Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
Forumsregeln
Regeln
Impressum
Mork_vom_Ork
Siemens D-Zug
Siemens D-Zug
Beiträge: 812
Registriert: Di Jul 14, 2015 13:10
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: Mitten in Mittelfranken!

Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von Mork_vom_Ork »

Hallo ins Forum!

So langsam vergrößert sich meine Werkzeugsammlung, gestern traf mein digitaler Kapazitätsmesser ein. Habe testweise einige neue Kondis durchgemessen - alles TOP (4700 pF Kondi hatte auch 4700 pF, 0,01 µF Kondi hatte 0,01 µF). Funktioniert also das Gerätchen.

Nun habe ich einige der ausgebauten alten ERO Papierkondis gemessen - und kann mir die Messwerte nicht so recht erklären. Ich dachte immer Kondis verlieren an Kapazität.
Folgende Messwerte gab es: Ein 1500 pF Kondi hatte 1900 pF, ein 0,047µF Kondi hatte 0,084 µF. Wie muss ich mir das erklären???? Verlust sieht doch irgendwie genau umgekehrt aus... :shock:

Danke schon mal an die vielen freundlichen Experten!
Viele Grüße
Markus
Benutzeravatar
paulchen
Geographik
Geographik
Beiträge: 7439
Registriert: Do Nov 13, 2008 7:16

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von paulchen »

Lies Dir mal diese Beiträge durch. Ab 10 wird es für die spannend.
http://www.radiomuseum.org/forum/ueberk ... dlich.html

paulchen
hf500
Geographik
Geographik
Beiträge: 2091
Registriert: Do Jul 08, 2010 21:17

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von hf500 »

Moin,
im Verlinkten beschreibt es Beitrag 10 ganz gut.
Strenggenommen sind es zwei Effekte. Einmal durch das Messverfahren, das den hinzugekommenen Isolationswiderstand interpretiert und dann eine tatsaechliche Kapazitaetserhoehung.
Die Kapazitaet eines Kondensators ist abhaengig von der Plattengroesse, dem Abstand der Platten und dem Dielektrikum dazwischen. Das Dielektrikun hat eine Kenngroesse, die Dielektrizitaetskonstante Epsilon. Eine Materialeigenschaft. Das verwendete Papier hat ein bestimmtes Epsilon, das eindringendes Wasser auch. Die D.-Konstante von Wasser ist sogar ziemlich hoch. Papier hat 3,7, Wasser je nach Temperatur etwa 73 bis 88. Das Vakuum hat die D.-Konstante von 1, Luft liegt geringfuegig darueber.

Je hoeher die D. desto hoeher ist bei gegebener Plattengeometrie die Kapazitaet.
http://www.spektrum.de/lexikon/physik/d ... tante/3040

Fuer uns bedeutet das Alles, dass die Kapazitaetsmessung an alten Papierkondensatoren (mit digitalen Messgeraeten) einen guten Anhaltspunkt ueber den Zustand des Kondensators hinsichtlich seines Isolationswiderstandes gibt.
Bei Elkos ist das nicht so ganz zuverlaessig, sie koennen in der Toleranz (Standardelkos haben -20+50%), aber trotzdem krank sein, weil sie einen unzulaessig hohen ESR (Ersatz-Serien-Widerstand) haben. Daher sollte man fuer deren Beurteilung noch ein ESR-Messgeraet haben.

73
Peter
Benutzeravatar
röhrenradiofreak
Geographik
Geographik
Beiträge: 10253
Registriert: Do Dez 27, 2007 23:19
Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: östliches Niedersachsen

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von röhrenradiofreak »

Vor 5 Jahren habe ich eine kleine Messreihe gemacht: mehrere alte Papierkondensatoren mit vier verschiedenen Kapazitätsmessgeräten gemessen. Bei ein und demselben Kondensator zeigten diese Kapazitätswerte an, die sich teilweise um mehr als den Faktor 10 unterschieden. Das liegt nicht an einer Kapazitätszunahme des Kondensators, sondern daran, dass das Messverfahren mit der Eigenschaft dieser Kondensatoren, nämlich einer schlechten Isolation, nicht zurecht kommt.

Wenn man einem einwandfreien Kondensator einen Widerstand von einigen M Ohm parallel schaltet und dann die Kapazität misst, wird das Kapazitätsmessgerät je nach seinem Messverfahren eine mehr oder weniger stark erhöhte Kapazität anzeigen.

Wer das Verhalten seines Messgerätes kennt, kann natürlich, wie Peter vorgeschlagen hat, die überhöhte Kapazitätsanzeige als Indikator dafür nehmen, dass der betreffende Kondensator nicht mehr einwandfrei ist. Ob er seine Aufgabe im betreffenden Gerät noch wahrnehmen könnte, hängt davon ab, welche Aufgabe an welcher Stelle der Schaltung das ist.

Natürlich wird sich aus den von Peter genannten Gründen auch die Kapazität verändert haben. Aber erstens nicht so sehr, wie es viele Kapazitätsmessgeräte anzeigen (siehe oben), zweitens führt eine veränderte Kapazität erst einmal nicht zu Funktionsstörungen. Diese entstehen durch die Leckströme.

Lutz
rettigsmerb
User gesperrt
User gesperrt
Beiträge: 5838
Registriert: Do Mär 17, 2011 16:23
Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von rettigsmerb »

Was Kondensatoren angeht, bin ich gnadenlos - Erfahrung halt.
Wenn ein Kondensator am Isolationstester bei Nennspannung einen Reststrom fließen lässt - und das tun so gut wie alle alten Papierkondensatoren, die auf WIMA Tropydur, ERO100 usw. lauten - fliegt er 'raus. Ganz einfach! Ich lasse mich da auf keine Experimente ein, Sicherheit geht vor - Punkt.
hf500
Geographik
Geographik
Beiträge: 2091
Registriert: Do Jul 08, 2010 21:17

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von hf500 »

Moin,
alles richtig, ich wollte nur deutlich machen, dass nicht Alles auf nur einen verringerten Isolationswiderstand beruht, sondern auch ein anderer Effekt dazu kommt. Dieser duerfte allerdings gering sein.
Mein digitales Kapazitaetsmessgeraet (Messverfshren unbekannt) hat mir schon alle meine NOS Wima Durolit aussortiert, nachpruefen des Isolationswiderstandes hat das bestaetigt. Ich kann sie vielleicht noch an niedrigen Spannungen in niederohmigen Schaltungen einsetzen.

73
Peter
rettigsmerb
User gesperrt
User gesperrt
Beiträge: 5838
Registriert: Do Mär 17, 2011 16:23
Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**

Re: Frage zu Kapazitätsmesswerten alter Papier-Kondis

Beitrag von rettigsmerb »

hf500 hat geschrieben:Moin,
alles richtig, ich wollte nur deutlich machen, dass nicht Alles auf nur einen verringerten Isolationswiderstand beruht, sondern auch ein anderer Effekt dazu kommt. Dieser duerfte allerdings gering sein.
Mein digitales Kapazitaetsmessgeraet (Messverfshren unbekannt) hat mir schon alle meine NOS Wima Durolit aussortiert, nachpruefen des Isolationswiderstandes hat das bestaetigt. Ich kann sie vielleicht noch an niedrigen Spannungen in niederohmigen Schaltungen einsetzen.

73
Peter

Hallo Peter,

das genau trifft es auf den Punkt! Die gleiche Erfahrung habe ich auch machen müssen!