originalteil ließ kein Licht der Skalenlampen mehr durch. Diese Sofitten waren im übrigen noch intakt (und hell genug). Ebenso die sämtlichen Röhren mit Ausnahme der EM4, weswegen ich da eine bessere einsetzte. Diese stammte auch aus der Kleinanzeige, für 20 Röhren, darunter 2 intakte EM11 und zwei intakte EM4, mußte ich weitere 10 Euro blechen. (Bevor hier Neid aufkommt: eine AF3, eine ECH4, eine ECH21, eine EBC3, eine ECL86, drei EM84 und anderer Kram war auch in der Schachtel.)

Nun ist noch das Gehäuse zu machen, das macht mir besagter Kumpel, der lieber mit Lacken pestet, als lötet, bei mir ist es umgekehrt. Mal sehen, was er als Gegenleistung zurechtgefrickelt haben will. Das Gehäuse ist an sich recht hell, so sollte das auch bleiben.

Warum nun der ideale Mittelsuper ? Der Empfang ist auf allen Wellenbereichen wirklich gut, für ein Gerät ohne Tasten besonders auf UKW, da vermißt man weder Trennschärfe noch Empfindlichkeit. Vor einigen Monaten hatte ich einen Baden-Baden W zwischen, das ist der Vorgänger. Der Fortschritt in diesen Disziplinen ist deutlich spürbar. Damals brachte jedes Jahr einen deutlichen Fortschritt.

Die Gehäuseform ist sehr gefällig, Saba wußte damals anscheinend nicht so genau, worauf man sich dauerhaft einstellen sollte. Den Bodensee W52 aus dem selben Jahr habe ich auch hier, den finde ich fast schon häßlich im Vergleich. Der hat dafür die fette EL12. Aber auch nur einen Lautsprecher. Und genau das ist der Schwachpunkt auch am Lindau W2. Es mangelt an Obertönen, das Gerät klingt mit dem wenig höhenfreudigen Breitbänder ein bißchen "durch die Nase". Müßte ich jetzt die Schallwandbespannung erneuern, würde ich ihm einen zusätzlichen Hochtöner spendieren, dann könnte er endgültig mit seinen jüngeren Brüdern mithalten.

Aber die Bespannung ist optisch noch das beste an dem Radio, sie muß nicht einmal gewaschen werden. Also lasse ich es dabei. Die Durchbrechung des Originalzustandes ist natürlich auch ein Argument dafür, aber die Verbesserung wäre sicher schon augen..., nein pardon: ohrenfällig.

H.
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Zuletzt geändert von holger66 am Do Mai 20, 2010 5:15, insgesamt 3-mal geändert.
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Christopher
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Beitrag von Christopher »

Hallo!

Schönes Gerät!

Ja, die Sabas von 1950 bis 1952 sind wirklich schöne Geräte, haben aber technische Tücken, mit denen ich mich auch schon öfters rumschlagen musste.

Bei den Sabas dieser Baujahre sind die Kondensatoren meist noch wesentlich "kaputter" als bei anderen Marken des gleichen Baujahres. Hier hilft meist nur die Vollkur.

Schwingende ZF-Filter ist auch nichts Neues. Ich habe hier einen Lindau WP, bei dem schwingt die ZF auf AM wie wild, UKW ist gut.

Die offenen EF80-UKW-Tuner verlangen meist nach sehr frischen Röhren. Dann funktionieren sie aber problemlos.

Gruß Christopher :)
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paulchen
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Beitrag von paulchen »

Und nu is das HMV schon in der Bucht...?

http://cgi.ebay.de/Rohrenradio-H-M-V-Hi ... 0433612977

Denke mal, das die Kiste eins von denen war, die übrig geblieben sind.

paulchen
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Beitrag von Beromünster »

Hallo Holger,
habe die Vorgehensweise zur Wiederinbetriebnahme Deines Lindau WII aufmerksam verfolgt.
Interessiert mich auch deshallb weil noch ein Lindau WP in meiner Schatzkammer auf Restauration wartet. Bin gespannt was da an Empfang mit 8 Kreisen auf UKW zu erwarten ist?

Soweit ich das aus deinem Bericht entnehme wechselst du aber grundsätzlich nicht alle Kondensatoren sondern nur bestimmte oder besser gesagt den wichtigsten Koppelkondensator?

Vor kurzem habe ich ein Saba Meersburg WIII restauriert das nachgedunkelte Skalenhintergundpapier habe ich bewust nicht erneuert- was ich normalerweise immer mache.
Die Skalebeleuchtung hatte einen nur leichten rötlichen unaufdringlichen teint,- das gefiel mir sehr gut und habe es deshalb dabei belassen.

Dann bin ich mal gespannt wie das Gehäuse wird :wink:
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holger66
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Beitrag von holger66 »

Jep, das isser !

Schönes Teil, aber die EM4 fehlt....die steckt jetzt in meinem Lindau W2. Lag in der Schachtel, was sollte ich machen ?

H.
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Beitrag von holger66 »

@Bero:

den Koppel-C wechsele ich vor dem ersten Probelauf, andere nach Befund. Hier waren sie alle so schlecht, daß eine Razzia unvermeidlich war. Alle üblen Kerle raus...!

Manchmal ist es so, daß sich bestimmte Fehlfunktionen auf bestimmte Kondis zurückführen lassen, ansonsten ist die Vorgehensweise folgendermaßen:

1) Der/die Koppel-Cs der Endröhre, bzw. der Endröhren, wenn mehrere drin sind
2) Alle gegen Masse stehenden C´s mit hoher aufgedruckter Spannungsfestigkeit
3) Alle C´s in der Endstufe und im Klangregelwerk
4) Razzia

Kann jeder aber natürlich nach Gusto machen.

H.
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Beitrag von Christopher »

Hallo!
Interessiert mich auch deshallb weil noch ein Lindau WP in meiner Schatzkammer auf Restauration wartet.
OT: Das Radio habe ich. Empfindlichkeit ist sehr mäßig. Man bekommt vieleicht 2 bis 3 Sender in guter Qualität.
Die Klangqualität ist für Flankendemodulation sehr gut.

Gruß Christopher :)
Erik
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Beitrag von Erik »

holger66 hat geschrieben:@Bero:

den Koppel-C wechsele ich vor dem ersten Probelauf, andere nach Befund. Hier waren sie alle so schlecht, daß eine Razzia unvermeidlich war. Alle üblen Kerle raus...!

Manchmal ist es so, daß sich bestimmte Fehlfunktionen auf bestimmte Kondis zurückführen lassen, ansonsten ist die Vorgehensweise folgendermaßen:

1) Der/die Koppel-Cs der Endröhre, bzw. der Endröhren, wenn mehrere drin sind
2) Alle gegen Masse stehenden C´s mit hoher aufgedruckter Spannungsfestigkeit
3) Alle C´s in der Endstufe und im Klangregelwerk
4) Razzia

Kann jeder aber natürlich nach Gusto machen.

H.
Danke.

Das ist ein guter Rat für Anfänger.
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Beitrag von holger66 »

So, jetzt ist das Gerät fertig. Razzia gemacht, Nachgleich, bessere EM4. Dann Gehäuse abgezogen und 3* mit Hartöl neu lackiert. Bilder anbei.

Spielt für ein Gerät aus dem Modelljahr 1952/53 auf UKW wirklich gut, kann ich nur empfehlen.

Gruß
Holger
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